Bottrop. Seit fünf Jahren ist eine Bottroperin mit einem Nigerianer verheiratet. Die Erlaubnis für seinen Familiennachzug fehlt bislang. Ihre Geschichte.

„Ich leide“, sagt Andrea Porwol. Sie zeigt das Album mit ihren Hochzeitsfotos; wie sie da lächelt, ihren Mann anschaut. Seit fünf Jahren ist sie verheiratet, mit Christopher aus Nigeria. Aber zusammenleben mit ihm kann sie nicht: Behördliche Hürden verhindern es.

Kennengelernt hat die Bottroperin Chris übers Internet. Ihr Interesse fürs Boxen, für Boxvideos habe sie auf seine Facebook-Seite geführt. Sie gibt ihm ein „Like“, er bedankt sich dafür, „so kamen wir ins Gespräch“. Für die Bottroperin eigentlich nichts Ungewöhnliches, sie sei viel in den sozialen Medien unterwegs, „ich chatte mit der ganzen Welt“, mit Freunden in Afrika, Schweden, der USA.

Bottroperin kommt Christopher aus Nigeria trotz der Entfernung näher

Doch mit Christopher aus Nigeria ist es etwas Besonderes. Trotz der Entfernung kommen sie sich näher, werden Freunde. „Wir mochten uns.“ Er erzählt von einem Unfall, der seiner Boxkarriere ein Ende gesetzt habe. Sie erhält von ihm Trost in ihrer Trauer um ihren ersten Mann, mit dem sie glücklich verheiratet gewesen sei. Sie chatten, telefonieren. „Christopher war mir ein treuer Begleiter.“ Und: „Er hat mich wieder aufgerichtet.“ Schließlich wird der Wunsch stärker, sich persönlich zu treffen.

„Von meiner Seite aus habe ich mich sehr schnell in ihn verliebt“, gibt sie zu. Dass sie da Mitte 50 ist und er Anfang 30, ist für sie kein Thema. Altersunterschiede spielen für Andrea Porwol in einer Beziehung keine Rolle. Ihr erster, nach schwerer Krankheit verstorbener Mann sei 18 Jahre älter gewesen. „Und wir waren glücklich verheiratet.“

Sie lädt also Christopher ein, für drei Monate zu ihr zu kommen, doch der Visums-Antrag wird abgelehnt. Die Ämter gehen von „mangelnder Rückkehrbereitschaft“ aus, erzählt Andrea Porwol. Daher reist sie nach Nigeria.

Blick ins Fotoalbum mit Paar-Bildern von Andrea und Chris.
Blick ins Fotoalbum mit Paar-Bildern von Andrea und Chris. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Ja, sagt sie ruhig, „ich weiß, was die Leute denken.“ Nämlich, dass es Christopher nur ums Finanzielle gehe. Doch sie habe ja ihn kontaktiert, er sie wiederum niemals um Geld gebeten. „Wir haben offen über das Thema Romance Scam gesprochen.“ Damit bezeichnet man das Vortäuschen von Gefühlen übers Internet, um an Geld zu kommen, wobei die Betrüger oft gefälschte Profile benutzen.

Die Begegnung zwischen Andrea und Christopher in Lagos aber, die ist echt. „Am Flughafen haben wir uns das erste Mal persönlich gesehen und ich habe sofort gedacht: Das passt. Von der ersten Minute an habe ich gefühlt, das ist mein Mann.“ Sie habe den Vorschlag gemacht, zu heiraten, gleich bei ihrem ersten Aufenthalt 2019.

Allein zurück in Deutschland, wendet sie sich ans Standesamt, „um alles legal zu machen“. Da sei man ihr zum ersten Mal mit größter Skepsis begegnet, habe gefragt, wo sie ihren Mann kennengelernt habe. „Das fand ich schon unverschämt.“

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Sie reicht Dokumente ein, die werden überprüft, auch über das deutsche Konsulat in Lagos, erzählt die Bottroperin. „Mein Mann wurde auf Herz und Nieren geprüft“, Unstimmigkeiten bezüglich seines Geburtsdatums ausgeräumt. Sie holt sich Unterstützung über einen Rechtsanwalt, weil sie will, „dass alles korrekt abläuft“. Sie habe schließlich nicht vor, „Tor und Tür für Betrüger zu öffnen“.

Deutsch-nigerianische Paar muss sich einem Scheineheverfahren stellen

Die Behörden-Mühlen mahlen langsam. Die beiden müssen sich einem Scheineheverfahren stellen; sie in Deutschland, er in Nigeria. „Ich habe mich gedemütigt gefühlt, wie eine Kriminelle“, sagt Andrea Porwol. Am Ende besteht das Paar das Scheineheverfahren, wie auf Nachfrage der Redaktion auch die Bottroper Ausländerbehörde bestätigt.

Der Ehegattennachzug wird Christopher trotzdem nicht gestattet, der bereits 2021 gestellte Visumsantrag zum Familiennachzug als Ehegatte einer Deutschen im Oktober 2022 abgelehnt. „Dafür ist ein Sprachnachweis vorgeschrieben“, berichtet Andrea Porwol. Grundkenntnisse, auf dem Sprachniveau A1. Damit soll laut Bundesamt für Migration sichergestellt werden, dass sich die Ehegatten in Deutschland von Anfang an auf einfache Art auf Deutsch verständigen können. 

