Bottrop. Eintritt nur für die drei „G“-Gruppen. Kein Test bedeutet draußen bleiben. In NRW gehören Bücher nicht zum täglichen Bedarf. Händler verärgert.

In fast allen Branchen sind durch die sinkende Wocheninzidenz Lockerungen in Sicht. Statt der Bundesnotbremse gilt nun wieder NRW-Recht. Für den stationären Buchhandel, seit März ohnehin im wieder Wechselbad der Regelungen, der bedeutet dies aber ausgerechnet wieder ein Verschärfung der Corona-Regeln. Denn im Gegensatz zum Bund zählen Bücher dann hier nicht mehr zu Dingen des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Drogerieartikel oder Blumen.

Gemäß der Bundesnotbremse durfte auch die Bottroper Buchläden Kunden ohne aktuellen Schnelltest hereinlassen und zwar eine Person pro 40 Quadratmeter Ladenfläche. Nun gelten auch dort die drei „G“ - genesen, aktuell getestet oder das zweite Mal geimpft vor mindestens zwei Wochen.

In der Bottroper Fußgängerzone spielt Laufkundschaft noch eine wichtige Rolle

Ralf Becker ist hörbar verärgert. Bislang durften sich bis zu sechs Kundinnen und Kunden in seiner Buchhandlung Erlenkämper an der Hochstraße aufhalten, dazu noch einmal die gleiche Zahl im Antiquariat im Untergeschoss. „Die neuen Einschränkungen spüren wir hier in der Fußgängerzone besonders, denn gerade hier spielt ja auch die Laufkundschaft für den Handel noch eine Rolle“, so der Inhaber der Bottroper Buchhandlung, die keiner Kette angehört Statt zwölf dürfe er nur noch zehn Personen auf die gesamte Verkaufsfläche lassen. Und wer aktuell keinen frischen Test habe, geimpft oder genesen sei, der laufe jetzt einfach weiter.

Angesichts sinkender Inzidenzen ist diese Verschärfung nicht nachvollziehbar

Im Gegensatz zu den Geschäften in der Fußgängerzone mit viel Laufkundschaft lebt die Humboldt-Buchhandlung am Rathaus während der Pandemie hauptsächlich von Stammkunden, die den Bestell- und Lieferservice in Anspruch nehmen.
Im Gegensatz zu den Geschäften in der Fußgängerzone mit viel Laufkundschaft lebt die Humboldt-Buchhandlung am Rathaus während der Pandemie hauptsächlich von Stammkunden, die den Bestell- und Lieferservice in Anspruch nehmen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Angesichts sinkender Inzidenzen und des ohnehin grassierenden Corona-Frusts findet Becker die Reglung unverständlich. „Und zum Glück wird der Börsenverein des Deutschen Buchhandels schon aktiv und hat eine Petition an Ministerpräsident Laschet auf den Weg gebracht, um diese Regeln anzupassen.“ Mit anderen Worten: Der Buchhandel in NRW soll (wieder) als Grundversorger eingestuft werden. „Das Buch, egal ob als Schul- oder Lehrbuch gehört doch zum täglichen Bedarf und ich finde, da darf es in NRW auch keine Diskriminierung gegenüber anderen Bundesländern geben“, so Ralf Becker.

Den Umsatzrückgang seit Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr beziffert Becker übrigens mit knapp 50 Prozent im Vergleich zum letzten coronafreien Jahr 2019. Von seinen sechs Buchhändlerinnen hat er keine entlassen. Aber es habe natürlich Kurzarbeit gegeben. Zugeständnisse durch den Vermieter in dieser wirtschaftlich angespannten Situation gab es nicht. Und vom großen „Wumms“ oder der „Bazooka“ von Finanzminister Olaf Scholz sei nichts zu spüren gewesen.

Abseits der City spielt Stammkundschaft eine noch größere Rolle

Von deutlichen Umsatzeinbrüchen möchte die Geschäftsführerin der drei Humboldt-Buchhandlungen in Bottrop, Kirchhellen und Gladbeck, Daniela Maifrini, nicht sprechen. Die Abhol- und Liefermöglichkeiten haben auch die Bottroper Filialen durch die Pandemie gerettet. Das bestätigt Annette Kubiak von der Filiale an der Kirchhellener Straße.

„Wir haben hier weniger Laufkunden, aber die Stammkundschaft ist uns treu geblieben, viele haben online oder per Telefon bestellt und im ersten Lockdown hatten wir unseren eigenen Lieferservice, der an guten Tagen auch schon mal 60 Lieferungen unterwegs war“, so Annette Kubiak. Inzwischen setzt die Humboldt-Buchhandlung wie viele in Bottrop auch auf den Lieferdienst Louise. Die Verschärfung der Coronavorschriften für ihre Branche in NRW nach Aufhebung der Bundesnotbremse kann die Buchhändlerin angesichts der sinkenden Wocheninzidenz jedenfalls nicht nachvollziehen.