Kirchhellen. Über 100 Jahre lang war die Traditionsgaststätte Schulte-Wieschen aus dem Kirchhellener Leben nicht wegzudenken. Sie war auch Notkirche und Tankstelle
Über 100 Jahre lang prägte „Schuwie“ das Dorf. Sie war Treffpunkt für alle „Dörper“, Gründungslokal etlicher Vereine, Behelfskirche, Tankstelle und sogar Notunterkunft. Vor 130 Jahren, nach fast sechsjähriger Bauzeit, konnte die Gaststätte Schulte-Wieschen, in Kirchhellen nur liebevoll „Schuwie“ genannt, 1886 endlich öffnen. Über 100 Jahre lang waren zunächst Theodor, später seit den 1960er Jahren, Josef Schulte-Wieschen, das Gesicht der Traditionsgaststätte. Die damals zwischen der „Alten Post“ und der ehemaligen Gemeindeverwaltung an der Bottroper Straße.
„Schuwie“ war legendär
„Als Gaststätte eine Legende“, erinnert sich der gebürtige Kirchhellener Reinhard Benning (65). Der Saal der ehemaligen Gaststätte diente nach dem großen Kirchenbrand von 1917 jahrelang als Notkirche im Dorf. Später, während des 2. Weltkriegs, waren dort sogar zivile Zwangsarbeiter untergebracht. Nach 1945 beherbergte der Saal auch Flüchtlinge aus den früheren deutschen Ostgebieten.
In der Wiederaufbauphase erhielt die Gaststätte sogar im Außenbereich Zapfsäulen, zwei verschiedene Benzinmarken wurden verkauft. Dafür geriet die alte Pferdetränke neben dem Eingang fast in Vergessenheit.
Ab 1946 versammelte sich dort die CDU
Im Saal, er war längst zum gesellschaftlichen Mittelpunkt des Dorfes geworden. Dort feierten die großen Vereine wie der VfB, die Kolpingfamilie und die Frauengemeinschaft ihre Feste. Etliche Vereinsgründungen fanden ebenfalls bei „Schuwie“ statt. So der „TC In Himmel“ und der Bürgerverein Hof Jünger. Aber auch die CDU Kirchhellen begann hier 1946 mit ihrer politischen Arbeit. In der Folgezeit gab es im Saal und in der Kneipe in kleinen und großen Kreisen auch so manche kontroverse Polit-Diskussion.
Nach dem Tod von Josef Schulte – Wieschen (1935-1979) übernahmen weitere Wirte die Traditionsgaststätte. Sie versuchten, die Nachfolge von „Löwen-Jupp“ anzutreten - was auch teilweise gelang. Doch Ende der 1990er-Jahre kam das endgültige Aus für Gasthaus und Saal. Zwar versuchte ein Freundeskreis um die beiden Kirchhellener Brüder Jaromin, die liebgewonnene Kneipe zu erhalten, was aber leider nicht gelang. Heute steht dort längst ein Neubau.
Doch „Schwuwie“ lebt irgendwie in Kirchhellen weiter. So bauten die Alten Herren der Landjugend ihr ehemaliges „Vereinslokal“ erstmals ab 2010 bei der Bauern-Olympiade wieder auf. Inzwischen gehört das „Erbe von Löwen-Jupp“, dem ehemaligen Brezeloberst, zum festen Bestandteil eines jeden großen Festes nördlich des Kirchhellener Ringes.
In der Hochzeit der Gaststätten gab es etwa 50 Kneipen zwischen Grafenwald und Ekel. Einige - die meisten sind inzwischen geschlossen - haben bis heute einen legendären Ruf. Um sie rankt sich so manche Anekdote und Geschichte. So gab es die „Böllerbude“ - Gaststätte Weikämper an der Hauptstraße, die „Oben Ohne“-Gaststätte Hackfurth an der Bottroper, „Zum Schmutzigen Löffel“, Auf der Kämpe an der Hiesfelder Straße, oder „Zur dicken Änne“ an der Gahlener Straße.
Das Brauhaus am Ring füllt die Lücke
Das Brauhaus am Ring hat die große Lücke gefüllt, die das Traditionsgasthaus Schulte-Wieschen nach seinem Abriss iim Dorf hinterlassen hatte. Vor allem, der große Saal von Schulte-Wieschen wurde viele Jahre schmerzlich vermisst. Die Kirchhellener mussten für ihre Feiern sogar in die benachbarten Städte ausweichen – bis zum 6. Dezember 2001, als das Brauhaus eröffnet wurde. Das verfügt wieder über einen Festsaal, der bis zu 400 Personen Platz bietet.