Love always finds a way - Liebe findet immer einen Weg. Das jedenfalls hofft Andrea Porwol.
Love always finds a way - Liebe findet immer einen Weg. Das jedenfalls hofft Andrea Porwol. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Mein Mann bemüht sich, die Sprache zu lernen, wir üben zusammen. Aber er hat nur die Primary School besucht, es ist schwer für ihn.“ Zweimal sei er durch die Prüfung gefallen – aktuell der einzige Grund für die Ablehnung, dass er nach Deutschland kommen und bleiben dürfe. „Die anderen Papiere sind in Ordnung, die Heiratsurkunde anerkannt.“

Fehlende Sprachkenntnisse: Anwalt setzt sich für Anwendung einer Härtefallregelung ein

Ihr Rechtsanwalt setzt sich für die Anwendung einer Härtefallregelung ein: Wer sich über ein Jahr nachweislich bemüht habe, die geforderten Grund-Deutschkenntnisse zu erwerben, kann das Visum auch ohne bestandene Prüfung erhalten und den Sprachnachweis in Deutschland nachholen. Konsulat und Bottroper Ausländerbehörde lehnen ab.

Für Andrea Porwol unverständlich: „Sie behaupten, mein Mann habe sich nicht bemüht. Aber er hat ab Januar 2022 zwei Online-Kurse besucht, ich habe ihm einen Intensiv-Kurs in Präsenz ermöglicht.“ Inklusive Hotelaufenthalt in der Nähe des Goetheinstituts. Viel Geld habe sie dafür aufgewendet. Zudem: Strom und Internet zum Beispiel seien in Nigeria nicht immer zuverlässig da, die technischen Ausstattung zunächst nicht gegeben, was eine frühere Aufnahme des Online-Unterrichts in noch von Corona geprägten Zeiten behindert habe.

Argumente, denen die Behörden nicht folgen; sie kommen vielmehr zu einer ganz anderen Einschätzung, sehen kein durchgehendes Engagement dargelegt. Das Konsulat setzt den Beginn des relevanten Jahreszeitraum schon im Oktober 2021 an, ein Jahr vor dem ablehnenden Visumsbescheid.

Auf einem Foto an der Wand: Das Hochzeitspaar Andrea und Chris.
Auf einem Foto an der Wand: Das Hochzeitspaar Andrea und Chris. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Stadt Bottrop erläutert: „Bezüglich der Härtefallregelungen gilt zu beachten, dass nur von den geforderten Sprachkenntnissen abgesehen werden kann, wenn es trotz ernsthafter Bemühungen innerhalb eines Jahres nicht gelungen ist, das Sprachniveau zu erreichen. Ernsthafte Lernanstrengungen müssen nachvollziehbar dargelegt werden. Dies ist durch Kursteilnahmen und Prüfungsversuche nachzuweisen. Die Botschaft bewertet dann gemeinsam mit der Ausländerbehörde die vorgelegten Unterlagen.“

Auf Nachfrage der Redaktion bestätigt Stadtsprecherin Jeanette Kuhn: Die Ausländerbehörde geht nicht von einem Härtefall aus, da die dafür erforderlichen Bemühungen für den Spracherwerb bisher nicht nachgewiesen worden seien.

Die Ablehnung des Visumsantrags zum Zwecke des Familiennachzugs von Oktober 2022 wird Anfang 2023 bestätigt. Für eine Klage dagegen fehlt der Bottroperin das Geld.

„Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe. Wir sind keine Kriminellen. Mein Mann ist kein Verbrecher, er ist kein Islamist.“

Andrea Porwol kann nicht verstehen, warum ihr Mann aus Nigeria nicht zu ihr ziehen darf

Bottroperin nah an der Verzweiflung: „Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe“

Andrea Porwol ist mittlerweile nahe an der Verzweiflung. „Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe. Wir sind keine Kriminellen. Mein Mann ist kein Verbrecher, er ist kein Islamist.“ Sie arbeite seit 41 Jahren als Chemielaborantin, könne sich und Christopher finanzieren. „Warum quält man uns so? Christopher soll ja hier einen Integrationskurs machen, hier arbeiten. Wir wollen keine Leistungen vom Staat.“ Sie wolle keinen Cent haben. „Ich will nur mit ihm hier zusammenleben“, sagt die heute 60-Jährige. Sei er erst in Deutschland, falle ihm das Erlernen der Sprache sicher viel leichter.

Nicht einmal ein dreimonatiges Besuchsvisum sei einfach zu bekommen. Dabei habe Christopher Ende 2023/Anfang 2024 schon bewiesen, nach Einreise über Frankreich und Aufenthalt mit seiner Ehefrau Mitte März ordnungsgemäß wieder nach Nigeria zurückgekehrt zu sein. „Damit haben wir doch den Beweis angetreten, dass wir uns korrekt verhalten, dass er hier nicht untertauchen will.“ Doch das nächste durch Andrea Porwol beantragte Besuchsvisum für Deutschland sei abgelehnt worden.

Bei Besuchsvisa entscheidet die Botschaft autonom ohne Beteiligung der Ausländerbehörde, erklärt die Stadt, gibt aber zu bedenken: „Generell ist die gesetzliche Regelung derart, dass Besuchsaufenthalte im Schengenraum 90 Tage lang (innerhalb von 180 Tagen) erlaubt werden können. Sollte also die Ausreise am 14. März 2024 erfolgt sein und ein dreimonatiger Aufenthalt vorausgegangen sein, so hätte frühesten wieder ein Visum ab 15. September 2024 ausgestellt werden können.“

Andrea Porwol aber kann sich nur fragen: „Wie lange soll ich noch auf meinen Mann warten?“