Bottrop. Familie Krichel gilt als Bottroper Dynastie in Sachen Fisch. Senior Hans Krichel hat jetzt eine App entwickelt. Was sie kann und wann sie kommt.

Frischer Fisch und Krichel: Das gilt bis heute nicht nur als Synonym, sondern auch als Konstante im Bottroper Einzelhandel. Dahinter steckt zwar schon die Großmutter von Hans und Ernst Krichel. Aber erst deren Vater und dann noch einmal verstärkt die beiden Brüder – jeder auf seine Art und seinem individuellen Weg – haben dafür gesorgt, dass vom Matjes bis zum erlesenen Krustentier die Angebotspalette in der Stadt erhalten bleibt. Ernst wurde inzwischen abgelöst durch Sohn Sascha auf dem Wochenmarkt, Hans war mehr als 60 Jahre an der Gladbecker Straße, heute „nur“ noch in Düsseldorf.

„Ich werde nie sagen, ich sei Düsseldorfer, auch wenn ich schon lange da lebe, mein Geschäft dort habe, die Stadt und die Menschen sehr mag. ich bin und bleibe Bottroper“, sagt Hans Krichel im Brustton der Überzeugung. Wer denkt, mit 90 sei er längst im Ruhestand, genieße Fisch, Austern und Co. nur noch am heimischen Esstisch, hat sich getäuscht.

Das sogenannte „Kleine Patent“ für seine Küchen-App hat der Bottroper Erfinder schon in der Tasche

Am 5. November – „am Tag der für uns alle wichtigen US-Präsidentenwahl“, wie er sagt – wird Hans Krichel schon 91. „Ich brenne aber nach wie vor für die frischesten Produkte in meinem Laden und suche nach wie vor nach der besten und schonendsten Zubereitungsart für Fisch. Da bin ich, glaube ich, schon lange auf einem guten Weg.“ Da sind wir schon beim Thema, genauer gesagt, bei der Küchen-App, die der Bottroper entwickelt hat und die man ab Januar aufs Handy laden kann.

Nach dem Beginn auf dem Bottroper Wochenmarkt betrieb Familie Krichel ein Geschäft an der Essener/Ecke Bergstraße. Später zog es Hans Krichel an die Gladbecker Straße. Bruder Ernst übernahm das Wochenmarkt-Geschäft.
Nach dem Beginn auf dem Bottroper Wochenmarkt betrieb Familie Krichel ein Geschäft an der Essener/Ecke Bergstraße. Später zog es Hans Krichel an die Gladbecker Straße. Bruder Ernst übernahm das Wochenmarkt-Geschäft.

Die sogenannte Gebrauchsmuster-Urkunde, oft auch als „Kleines Patent“ bezeichnet, hat er schon seit einiger Zeit in der Tasche. Den Namen der App, die sich hinter Nummer 2020 22 000 460 verbirgt, auch: „BRATmet55“.Die 55 bezieht sich auf jene 55 Sekunden, die Krichel als Faustregel und ideale Bratzeit pro Zentimeter Dicke beim Fisch herausgefunden hat. „Sie halten das Handy mit der App künftig an ihren Fisch und sofort zeigt es Dicke und ideale Bratzeit ein, ganz einfach“, so der Fischfachmann, der sich seit Jahrzehnten mit allem rund um Fisch und übriges Meeresgetier beschäftigt – bis hin zur Zubereitung.

