Bottrop.. Alte Urkunden erwähnen das Grutbier als Volksgetränk. Geschmacklich war es weit entfernt von dem, was Jürgen von Manger als „Bottroper Bier“ besang.

Heute feiert das Reinheitsgebot des deutschen Bieres ein besonderes Jubiläum. Vor genau 500 Jahren hatte es in Bayern seinen Ursprung. Am 23. April des Jahre 1516 erließen die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. hier im Rahmen einer neuen Landesordnung die Verfügung, dass zur Bierherstellung ab sofort, wie es wörtlich heißt, nicht „merer Stuckh dann allain Gersten, Hopffen und Wasser genomen und gepraucht sölle werden“.

Eine Anordnung, die später auch in anderen deutschen Staaten übernommen wurde. Man beruft sich heute noch auf dieses älteste Lebensmittelgesetz der Welt.

Immerhin fast genau 40 Jahre alt ist ein Schlager, der den Gerstensaft aus Bottrop als „Saft für‘t Leben“ im Revier über die Grenzen hinaus berühmt machte: „Bottroper Bier“, gesungen von Jürgen von Manger, besser bekannt als Ruhrgebiets-Kumpel „Adolf Tegtmeier“. Auch diese Schallplatte gehört zu den „Schätzen“, die im Stadtarchiv gehütet werden. Sie ist ebenfalls ein Teil der Bottroper Stadtgeschichte.

In den Hitparaden

Zu der Zeit, als die Hitparaden von Mangers Platte rauf und runter spielten, wurde in dieser Stadt eigentlich schon kein „Bottroper Bier“ mehr gebraut. Die letzte Stätte, die „Westfalia-Brauerei“, stellte da schon seit über einem Jahrzehnt kein Bier mehr her. Doch das Brauen in Bottrop besitzt eine jahrhundertelange Tradition, wie alte Unterlagen aus dem Stadtarchiv beweisen.

Um das Bottroper Bier rankt sich auch so manche Scherz-Postkarte.
Um das Bottroper Bier rankt sich auch so manche Scherz-Postkarte. © Labus | Unbekannt

Vor über 1000 Jahren wurde Bier in Aufzeichnungen bereits in unserer Gegend als Volksgetränk genannt. Der Geschmack war freilich mit dem heutigen Bier nicht zu vergleichen.

Das damals gebraute Grutbier erhielt seine Würze durch die Grut, eine Kräutermischung, die anstelle des zu damaliger Zeit wenig verbreiteten Hopfens verwendet wurde. Die Zusammensetzung war von Ort zu Ort verschieden und enthielt als Hauptbestandteil die Blätter des Gagel, einem in Torfmooren und torfigen Heiden wachsenden Strauch. Die Herstellung dieser Würze oblag ausschließlich den erzstiftlichen Grutmeistern in Recklinghausen, die sie gegen ein Entgelt weitergaben. Die Grutgegechtigkeit gehörte zu den landesherrlichen Regalien (Rechten) und brachte dem Landesherrn beträchtliche Steuereinnahmen.

Eine Hebeliste aus dem Jahr 1497 dokumentiert erstmals Namen Bottroper Brauer, die für die Grut einen bestimmten Betrag zu zahlen hatten. Es werden die Biersieder Teppeken, Kelner, Heinrich Kock, Greyte Kosters, Goosen Kosters sowie Cort van den Hove genannt.

Nebenverdienst

Knapp fünfzig Jahre später hatte sich jedoch das Hopfenbier auch in unserer Gegend durchgesetzt. Hopfen war bedeutend billiger als die Grut. Viele Einwohner in Bottrop, die meist Bauern und Kötter waren, betrieben als Nebenverdienst das Bierbrauen und richteten in ihren Häusern vor allem in der Dorfmitte kleine Winkelläden oder Wirtsstuben ein.

Die letzte Brauerei gab 1968 auf

Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es in Bottrop sehr viele dieser Kleinbrauereien. Auch zur Kommende Welheim gehörte ein Brauhaus. Unter Verwendung von Hopfen und Gerstenmalz braute man ein obergäriges Bier, das dem heutigen Altbier nahekam.

Standort Hansa-Zentrum

Im Zeitalter der Industrialisierung entstanden aus den früheren Haus- die Handelsbrauereien. Zu den größeren gehörte die von Theodor Alldieck um 1870 gegründete Niederlassung (später Beulmann), die pro Jahr bis zu 120 000 Liter an Bottroper Schenkwirtschaften verkaufte. Doch der großen Konkurrenz besonders der 1874 gegründeten Westfalia-Brauerei konnte sie Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr standhalten. Mit damals modernster Technik schaffte es die Besitzerfamilie Jansen, die Brauerei am späteren Standort des Hansa-Zentrums fast 100 Jahre lang erfolgreich als Familienunternehmen zu führen - bis sie 1967 einen Kooperationsvertrag mit der Duisburger König-Brauerei einging und ein Jahr später den Braubetrieb in Bottrop aufgab. 1978 schließlich wurde das Gebäude der „Westfalia-Brauerei“ abgerissen.

Theodor Beulmann gab für seine Gaststätte „Gambrinus“ eine Reihe von Scherzpostkarten wie die oben abgebildete heraus und warb hiermit auch für sein „Bottroper Welt-Theater“ als „ältestes und schönstes Kinemathographen-Etablissement am Platze“.

Und heute? „Bottroper Bier“ gehört - nach Episoden des Bierbrauens im Bottroper und im Kirchhellener Brauhaus - wohl endgültig der Vergangenheit an.