Bottrop. Am 23. Juli vor 100 Jahren eröffnete das erste Bottroper Bad mit einem Wettschwimmen. So kam das traditionsreiche Freibad zu seinem Namen.
Wer vor 100 Jahren in Bottrop schwimmen oder einfach im Sommer ins kühle Nass springen wollte, hatte abgesehen vom stark befahrenen Rhein-Herne-Kanal dazu kaum Möglichkeiten. Das ändert sich erst am 23. Juli 1924. Als der legendäre Oberbürgermeister Dr. Erich Baur, den die Nazis später aus dem Amt jagten, das Stenkhoffbad mit einem Festakt und anschließendem Wettschwimmen einweiht, dürften viele Gäste nicht schlecht gestaunt haben.
100 Meter lang, fast 25 Meter breit, von 80 Zentimetern bis zu vier (!) Metern tief, mit Kiesboden und hölzernen Stegen: Das klingt schon nach Superlativ. Heute wären viele Schwimmerinnen und Schwimmer nicht nur in Bottrop froh, wenn sie ein 50-Meter-Becken zum Bahnen ziehen hätten oder vielleicht nur die Hälfte davon, dafür aber regelmäßig geöffnet und funktionstüchtig. Einen Quantensprung für den Bottroper Sport ist 1924 ohnehin, denn in der gleichen Woche eröffnet das ebenfalls neu erbaute Jahnstadion. Eine Woche lang gibt es Wettkämpfe an beiden Sportstätten.
Ein Sport- und Freizeitort für Bottrop als Lichtblick in schwerer Zeit
Was Bottrop damals in nur einem Jahr Bauzeit aus dem Boden gestampft hat, muss den Einwohnern wie ein Lichtblick in schweren Zeiten vorgekommen sein. Gerade einmal sechs Jahren liegen zwischen dem verlorenen Weltkrieg, einer katastrophalen Versorgungslage, einer verheerenden Epidemie (Spanische Grippe), bürgerkriegsähnlichen Kämpfen zwischen Rechten und Linken um die Vorherrschaft, Inflation und Ruhrbesetzung durch Belgier und Franzosen. Und dann kommt ein Freibad, quasi mitten auf dem Acker.
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Namensgeber ist der alte Bauernhof Stenkhoff, eine alte Hofstelle auf dem Eigen, die schon im 16. Jahrhundert erwähnt wird und an dessen Familie auch die Stenkhoffstraße bis heute erinnert. Überhaupt wirkt Bottrop trotz seiner zahlreichen Zechen damals noch sehr ländlich. An die Autobahn 2 ist da noch nicht zu denken, die kommt erst gut zehn Jahre später und hat mit dem heutigen stark befahrenen Riesenbauwerk kaum etwas gemein. Lange reicht ein bewachsener Erdwall als Begrenzung zum Freibad, dessen Becken viele Jahre mit Wasser aus der Boye befüllt wird.
„Das ist heute längst nicht mehr der Fall“, sagt Henning Wiegert. Seit 2001 hat das Bad einen eigenen Brunnen, der die Becken füllt, auch, um die Betriebskosten im Griff zuhalten. Dazu komme in der Saison allerdings auch eine Frischwasserzufuhr, so der Leiter des Sport- und Bäderbetriebs. Wenig später wird Becken mit einer Spezialfolie ausgekleidet, denn etwa 80 Kubikmeter Wasser versickern damals durch undichte Fugen – täglich.
Zwischen den 50er und frühen 70er Jahren kamen 200.000 Gäste und mehr pro Jahr ins Stenkhoffbad
Da haben sich Badekultur, Besucherzahlen, aber auch Technik und Optik des Freibads längst gewandelt. Erweiterungen um ein Becken mit Sprungturm, neue Umkleiden und Sanitäranlagen hat es bereits in den 50er Jahren gegeben. Damals bis tief in die 70er Jahre erlebte das Bad auch Besucherrekorde, die mit fast 213.000 Gästen 1973 einen Höhepunkt erreicht. Die Begrüßung des 100.000. Besuchers mit Blumenstrauß und Familienjahreskarte ist da schon lange Tradition.
Aber der Bergbau nagt auch am Stenkhoffbad. Mitte der 70er Jahren treten Bergschäden auf. Das Becken sackt teilweise um 40 Zentimeter ab. Es droht zum ersten Mal die Schließung. Die Stadt greift ein, saniert das Freibad für 800.000 D-Mark – baut allerdings auch den Sprungturm ab und verkleinert das Becken. Die Wiedereröffnungssaison 1977 wird dennoch zum Flopp. Das Bad schließt vorzeitig. Anfang der 80er bis in die 90er Jahre liegt die Besucherzahl zwischen 40. 000 und knapp 90.000 pro Jahr. Dann geht es bergab. Dem Stenkhoffbad droht das Ende.
Wie Engagierte das Bottroper Stenkhoffbad gerettet haben
Mit dem Widerstand so vieler Bottroperinnen und Bottroper hat man dann wohl doch nicht gerechnet. Eine Handvoll Engagierter startet Unterschriftenaktionen, die Kabarettreihe Comedy im Bad entsteht, Tausende setzen sich kreativ für den Erhalt des Traditionsbades ein. Bottrops Bäcker backen „Rettungsringe“, Spenden fließen, ein Förderverein wird gegründet.
Am Ende sprechen sich 2013 bei einem Bürgerentscheid fast 10.000 Bottroperinnen und Bottroper für den Erhalt aus. Die Aktionen haben offensichtlich die Bad-Fans aktiviert. Im heißen Sommer 2018 steht das Freibad mit über 50.000 Gästen ziemlich gut da. Das gilt übrigens für jede Saison: Wetter gut, Besucherzahlen gut.
Von Schließung ist jedenfalls keine Rede mehr. Vielmehr entsteht auf dem Gelände gerade ein neues Multifunktionshaus, das im Jubiläumsjahr die Attraktivität des Stenkhoffbads weiter steigern soll.
Der Förderverein veranstaltet übrigens zum 100. Geburtstag im Stenkhoffbad ein Familienfest: Sonntag, 28. Juli, zwischen 11 und 17 Uhr, Stenkhoffstraße 135. Info: foerdervereinstenkhoffbadbottrop.com.