Bottrop. Fast 40 Prozent der Kinder in Bottrop haben sprachliche Defizite, bevor sie eingeschult werden. Auch die Motorik ist bei vielen ein Problem.

„Ich mache mir große Sorgen über unsere gesamtgesellschaftliche Entwicklung“, sagt Martina Koch. „Sehr viele Kinder haben Sprachdefizite.“ Sie ist Abteilungsleiterin im Bottroper Gesundheitsamt und unter anderem zuständig für die Schuleingangsuntersuchungen, die jedes Kind vor der Schulpflicht durchläuft. Dem Sozial- und Gesundheitsausschuss hat sie Ergebnisse aus diesen Untersuchungen präsentiert. Und wenngleich die Zahlen aus dem Jahr 2022 stammen, zeigen sie einen beunruhigenden Trend auf.

Besonders eine Zahl sticht negativ aus den Daten des Bottroper Gesundheitsamtes hervor: 39,6 Prozent der Kinder zeigen bei der Schuleingangsuntersuchung sprachliche Defizite. Das sind 9,6 Prozentpunkte mehr als im NRW-Schnitt, den das Landeszentrum Gesundheit (LZG) aus 34 von 53 Kommunen im Land errechnet hat.

Sprachliche Defizite bei Kindern: „Gesamtgesellschaftliches Problem“

Über die Gründe könne man nur spekulieren, sagt Martina Koch und zeigt dann aber doch zumindest Erklärungsansätze auf: „Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, wie die Kinder erzogen und begleitet werden.“ Vor allem gehe es um die mangelnde Anwendung der deutschen Sprache zu Hause. „Das können wir kaum ausmerzen.“

Schon der Integrationsbericht der Stadt, der ebenfalls auf die Daten aus dem Jahr 2022 zurückgreift, hat gezeigt, dass es eine hohe Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund gibt, die erhebliche Sprachdefizite aufweisen. Demnach sprechen 5,3 Prozent der Mädchen und 7,3 Prozent der Jungen bei der Schuleingangsuntersuchung gar kein Deutsch. Fast jeder vierte Junge (23,8 Prozent) spricht „radebrechend“, bei den Mädchen sind es 16,4 Prozent. Lediglich 7,4 Prozent der Mädchen und 4,7 Prozent der Jungen sprechen fehlerfrei Deutsch.

Bottroper Integrationsbericht: Ausländische Kinder häufiger übergewichtig

Auch beim Gewicht wird deutlich: Kinder, die nicht aus Deutschland kommen, sind dicker. Der Integrationsbericht unterscheidet da zwischen Deutschen und Ausländern, also Kindern, die (auch) einen ausländischen Pass haben. Laut dem Integrationsbericht liegen ausländische Kinder öfter über dem Normalgewicht (19,6 Prozent) als deutsche (12,1 Prozent). Dabei ist der Anteil der Mädchen (23,9 Prozent) bei den übergewichtigen, ausländischen Kindern deutlich höher als der Anteil der Jungen (15,2 Prozent).

+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bottrop verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren WhatsApp-Kanal

Laut den Daten des Gesundheitsamtes hatten 6,7 Prozent aller Kinder bei der Schuleingangsuntersuchung ein Adipositas-Problem, der NRW-Schnitt liegt bei sechs Prozent. 2017 waren noch 5,1 Prozent der Kinder stark übergewichtig. „Gefühlt sind die Kinder dicker geworden, aber die Zahlen geben das eigentlich nicht her“, sagt Martina Koch mit Blick auf den nur leicht gestiegenen Prozentsatz.

Eine weitere alarmierende Zahl: Mehr als jedes vierte Bottroper Vorschulkind, 26,3 Prozent, hat Probleme bei der Visuomotorik, das heißt bei der Koordination von Sehen und Bewegung. Auch hier liegt Bottrop knapp über dem NRW-Schnitt (23 Prozent) und auch hier hat sich die Situation seit 2017 verschlechtert, als der Anteil der Kinder mit Defiziten noch bei 23,1 Prozent lag.

Jedes vierte Kind in Bottrop fühlt sich psychisch belastet

Verschlechtert hat sich auch die psychische Situation der Kinder. Zwar sei die Verfassung der Mädchen und Jungen, die über die sogenannte Copsy-Längsschnittstudie erfasst worden sind, wieder besser als während der Lockdown-Zeit. Aber sie ist noch nicht auf dem Vor-Corona-Niveau. Drei von zehn Kindern empfinden ihre Lebensqualität als gering, vor der Pandemie waren es zwei von zehn. „Die Ängste sind größer als vor der Pandemie“, sagt Martina Koch.

Kinder aus sozial schwachen Familien seien stärker belastet; beengter Wohnraum, geringe Bildung, aber auch ein Migrationshintergrund sind Indikatoren. Das traurige Fazit der Studie: Rund ein Viertel der Kinder fühlt sich psychisch belastet.

„Ich weiß nicht, wie man den Problemen beikommen kann“, sagt Martina Koch, verweist aber auf die zahlreichen Hilfsangebote, die die Stadt Bottrop macht. Bereits seit 2008 gibt es die „Frühe Hilfe“ für Familien in belasteten Situationen. Hinzu kommen Unterstützungsangebote in den Bottroper Familienzentren, durch Elterncafés und Beratungsstellen. „Wir sind da in Bottrop gut aufgestellt“, sagt der Sozialausschussvorsitzende und SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Buschfeld. Und doch bleiben die Zahlen besorgniserregend.