Bottrop. Idee für eine Forschungsstätte in Bottrop: Im Freiheit Emscher-Gebiet ist ein Modul für die grüne Industriestadt der Zukunft geplant.
Lassen Forschende bald in Bottrop auch ohne Erde Heilpflanzen oder andere Pflanzen wachsen? Die Stadt leitet jetzt die nächsten Schritte dazu ein. So plant sie in dem riesigen Freiheit-Emscher-Gebiet aus Bergbaubrachen in Bottrop und Essen ein neues Gewerbegebiet, in dem später für einen Forschungscampus mit Reallaboren Platz sein soll. Darin werde an einer innovativen Nutzung von Wasser gearbeitet, erklärt der Bottroper Baudezernent Klaus Müller.
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Bevor dies so weit ist, müssen die Stadt und ihre Partnerinnen allerdings erst noch Vorarbeit leisten. Das Projekt unter dem Etikett der sogenannten Green Economy, der es um ein umweltverträgliches Wirtschaftswachstum geht, kann ab Mitte 2027 verwirklicht werden. Idealerweise, wie Klaus Müller wissen lässt. Der Ausschuss für Stadtplanung in Bottrop soll nun am kommenden Freitag zunächst sein Okay für die Arbeit an den nötigen Planungen geben. Dabei ist klar, dass in dem Gebiet in der Welheimer Mark nicht für x-beliebige Firmen Platz sein wird, sondern die Planungen auf ein exklusives Gewerbegebiet ausgerichtet werden.
Forschungsstätte zwischen Kokerei und Klärwerk
Es wird für bestimmte Forschungsinstitute und solche Unternehmen reserviert sein, die an technischen wie wissenschaftlichen Innovationen arbeiten. Das haben die Städte Bottrop und Essen sowie die RAG Montan-Immobiliengesellschaft und die Freiheit-Emscher-Entwicklungsgesellschaft, die das alte Zechenbrachenland auf beiden Seiten der Emscher gemeinsam zu einer modernen Städtelandschaft wiederaufbauen, mit weiteren Partnern zunächst unverbindlich vereinbart.
Zu diesen Partnern gehören das Zentrum für Wasser- und Umweltforschung an der Universität Duisburg-Essen, das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik aus Oberhausen sowie die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung und die Emschergenossenschaft, deren Klärwerk in der Welheimer Mark liegt. Demnach soll der geplante Reallabor-Campus unter dem Arbeitstitel „Welheimer Wasser-Mark“ auf einer Brache zwischen der Kokerei Prosper und dem Emscher-Klärwerk aufgebaut werden.
Produktion von Heilpflanzen aus Klärstoffen
„Für die beteiligten Einrichtungen, Institute und weitere Unternehmen soll hier eine Keimzelle entstehen, um in Zukunftstechnologien zu forschen, diese weiterzuentwickeln und in Reallaboren zur Marktreife zu führen“, erläutert der Baudezernent. „Daneben soll hier ein Standort für weitere Unternehmen entstehen, die in einem äquivalenten Sektor tätig sind“, macht er klar. Die Freiheit Emscher-Entwicklungsgesellschaft beabsichtige, die Flächen zu erwerben und an entsprechende Betriebe zu veräußern.
Dass dieser wirtschaftsnahe Forschungscampus in direkter Nähe zur Kläranlage der Emschergenossenschaft liegt, bietet sich an. Denn die Kläranlage hält bereits die Infrastruktur vor, um aus Abwasser wieder nutzbares Wasser herzustellen. In den Reallaboren in ihrer direkten Nachbarschaft wird es vor allem um Hydroponik gehen, um die Produktion von Nahrungspflanzen und Heilpflanzen in Wasser; und hier aus Klärstoffen.
Geringerer Wasserverbrauch als in der Landwirtschaft
Das Klärwerk soll das Wasser und die Klärschlämme liefern, die in den Laboren bei der Aufzucht der Pflanzen für die Nährlösungen benötigt werden. „Wir befinden uns in einem sehr frühen Stadium des Projektes“, sagt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. Solche Hydroponik-Systeme ähneln im Prinzip Hydrokulturen, bei denen Pflanzen flüssige Nährstoffe erhalten und die Erde durch mineralische Substrate ersetzt wird.
Vereinfacht ausgedrückt: Bei Hydroponik-Systemen befinden sich die Wurzeln der Pflanzen nicht in der Erde, sie werden vielmehr allenfalls durch Substrate in Behältern fixiert und ihre Wurzeln hängen in Nährstofflösungen. Das habe im Vergleich zu herkömmlicher Landwirtschaft den Vorteil, dass Anwender 90 Prozent weniger Wasser verbrauchen und das Wasser, das sonst großteils in der Erde versickert, auch recyceln können, erläutern Kenner.
Erfolgreiche Farmen in Europa und in den USA
Durch die Aufzucht in Wasser brauchten die Pflanzen außerdem weniger Platz, könnten auch vertikal angebaut werden, und die Erträge bei der Ernte seien deutlich größer, heißt es. Viele Pflanzen wachsen so auch schneller. Geeignet seien Blattgemüse, Kräuter und auch Fruchtgemüse wie Tomaten, Gurken und Paprika. Andere Pflanzen, die ihre Frucht unter der Erde bilden wie Kartoffeln, Möhren oder Zwiebeln seien dazu nicht so gut geeignet.
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Allerdings könne der Energieverbrauch durch nötige Beleuchtungssysteme hoch sein, heißt es. Doch in Europa gibt es in den Niederlanden, in Großbritannien und Bulgarien längst Unternehmen, die auf Hydroponik-Basis vertikale Farmen betreiben und darin, Salate und frische Kräuter anbauen. Auch in den USA setzen Farmen auch die Methode. The Plant Chicago etwa nutzt Lebensmittelabfälle, um Energie und Nährstoffe für diese Art der Pflanzenaufzucht herzustellen.
Bottrop hofft auf zukunftssichere neue Arbeitsplätze
Die Stadt hofft, dass durch den Forschungscampus sowohl neue wissenschaftliche als auch Wissenschaft-nahe Arbeitsplätze entstehen. Die Anzahl der Jobs könne noch nicht beziffert werden. „Da es sich um einen Bereich handelt, in dem Zukunftstechnologien zur Marktreife geführt werden sollen, ist davon auszugehen, dass zukunftssichere und qualifizierte Arbeitsplätze entstehen“, hofft Klaus Müller.
Die Freiheit Emscher-Entwicklungsgesellschaft setzt darauf, dass mit dem Projekt ein Imagewandel einsetzen wird. So sagte Geschäftsführer Gernot Pahlen schon bei der ersten Präsentation: „Der Reallabor-Campus zahlt mit seinem enormen wissenschaftlichen Anspruch und der thematischen Ausrichtung auf den Bereich Wertwasser zu 100 Prozent auf die übergeordnete inhaltliche Programmatik von Freiheit Emscher ein: der Entwicklung der grünen Industriestadt der Zukunft.“