Bottrop. Das Bottroper Museum Quadrat zeit eine umfangreiche Werkschau des Fotografen Patrick Faigenbaum. Die einfühlsame Unmittelbarkeit beeindruckt.

Sensible Porträts, Stillleben. Landschaften, Szenen in der Stadt: Das Josef Alber Museum Quadrat zeigt ab Sonntag eine umfangreiche Werkschau des französischen Fotografen Patrick Faigenbaum. Es ist ein beinahe suggestive Atmosphäre, die die Arbeiten, die die ganze Ausstellung durchzieht. Vorbei an Porträts uralter römischer Adelsfamilien, die wie in Konventionen erstarrt aus den Räumen ihrer steinernen Palazzi wie auf früheren Herrscherporträts in die Kamera blicken.

Fotografie in Auseinandersetzung mit Traditionen der Malerei

Patrick Faigenbaum: Porträt der Schwiegermutter des Fotografen im Sessel.
Patrick Faigenbaum: Porträt der Schwiegermutter des Fotografen im Sessel. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Gegenüber lässt Kurator Jean-François Chevrier, der die Schau zusammen mit dem Künstler konzipierte, die marmornen Antlitze aus den Kapitolinischen Museen ebenfalls im matten Schwarz-weiß am Betrachter vorbei wie in einem dämmerigen Renaissancepalast vorüberziehen. Die porträtierten Familien sind teilweise so alt, wie die Kunstwerke der Antike. Es habe lange gedauert, bis er Einlass in diese immer noch abgeschirmte, höchst diskret agierende Welt gefunden habe, so der Fotograf.

„Patrick Faigenbaum. Fotografien 1974 - 2020“ im Museum Quadrat: Obstarrangements.
„Patrick Faigenbaum. Fotografien 1974 - 2020“ im Museum Quadrat: Obstarrangements. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Keiner der Porträtierten lächelt. Auch später nicht Faigenbaums Mutter oder seine Schwiegermutter, mit deren Porträts der Künstler einfühlsame Blicke in eine ganz andere Welt öffnet. Alte Damen mit Gesichtern wie Pergament, auf dem Sessel, am Fenster, im Gespräch, im Bett. Einige Arbeiten wirken wie Bilder früherer Jahrhunderte. Die Auseinandersetzung mit Traditionen der Malerei zieht durch Faigenbaums Werk bis hin zu den großen farbigen Obstarrangements, die ihrer prallen Detailgenauigkeit.

Eine 66-teilige Serie kleinerer Formate zeigt Einblicke in die verlassene Pariser Wohnung, wie der Künstler sie nach dem Tod seiner Mutter vorfand. Alles wirkt wie eben noch bewohnt, zufällig gesehen. Dabei scheint kein Fenster zum Hof, kein Sofa oder Tisch, keine geöffnete Tür dem Zufall überlassen, vielmehr genauestens komponiert. Intime Einblicke, die nie voyeuristisch wirken. So gesehen die andere Seite der minuziösen Porträts, die diese Fotografien zu Seelenbildern werden lassen – immer mit einem Schleier schützender Diskretion. Zwei Werkblöcke, die übrigens in Bottrop zum ersten Mal in einer Ausstellung zu sehen sind.

Amerikanische Einflüsse - Szenen und Menschen einer Stadt

Faigenbaums Ansicht von Menschen auf der Straße – das älteste Bild der Ausstellung zeigt einen Obdachlosen zusammengesunken auf einer Bank, wie der Fotograf ihn 1974 in Boston sah – erinnern an amerikanische Meister des Foto-Porträts wie Robert Frank oder Diane Arbus. Bei Patrick Faigenbaum wirken diese Porträtierten wie Teil einer urbanen Architektur, Szenen einer Stadt im Auge eines genauen Beobachters.

Letzte Fotoschau des scheidendenden Museumsdirektors

Die Ausstellung: Dauer und Kontakt

Die Ausstellung „Patrick Faigenbaum. Fotografien 1974 - 2020“ ist vom 4. Juli bis 24. Oktober sonntags von 10 bis 17 und dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr im Museum Quadrat, Anni-Albers-Platz 1, 46236 Bottrop, zu sehen.Der Katalog umfasst 224 Seite und ist in Kürze für 34,80 Euro im Museum erhältlich. Öffentliche Führungen durch die vom NRW-Kulturministerium und der Egon-Bremer-Stiftung geförderten Schau gibt an den Sonntagen 1. & 22. August, 19. September und 3. Oktober jeweils um 14 Uhr. Info: quadrat.bottrop.de.

Diese Bottroper Retrospektive, übrigens der letzten fotografischen Schau einer illustren Reihe, die der scheidende Museumsdirektor Heinz Liesbrock für das Quadrat konzipierte, ermöglicht auch Einblicke in die Stadt-Serien Patrick Faigenbaums: Bremen, Prag mit seinen jüdischen und literarischen Reminiszenzen, und vor allem das umfangreiche Werk „Kolkata“.

Die Blicke in und auf die bengalische Metropole, das Kalkutta des früheren britischen Kolonialreichs, sind sicher nicht die eines Touristen, sondern eines zunächst Fremden, der sich mit Menschen, Orten aber auch der die chaotische Metropole umgebenden Landschaft über eine längere Zeit auseinandersetzte.

Einfühlsame Unmittelbarkeit

Am Ende eines vielgestaltigen Rundgangs sind es aber die Menschen, vor allem die einfühlsame Unmittelbarkeit, mit der die Gesichter der Porträtierten gezeigt werden, die in Erinnerung bleiben. Patrick Faigenbaums Blick, selbst auf die distanzierte Welt des alten Adels, scheint dabei immer von Affinität, diskreter Nähe geprägt, sicher nicht von kühl-distanzierter Dokumentation.