Bottrop. Jedes vierte Grundschulkind kann nicht gut lesen. Seit fünf Jahren helfen Ehrenamtliche Bottroper Kindern – immer mehr können davon profitieren.
Sieben Gründungsmitglieder haben 2019 den Verein Mentor Bottrop an den Start gebracht, um Kindern beim Lesen lernen zu helfen. Fünf Jahre später, und trotz der bremsenden Corona-Pandemie, ist der Verein auf 110 Mitglieder angewachsen, und die 90 Leselernhelfer unter ihnen sind an 16 Bottroper Grundschulen aktiv. Damit decken sie fast die komplette Grundschullandschaft ab. „Wenn sie nur ein Kind erleben, das sich verbessert und mit Freude in die Unterrichtsstunde kommt, das ist einzigartig“, beschreibt Thomas Schild die Motivation – und den Erfolg – der Lesepaten.
Zusammen mit der ehemaligen Kirchhellener Geschäftsfrau Regina Timmerhaus hat Thomas Schild, einstiger Geschäftsführer der Nordsternturm GmbH, den Vorsitz des Vereins neu übernommen. Im September trat der bisherige Mentor-Vorsitzende und Vereinsgründer Walter Lux von seinem Amt zurück, und zwar aus gesundheitlichen Gründen. „Leider“, wie der neue Vorsitzende bedauert. Mit der Neuaufstellung sind nun die zahlreichen Aufgaben in dem wachsenden Verein neu verteilt worden, unter anderem auch auf die Schultern der Beisitzerinnen und Koordinatorinnen Maria Lüning-Heyenrath und Barbara von Glasow.
Rund 110 Bottroper Grundschüler profitieren von der ehrenamtlichen Leseförderung
Denn ohne gute Organisation, Einführungsschulungen und Fortbildungen etwa zu Lesefähigkeit, Textverständnis oder Konzentrationsübungen, wie sie der Mentor-Verein anbietet, wäre es wohl kaum möglich, aktuell rund 110 Kinder an Grundschulen und im Caritas-Kinderdorf erfolgreich in ihrer Lesekompetenz zu stärken.
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Dabei zielen die ehrenamtlichen Leselernhelfer nicht etwa auf Jungen oder Mädchen mit einer diagnostizierten Lese-Rechtschreib-Schwäche ab, welche professionelle Förderung erhalten müssen und können. Und auch nicht unbedingt auf Flüchtlingskinder, für die der Spracherwerb an erster Stelle steht. Schließlich sind die Ehrenamtlichen, alle in einem Alter ab 50 plus, keine ausgebildeten Lehr- oder Fachkräfte.
„Wir machen ein bisschen das, was im Idealfall zu Hause passieren könnte“, sagt Maria Lüning-Heyenrath. „Allerdings hat sich die Situation in den Familien einfach verändert.“ Die Lesenlernhelfer setzen sich in Ruhe mit den Kindern hin, üben mit ihnen das Lesen, arbeiten am Wortschatz und am Textverständnis. Wie nötig das ist, verdeutlicht unter anderem die Stiftung Lesen, denn es könnten „weder jedes vierte Grundschulkind noch alle 15-jährigen Jugendlichen ausreichend gut lesen“.
Die ehrenamtliche Leseförderung findet in der Schule statt und dauert 45 Minuten
Konkret sieht das so aus: Ein Leselernhelfer unterstützt in einer Eins-zu-eins-Betreuung ein Kind, oft von der zweiten bis zur vierten Klasse. Die Kinder werden von den Lehrkräften vorgeschlagen, das Einverständnis der Eltern wird eingeholt. Die ehrenamtliche Leseförderung dauert 45 Minuten und wird in den Schul- bzw. OGS-Alltag eingebaut. „Kein Lehrer, keine Eltern, keine Geschwister sind in der Nähe. Das Kind erlebt: Ganz alleine für mich ist jemand da“, berichtet Thomas Schild.
„Das Kind wird als Persönlichkeit ernst genommen, es wird nicht nur gelesen, sondern auch miteinander gesprochen und gespielt“, ergänzt Regina Timmerhaus. Ziel sei es auch, dem Kind, das in der Schule ja Misserfolge erlebe, zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Das wirke sich erfahrungsgemäß auf alle Fächer aus.
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Dabei haben die Leselernhelfer einiges an Rüstzeug, um eine erfolgreiche Unterstützung bieten zu können, die den Jungen und Mädchen auch noch Spaß macht. Gelesen werden Texte, die die Kinder vom Thema her individuell ansprechen – das kann Fußball sein oder etwa Ballett, und Tierisches gehe sowieso immer. Drittklässlern mit Schwierigkeiten beim Lesen biete man zunächst Texte an, die eigentlich etwa für die zweite Klasse vorgesehen sind, um schnelle Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.
Leistungsdruck gibt es nicht, betonen die Ehrenamtlichen unisono. Vielmehr werden zwischendurch (Lern-)Spiele oder Rätsel eingebaut, wenn zum Beispiel die Konzentration nachlässt. „Ich erinnere mich an ein Kind aus der vierten Klasse, das hat zu mir gesagt: ,Ich lese gerne. Aber Mikado spielen wir auch!‘“, meint Thomas Schild mit einem Schmunzeln.
Mentor Bottrop ist dem Mentor-Bundesverband angeschlossen, der die 125 lokalen Vereine unterstützt. „Das hilft, das Ganze zu professionalisieren“, sagt Maria Lüning-Heyenrath, die sich darüber genau wie Barbara von Glasow zum Beispiel für die Schulung neuer Mentoren qualifizieren ließ.
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Diese werden natürlich immer gebraucht, um sie werben die Vereinsmitglieder unter anderem regelmäßig in der Mayerschen Buchhandlung in Bottrop. Die Finanzierung des Vereins läuft über Mitgliedsbeiträge (20 Euro pro Jahr, aktive Leselernhelfer sind vom Beitrag befreit) und Spenden. Größter Sponsor ist die Sparkasse, betont der dankbare Vorstand. Zum Vereinsbestand gehört umfangreiches Lese- und Spielmaterial, das die Ehrenamtlichen nutzen können.
Mentor Bottrop: Neuer Vorstand möchte Vereinsaktivitäten ausweiten
Ausweiten möchte der neue Vorstand künftig die Vereinsaktivitäten, den Austausch der Mitglieder untereinander. Das Fünfjährige des Vereins wurde im Sommer zum Beispiel mit einer Stadtrundfahrt unter der Federführung des Bottcast-Teams und mit anschließendem Currywurst-Essen am Tetraeder gefeiert.
Infos und Kontakt: mentor-bottrop.de, E-Mail vorstand@mentorbottrop.clubdesk.com. Ansprechpartnerin für interessierte Ehrenamtliche: Regina Timmerhaus, 0171 7313080