Bottrop. Bottrops Alpincenter feiert 20-jähriges Bestehen, dabei ist es schon etwas älter. Fast wäre die Skihalle pleite gegangen, so wurde sie gerettet.
Anderswo ruft der Berg. In Bottrop ruft die Halde – und zwar zum „alpinen“ Abfahrtslauf. Seit 2001 die damals wie heute längste Indoor-Ski-Piste Europas eröffnete, tummeln sich unzählige Wintersport-Fans auf der zentimeterdicken Schneedecke und sausen die 640 Meter auf der Halde herunter, grob gesagt in Richtung Prosperstraße und Kokerei.
Beides sieht man allerdings höchstens vom Außengelände des großen Areals, dass bei seiner Einweihung nicht nur Ski-Asse wie Rosi Mittermaier ins Revier lockt, sondern auch den damaligen Landesvater Wolfgang Clement, weitere Ehrengäste und seither natürlich unzählige Bottroperinnen und Bottroper auf die Bretter brachte und bringt. Dabei lässt sich die Geschichte dieser mit Schloss Beck, dem Movie Park und Eloria-Erlebniswelt großen Freizeiteinrichtungen der Stadt durchaus mit einem Hindernis-Parcours vergleichen.
20 Jahre, Jubiläum? Damit fängt es schon an. Wer nachrechnet, merkt schnell: Die Anlage ist natürlich älter als 20 Jahre. Gefeiert wird jetzt die Übernahme und Konsolidierung des bald nach der Eröffnung ins Rutschen geratenen Alpincenters durch die Familie van der Valk (Van-der-Valk-Gruppe) im Jahr 2004.
Dass es so rasch mit der Euphorie vorbei sein sollte, hat damals niemand glauben können. Geplant wird im Zuge der Jahrtausendwende. Bereits zuvor schießen Einkaufszentren oder Musicaltheater aus dem Boden, wie 30 Jahre zuvor Schwimmbäder oder Revierparks. Bottrop setzt nach dem Verschwinden des Bergbaus auf Freizeit und möchte die erste Skihalle Deutschlands eröffnen. Knapp daneben. Kurz vorher schafft man das in Neuss.
Im Rheinland war man zwar schneller, zog aber im Vergleich zu Bottrop buchstäblich den Kürzeren
Im Rheinland ist man zwar schneller, aber dafür auch um gut die Hälfte kürzer. Zwar prunktet Neuss mit Ambiente, Romantik und Skilift. Aber gegen Bottrops schiere Länge kommt man nicht an – bis heute. Dafür geht‘s auf der Halde etwas nüchterner zu. Statt Lift fahren die Ski-Fans auf einem Förderband nach oben. Passt doch. Und braucht man den ganzen Deko-Schnickschnack wirklich, wo es doch ums Skilaufen geht? Man konzentriert sich halt aufs Wesentliche.
Schnee (zur Eröffnung kam der tatsächlich mit Lastwagen aus Tirol, weil die Schneemaschine nicht so recht wollte), Ski und später auch Sommerrodeln. Das soll demnächst auch wieder möglich sein.
Rasant sind in den frühen Jahren nicht nur die Abfahrten, sondern auch die Kostenlawine des 50-Millionen-Euro-Projekts. Es droht der Absturz. Kurz: Die Indoor-Ski-Attraktion steht vor der Pleite. Marc Girardelli und Papa, der mit im Ski-Boot sitzt, müssen gehen. Die Landesregierung rettet den Wintertraum im Sommer vor dem Konkurs. Dann steigt 2004 Van-der-Valk als Investor ein. Geschäftsleiter ist bis heute Harald van Kranen, seit einigen Jahren zusammen mit Tobias Krauel, ursprünglich von der Ski- und Sportschule. Die Halle wird umgebaut. Vom ersten Startschuss bis 2006 zählt man bereits über zwei Millionen Gäste.
Die Sommerodelbahn, der spektakuläre Klettergarten, eine Surf-Anlage oder der höchste Biergarten im Revier sorgen für zusätzliche Gäste. Après-Ski, Oktoberfeste, Partys während der legendären Fußball-WM 2006 bringen das Alpincenter auch jenseits des Kerngeschäfts ins Gespräch.
Zehn Jahre nach Alpincenter-Eröffnung: Halde kommt ins Rutschen
Zehn Jahre nach der ersten Eröffnung droht neues Ungemach. Die Halden sind nicht die Alpen. Bottrops Berg, eigentliche eine Abraumaufschüttung der früheren Prosper-Zeche, kommt ins Rutschen. Die Ski-Halle, die am Rand der Halde errichtet wurde, senkt sich Millimeter um Zentimeter. Die Stützen, auf denen die Halle ruht, brauchen festen Untergrund. „Der Berg rumort“, schrieb die WAZ damals. Bei der Stadt und im Alpincenter auch. Es droht sogar die Schließung.
Damals unken sogar überregionale Zeitungen und sagen dem todgeweihten Steinkohlebergbau längeres Leben voraus, als dem Alpincenter. Zugegeben: Ab 2011 sieht es für Jahre auch trüb aus. Man arbeitet auf Sicht. Waldrodungen, weitere Aufschüttungen der Halde, Einsprüche und Genehmigungen, Anwohnerbeschwerden, die den Lärm unzähliger Lkw fürchten. Denn irgendwie müssen Hunderttausende Kubikmeter Schüttmaterial ja auf die Halde kommen. Demgegenüber scheint die Installation eines Solardachs auf der langen Halle ein Klacks zu sein.
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Solarzellen spielen bis heute eine wesentliche Rolle bei zeitgemäßer Energieversorgung des Alpincenters. Die jahrelange Diskussion um ein Windrad auf der luftigen Halde versandet indes. Bürokratie, unzählige Bestimmungen, Bebauungspläne, Abstandsvorschriften: Geschäftsleiter Harold van Kranen knirscht in den Jahren oft mit den Zähnen.
Viele Projekte, Neuschöpfungen oder Erweiterungen sind seither geplant, einiges verwirklicht. Ob Wasser (Schwimmbad) je wieder eine Rolle spielen wird? Immerhin: Die Halde wächst und damit die Nutzungsfläche für die Freizeitattraktion. Nach Corona, für das Alpincenter wie für alle Freizeiteinrichtungen wie ein Schlag in die Magengrube, nehmen nicht nur die Besucherzahlen, sondern auch die Pläne wieder Fahrt auf. Und die Skihalle öffnet nun wieder im Sommer.
Mit der Halde wächst auch das Bottroper Alpincenter – Es soll neue Attraktionen geben bis hin zum Hotel
Die Skihalle jedenfalls soll größer und breiter werden. Ein Neubau der dann ebenfalls größeren Sommerrodelbahn wird sehnsüchtig erwartet, soll aber kommen. Inzwischen spricht man von 2025. Und auch das Hotel mit Weitsicht aufs Ruhrgebiet ist längst nicht vom Tisch. Angesichts des deutschen Wusts an Bestimmungen, Vorschriften, Regelungen und Gutachten könnte bei Geschäftsleitung schon Frust aufkommen.
Mut macht da allerdings die Haltung der Familie van der Valk, die laut Harold van Kranen von dem Standort überzeugt sei und der das Alpincenter selbst ein „einzigartiges Projekt im Ruhrgebiet“ nennt. Man darf also auf die nächste Jahrzehnte gespannt sein.
Infos zum Alpincenter: alpincenter.com/bottrop.