Bottrop-Kirchhellen. Der Orden der Redemptoristen arbeitet seit Jahren sexuelle Missbrauchsfälle in zwei Internaten auf. Jetzt wurden Fälle in Kirchhellen bekannt.
Im früheren Klemenskloster der Redemptoristen in Kirchhellen, dem heutigen Jugendkloster, hat es in den 80er und 90er Jahren mindestens vier Fälle von sexuellem Missbrauch an Mädchen gegeben. Der Orden hat selbst einen Bericht darüber in Auftrag gegeben, in dem zwei Patres des Ordens anonymisiert als Täter benannt werden.
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Die ehemalige Kölner Provinz des Redemptoristenordens hatte 1946 das Gelände der ehemaligen Brennerei Körner an der Hauptstraße von der Gemeinde St. Johannes übernommen und zum Klemenskloster umgebaut. Ab 1978 legte der Orden in Kirchhellen einen Schwerpunkt auf die kirchliche Jugendarbeit. Seit 2004 wird das Kloster deshalb Jugendkloster genannt.
Die jetzt bekannt gewordenen Missbrauchstaten haben in den späten 1980er Jahren begonnen, berichtet der vom Orden beauftrage Supervisor Martin van Ditzhuyzen. Über zwei dieser Taten hatte schon Hermann-Josef Merzbach berichtet, der 2011 im Auftrag des Ordens als Direktor des Landgerichtes Leverkusen die Missbrauchsvorwürfe untersucht hatte.
Unter der Überschrift „Anonymus“ hatte er über ein Opfer berichtet, das „als 13-Jährige von einem Redemptoristen-Pater missbraucht worden ist. Der Tatbestand des Missbrauchs einer Schutzbefohlenen war verwirklicht.“ Auf dringende Bitte des Opfers hatte er damals weder Täter noch Tatort genannt.
„Die Betroffene war traumatisiert und erstarrt“
Merzbach berichtete damals: „Die Folgen der Tat waren massiv. Die Betroffene war traumatisiert und erstarrt, nicht zuletzt wegen des ihr unter Androhung schlimmster Konsequenzen auferlegten Schweigegebots.“ Und die furchtbare Leidensgeschichte des Opfers ging noch weiter: „Für die Betroffene sollte es jedoch noch schlimmer kommen. Einige Zeit, nachdem der vorerwähnte Pater von ihr abgelassen hatte, wurde sie von einem anderen Redemptoristen-Pater über längere Zeit hinweg übel vergewaltigt. Wieder gab es Schweigegebote und Hinweise darauf, niemand werde ihr glauben. An der Richtigkeit dieser Fakten besteht auch hier keinerlei Zweifel.“
Inzwischen ist bekannt geworden, dass das Opfer auch den zweiten Täter in Kirchhellen kennengelernt hatte.
Erst nach einer jahrelangen Traumatherapie war die Frau bereit, gegenüber Martin van Ditzhuyzen ihre Angaben zu präzisieren: Sie „werden in ihrem Ausmaß noch deutlich schwerwiegender“. Den Missbrauch der 13-Jährigen legt van Ditzhuyzen einem Kirchhellener Priester zur Last, den er „Pater H.“ nennt. Er soll in einem Gespräch mit Merzbach „zumindest die 2011 begangenen, sehr schwerwiegenden Taten“ eingeräumt haben.
Weitere Vorwürfe gegen den Kirchhellener „Pater H.“
In den Jahren 2022 und 2023, berichtet van Ditzhuysen, habe er von weiteren Missbrauchstaten von „Pater H.“ erfahren. Gegen Ende der 1980er Jahre habe es am Rande einer Veranstaltung im Klemenskloster einen „einmaligen, aber schwerwiegenden Übergriff“ gegeben. Und im Dezember 2023 erfuhr van Ditzhuysen von einer weiteren Missbrauchstat des 2018 verstorbenen „Pater H.“: „Hier geht es um einen Missbrauch an einer 14-Jährigen, die sich über mehr als zehn Jahre immer wieder bei Begegnungen ereignete. Auch hier lag der Beginn wie bei den beiden anderen Betroffenen in den 1980er Jahren in Kirchhellen.“
- Lesen Sie hier: Wie Bottrops Kirchengemeinden jahrelang Täter schützten
Seit vielen Jahren bemüht sich der Orden der Redemptoristen, die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten. Der Orden hat seit 2010 sechs Berichte von unabhängigen Experten dazu verfassen lassen. Anfang 2024 haben die Redemptoristen der Provinz St. Clemens das Institut für Praxisforschung und Projektberatung München (IPP) beauftragt, die bisher geleistete Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Region der ehemaligen Kölner Provinz wissenschaftlich zu untersuchen. Erst am Freitag hat der Orden Opfer und Zeugen aufgerufen, sich an dieser Studie zu beteiligen. Die Ergebnisse sollen im Mai 2026 vorgestellt werden.
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Jugendkloster Kirchhellen will Missbrauchsfälle aufarbeiten
Auch das Team des Jugendklosters geht mit den jetzt bekannt geworden Vorwürfen „offensiv und transparent“ um, sagt Sandra Liebehenz vom Kloster-Team. „Im April haben wir Interessierten die Ergebnisse des Berichts von Martin van Ditzhuyzen vorgestellt.“ Die Präventionsbeauftragte des Klosters Hildegard Kückelmann ist Mitglied der Koordinationsgruppe Prävention des Ordens.
Die Sprachregelung des Teams: „Das Jugendkloster Kirchhellen sieht Transparenz über sein Leben und Arbeiten als tragendes Prinzip. Wir schließen daher das Thema sexualisierter Gewalt aus dieser Informationsbereitschaft nicht aus. Wie viele andere gesellschaftliche Bereiche ist auch das ehemalige Klemenskloster ein Tatkontext sexualisierter Gewalt.“
Das Jugendkloster hat unter dem Menüpunkt „Prävention“ auf ihrer Homepage den Bericht von Martin van Ditzhuyzen verlinkt und nennt Ansprechpartner. Das Hilfetelefon des unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ist hier zu erreichen: 0800 2255530 (kostenfrei und anonym).