Bottrop. Zu wenig Mitarbeitende, zu viele Vorschriften und das Dauerthema Mehrwertsteuer: Probleme der Gastronomie sind nicht hausgemacht.
Wer in der Gastronomie weniger anbietet, macht auch weniger Umsatz. Anders ausgedrückt: Jeder zusätzliche Schließtag macht sich im Portemonnaie bemerkbar. An zwei oder gleich drei Tagen pro Woche geschlossen oder nur am Wochenende oder für geschlossene Gesellschaften oder Events geöffnet: Das ist inzwischen keine Seltenheit mehr.
So zu erleben bei Traditionslokalen wie dem Overbeckshof, dem Café Bernsmann in der Boy, aber auch dem Bahnhof Nord oder Gasthof Berger, der beiden Flaggschiffe der gehobenen Küche in Bottrop, oder der Kultkneipe Hürter mit ihrer bodenständig-ehrlichen Wirtshausspeisekarte. Die Gründe für das, was man beschönigend als „Umstrukturierung“ bezeichnen könnte, sind im Grunde überall ähnlich.
Drei Schließtage in der Woche machen sich natürlich auch beim Umsatz bemerkbar
„Es fehlt Personal, sowohl im ausgebildeten Fachbereich als auch bei den Aushilfen, sei es im Service, in der Küche oder auch nur beim Saubermachen“, gibt Stefan Bertelwick unumwunden zu. Die Auswirkungen sind nicht nur spürbar: Montag, Dienstag, Donnerstag geschlossen. „An manchen Sommertagen mussten wir die untere Terrasse schließen, weil wir nicht genügend Bedienungen hatten, da fragen die Leute schon, warum sie am freien Tisch nicht Platz nehmen dürfen“, erzählt der Inhaber und Küchenchef des weit über Bottrop hinaus bekannten Restaurants in Feldhausen. Weihnachtsfeiern musste man zum Glück noch nicht absagen, aber den ein oder anderen Geburtstag schon mal umlegen.
„Unterm Strich bleibt durch den Personalmangel auch immer weniger übrig, am Ende auch für den Staat, da der Wirt ja weniger verdient.“
Natürlich gehe der Umsatz dadurch zurück. Das gleiche man weder durch Einsparungen bei den Löhnen für diese Tage, noch durch nicht anfallende Energie- oder Lebensmittelkosten aus. „Unterm Strich bleibt immer weniger übrig, nicht nur für den Wirt, am Ende auch für den Staat, der die Steuern kassiert.“ Selbst, wenn nominell die Personalzahl ausreichen würde: Man dürfe laut Arbeitszeitgesetz in der Gastronomie zehn Stunden Höchstarbeitszeit nicht überschreiten. Bei Busfahrern oder im Pflegebereich sei das anders, obwohl es da im wahrsten Sinne des Wortes weitaus lebensgefährlicher sein könne.
Ein Thema, das auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga regelmäßig kritisiert. Der fordert schon lange, das Gesetz an die Lebenswirklichkeit anzupassen. Und: Natürlich geht es weder dem Dehoga noch Gastronomen wie Stefan Bertelwick um eine Verlängerung der Arbeitszeit durch die Hintertür oder gar unbezahlte Mehrarbeit. Beiden geht es einfach um mehr Flexibilität, um individuelle Vereinbarungen, um auch in Stoßzeiten einfach Service anbieten zu können.
Kürzlich habe ihn ein guter Koch Richtung Schweiz verlassen. „Alles nachvollziehbar, Wechsel hat es auch früher immer gegeben, aber dass niemand nachkommt, ist schon neu, wenigstens seit zwei, drei Jahren, also nach Corona.“ Drei Auszubildende habe Berger wieder, in der Küche, zum Glück. Aber natürlich ersetzten die keinen fertigen Koch. Also springt er selbst ein, als volle Kraft, wie auch sein Co-Geschäftsführer Volker Rütter, der voll in der Konditorei mitarbeitet. „Die jährlich anwachsende Bürokratie erledigen wir nun an den Schließtagen, wie früher. Nur mit dem Unterschied: Früher lief das Restaurant dann weiter, heute nicht.“
Auch ein Grund für mehr Schließtage: Wirte möchte das vorhandene Personal nicht auspowern
Um das vorhandene und gute Personal nicht zu sehr auszupowern, habe man vor einiger Zeit den dritten Schließtag eingeführt. „Zum Glück haben die meisten unserer Gäste Verständnis, aber alles lässt sich natürlich nicht auffangen.“ Der Wirt weiß aber auch von anderen, die schon geschlossen haben oder Ende des Jahres dicht machen werden. Im „Gastgewerbemagazin“ schreibt der Informationsdienstleister CRIF von über 30 Prozent mehr Insolvenzen im Gastrobereich, als noch im vergangenen Jahr.
Wie CRIF-Deutschland Geschäftsführer Frank Schlein spricht auch Stefan Bertelwick von der aktuellen Mischung aus immer höheren Lebensmittelkosten verbunden mit einer Konsumflaute der immer mehr belasteten Verbraucher und von einem Verstärkungseffekt für diese Negativentwicklung in der Gastronomie. „Wenn zuvor noch fast alle Wirte die Erhöhung der Mehrwertsteuer (die übrigens gegen ein Versprechen der Regierung erfolgte) nicht an die Kundschaft weitergegeben habe, konnte man das nicht auch noch bei den Preisen für die Lebensmittel tun“, so der Feldhauser Wirt.
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Der Teufelskreis aus weniger Umsatz bei mehr Schließtagen durch Personalmangel, Steuererhöhung und zögerliche Gäste, die wegbleiben oder weniger konsumieren, sei in vollem Gange. „Dazu kommt, dass gerade der Staat im Bereich der Aushilfen, die wir nicht mehr bekommen, durch das Bürgergeld unser größter Konkurrent ist, selbst wenn wir mehr als Mindestlohn zahlen.“
Eine Entwicklung, die Stefan Bertelwicks Kollegin Ramona Fleer nur bestätigen kann. Sie führt seit 2011 in der City die Traditionskneipe Hürter mit drei festen Mitarbeitenden, darunter Bottrops ältester noch aktiver Köchin, und Aushilfen. „Die Festangestellten bekamen im Septmeber die ausgehandelte Lohnerhöhung, 2025 kommt der neue Mindestlohn, die Lebensmittelpreise bleiben weiter hoch und neue Mitarbeiter kriegt man so gut wie nicht“, sagt die Wirtin.
Oft brächten sie noch nicht einmal den Personalbogen ausgefüllt zurück. „Die kommen einfach nicht mehr, sind auch nicht mehr zu erreichen.“ Also: Auch das Hürter bleibt drei Tage dicht in der Woche, bei gesunkenem Umsatz. Die Wirtin drückt es anders aus: „Ungefähr an den letzten drei Tagen im Monat arbeitest du für dich selbst, also für deinen eigenen Verdienst.“ Noch Fragen?