Bottrop. Viele Jahre hat die Bottroperin Luciene Dos Santos unter ihrer Depression gelitten, bis sie Hilfe fand. Ihr Weg aus den dunklen Gedanken.
Luciene Dos Santos lächelt. Es geht ihr gut. Das war nicht immer so. Sie spricht offen über ihre Depression. Ein Gespräch mit einer starken Frau, der es lange schwerfiel, die eigene Schwäche einzugestehen.
Denn so wie ihr ergeht es vielen Menschen. Ganz gleich, ob Mann oder Frau. Psychische Erkrankungen, wie eben eine Depression, kennen kein Alter und kein Geschlecht. Oft sind diese Erkrankungen in der Gesellschaft stigmatisiert.
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Die 49-Jährige möchte, dass Vorteile abgebaut und Tabus gebrochen werden. Man soll offen über psychische Erkrankungen in der heutigen Gesellschaft reden können. Darüber hinaus will sie Betroffene ermutigen, sich professionelle Hilfe zu holen.
„Ich habe es selbst nicht ernst genommen. Ich dachte immer, ‚Du bist eine starke Frau‘, ich schaffe das schon alleine“, sagt sie. Zu erklären, wie sich die Erkrankung bei ihr bemerkbar macht, fällt ihr nicht leicht. „Es ist schwer, Emotionen zu beschreiben.“
Die Symptome bei einer Depression sind schwer zu beschreiben
Eine geschundene Seele blutet nicht, wie eine offene Wunde. Sie sei schon morgens antriebslos gewesen, hatte zu nichts Lust und wollte am liebsten im Bett liegen bleiben. Im Laufe eines Tages wird es nicht besser. Es fällt ihr schwer, sich zu konzentrieren, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Am schlimmsten sind die Schmerzen in mir drin“, sagt sie und zeigt mehrmals auf ihr Herz. „Hier drinnen schmerzt es.“ Was sie erlebt habe, sei bei ihr im Kopf – sozusagen im Gedächtnis geblieben.
„Man muss sich nicht schämen, wenn einem geholfen wird. Hilfe ist kein Zeichen von Schwäche.“
Schlimme Erinnerungen aus der Vergangenheit kommen dann unerwartet hoch. Sie kommen in Schüben von jetzt auf gleich. Ihre Gefühle übermannen sie und sie fängt plötzlich an zu Weinen. „Diese Attacken sind schlimm. Ich konnte sie nicht kontrollieren.“
Ihr Bruder, der in Brasilien lebt, redet ihr gut zu. Sie soll sich Hilfe bei einem Psychologen holen. Auch sie selbst erkennt, dass es so nicht weitergehen kann. Sie geht zu ihrer Krankenkasse, die gibt ihr einige Adressen – darunter auch von Valeara an der Hochstraße.
Ein Platz in der Tagesklinik wird ihr in Aussicht gestellt. Von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr wird sich dort um die Patientinnen und Patienten gekümmert. Abends sowie an den Wochenenden und an Feiertagen sind sie Zuhause. Doch sie bekommt Zweifel. „Ich muss doch arbeiten, Geld verdienen, Rechnungen bezahlen. Wie soll das funktionieren?“, hat sich Luciene Dos Santos damals gefragt.
Offenheit bei Valeara: In Einzel- und Gruppentherapien fließen häufig Tränen
Am Ende wird ihr alles zu viel, der Alltag unerträglich. Sie trifft eine Entscheidung: Die eigene Gesundheit ist ihr wichtiger. Sie nimmt den Platz in der Tagesklinik. „Ich bin froh über diesen Schritt. Es hat mir sehr, sehr geholfen.“ In verschiedenen Gruppen- und Einzelsitzungen wird der Ursache für die psychische Erkrankung auf den Grund gegangen.
Die Malerei und die Kunst in der Therapie lenken sie ab und bringen sie auf andere Gedanken. Häufig fließen Tränen. Innerhalb der Gruppe soll sich jeder öffnen, offen über seine Probleme sprechen. „Lass es raus, lass es raus“, lautet ihr Ratschlag. „Bevor es zu spät ist.“
Patienten gründen eine WhatsApp-Gruppe und bleiben im Kontakt
Für sie selbst ist es ein Wendepunkt. „Ich musste mich von meiner Last befreien“, sagt sie. Eine junge Frau saß auch in der Therapiegruppe und sprach aus, wie es ihr geht und was sie belastet, erinnert sich Luciene Dos Santos. „Ich konnte ihren Schmerzen fühlen. Ich weiß, wie sie leidet.“ Die 49-Jährige realisiert im Laufe der Wochen: „Ich bin nicht alleine.“ Jeder versteht den anderen.
Der Kontakt mit den Gleichgesinnten wird auch nach dem Besuch der Tagesklinik aufrecht gehalten. „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe“, sagt sie. Ab und zu, wenn es die Zeit zulässt, treffen sie sich untereinander. „Das ist superschön“, sagt Luciene Dos Santos.
Patientin über ihre Depression: „Hilfe ist kein Zeichen von Schwäche“
Ihrer Erfahrung nach sollen Betroffene über den eigenen Schatten springen. „Man muss sich nicht schämen, wenn einem geholfen wird. Hilfe ist kein Zeichen von Schwäche“, sagt sie.
Sie kennt die geläufigen Vorurteile. Dauerhafte Verspannungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit oder ein möglicher Migräneanfall werden oft nicht mit einer Depression in Verbindung gebracht. „Es gibt Menschen, die nehmen dagegen Medikamente und denken, dass sie es irgendwie alleine schaffen.“
Nach dem Besuch der Tagesklinik muss sie sich wieder im Alltag zurechtfinden. „Ich habe viel gelernt, und bin froh, dass ich die Therapie gemacht habe. Jetzt muss ich es anwenden.“ Weitere Unterstützung erfährt sie zusätzlich beispielsweise über die Psychiatrische Institutsambulanz von Valeara.
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„Wir haben Dir den Weg gezeigt“, habe man sich gegenseitig in der Gruppe der Tagesklinik gesagt. „Ich muss das jetzt durchziehen. Aufgeben ist keine Option“, sagt sie zu sich mit kräftiger Stimme. Sie selbst sei ein gläubiger Mensch. „Ich muss für mich entscheiden, ob ich dem Licht folgen oder im Schatten bleiben will.“
Eine Depression ist für Betroffene auch ein täglicher Kampf mit sich selbst und gegen die eigenen Dämonen. „Man muss negative Gedanken mit positiven Gedanken besiegen“, sagt sie. Auch eine Erfahrung, die sie dank professioneller Hilfe gemacht hat.
Luciene Dos Santos ist ein Gesicht einer neuen Kampagne von Valeara. Im Zentrum steht die mentale Gesundheit. Hierbei sollen mit Tabus gebrochen und in der Gesellschaft das Bewusstsein für psychische Erkrankungen geweckt werden. Informationen und Hilfe unter https://www.valeara.de