Fisch ist bei Krichels Familiensache: Sascha und Vater Ernst Krichel im Kulturhauptstadtjahr 2010 auf dem Wochenmarkt gemeinsam hinterm Tresen.
Fisch ist bei Krichels Familiensache: Sascha und Vater Ernst Krichel im Kulturhauptstadtjahr 2010 auf dem Wochenmarkt gemeinsam hinterm Tresen. © WAZ FotoPool | Birgit Schweizer

Die App „BRATmet55“ sei übrigens für die Nutzerinnen und Nutzer kostenlos herunterzuladen. Aber ein paar Einnahmen verspricht sich der gewiefte Geschäftsmann schon: „Durch die Werbung, die damit gekoppelt sein wird.“

Früher gehörten zu seinen Läden in Bottrop und vor allem auch im luxuriösen Düsseldorfer Carsch-Haus in Kö-Nähe, immer auch Restaurants. Viele Rezepte habe er vor allem mit seiner Frau entwickelt. Aber: „Wir hatten auch tolle Köche.“ Krichel veranstaltete sogar einmal ein Fisch-Köche-Casting in der Landeshauptstadt.

Dass er das Carsch-Haus, wie so viele andere Unternehmer auch, im Zuge der Pleite des windigen österreichischen Geschäftsmanns René Benko und dessen Signa-Gruppe verlassen musste, schmerzt ihn bis heute. Die Immobilie ist noch immer nicht bezugsfertig umgebaut. Vor 2026 soll es dem Vernehmen nach auch nichts werden. Probleme also, die es nicht nur in Bottop gibt.

Auch das ist schon Vergangenheit: Hans Krichel 2016 vor seinem Bottroper Fischgeschäft mit Bistro an der Gladbecker Straße. Nach glücklosen Nachfolgeversuchen wird dort heute Bekleidung verkauft.
Auch das ist schon Vergangenheit: Hans Krichel 2016 vor seinem Bottroper Fischgeschäft mit Bistro an der Gladbecker Straße. Nach glücklosen Nachfolgeversuchen wird dort heute Bekleidung verkauft. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Im neuen Domizil an Düsseldorfs Nordstraße setzt er wie nur noch wenige Fachhändler auf täglich frischen Einkauf. Auch darum kümmert sich der Chef nach wie vor selbst. Obwohl: „Im Laden bin ich kaum noch, das Team, das ich zum Teil schon Jahre, Jahrzehnte, kenne, ist einfach toll“, schwärmt Krichel.

Nach dem Tod seines Sohnes steht Hans Krichel wieder allein an der Spitze seines Unternehmens

Schon mit Anfang 30 habe er halb Europa bereist. „Ich wollte die Fischereihäfen und vor allem die unterschiedlichen Fische kennenlernen, Kontakte vor Ort knüpfen, um das Beste in meine Läden zu holen“, so der Fachhändler über seine Maxime. Dass dabei auch Inspirationen für Rezept-Ideen wie die fast legendäre „Krichel-Bourride“ entstanden, kann fast schon als „Beifang“ bezeichnet werden. An vielen Ideen sei auch seine Frau Christa beteiligt gewesen. Aber sie hat sich mit über 80 inzwischen ganz aus dem Geschäft zurückgezogen. So ist die „BRATmet55“-App die jüngste Entwicklung des findigen und immer wieder begeisterungsfähigen Geschäftsmanns.

Die Besuche in seiner Heimatstadt gelten natürlich der Familie und Freunden, Bekannten. Er freut sich, dass sein Neffe die Fisch-Krichel-Fahne auf dem Wochenmarkt weiter hochhält. „Denn dort hat ja schließlich vor vielen Jahrzehnten alles begonnen.“ Wie es mit seinem eigenen Geschäft weitergeht, könne er noch nicht sagen. „Mein Sohn Oliver war mit im Geschäft, hätte alles schon längst übernehmen sollen, aber er ist vor zwei Jahren verstorben, so führt mich mein Weg in Bottrop immer auch auf den Friedhof“, sagt Hans Krichel. Zum Glück habe er noch seine Tochter in Bottrop und dann natürlich Bruder Ernst mit Familie.

Landeshauptstadt und Geschäft hin oder her, Hans Krichel gibt sich als echter Lokalpatriot: „Meine Wege führen mich immer wieder nach Bottrop zurück, auch wenn sich die Geschäftsszene sehr verändert hat.“