Bottrop. Die Stadt soll zum Vorbild fürs ganze Land werden. Forscher rechnen vor, wie sehr Klimaschutz made in Bottrop NRW auch wirtschaftlich nutzt.

Nach dem Vorbild der Innovation-City-Modellstadt Bottrop können in ganz NRW bis zu 5,7 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr eingespart werden. Landesweit können wie in Bottrop rund tausend Stadtquartiere energetisch saniert und dadurch bis 2031 auch knapp 23.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Zu diesen Ergebnissen kommt das Bochumer Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- & Strukturpolitik in einer Studie über einen landesweiten Klimaschutz-Rollout.

Durch diesen Rollout würden sich weitere Auftragschancen auch für die Bottroper Innovation City-Management-Gesellschaft (ICM) ergeben. Denn die auf klimagerechte Stadtumbauten spezialisierte Beratungsfirma setzt ihre Arbeit auch nach dem Ende des Klimaschutzmodellprojektes in Bottrop fort, und die Stadt wird nun doch Gesellschafterin des Unternehmens bleiben. Die Entscheidung über ihre zehnprozentige Beteiligung an der Gesellschaft fällt voraussichtlich am kommenden Dienstag im Stadtrat.

Stadt Bottrop bleibt an Beratungsfirma beteiligt

Die SPD befürwortete schon früh das städtische Engagement; vorerst aber als einzige Ratspartei. Jetzt signalisierte auch die zunächst skeptische CDU ihre Zustimmung, womit sich im Rat eine Mehrheit für die städtische Beteiligung abzeichnet. Das weitere Engagement der Stadt in der Innovation-City-Management-Gesellschaft wird Bottrop etwa 367.000 Euro kosten, da das Stammkapital des im Wert gestiegenen Unternehmens erhöht wird und die Stadt mehr als 360.000 Euro in die Kapitalrücklage einzahlen muss.

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Aus Sicht der Stadt ist das gut angelegtes Geld. Die Verwaltung hat nicht nur die Hoffnung, dass die Beratungsfirma nach ihrem Umzug ins Bauknecht-Quartier auf mittlere Sicht Gewinne ausschütten und zur Gewerbesteuerzahlerin wird, sondern weist auch darauf hin, dass ein späterer Verkauf der Anteile wegen des Wachstums des Unternehmens Gewinne bringen könne. Auch der Imagegewinn für die Stadt durch die Firma und die besseren Jobchancen für Absolventen der Hochschule Ruhr West seien viel wert.

SPD im Landtag sieht Klimaschutz-Rollout als große Chance an

Auftraggeberin der Studie über die maßgeblich von der Innovation-City-Management-Gesellschaft mit ausgebauten Vorbildrolle Bottrops auch für ein landesweites Klimaschutzprojekt ist die SPD im Landtag. „Was in Bottrop möglich ist, muss in ganz NRW möglich sein. Deshalb wollen wir Innovation City auf ganz NRW ausrollen. Die Studie des Ruhr-Forschungsinstituts zeigt, dass das eine große Chance ist“, kommentierte SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty die Studienergebnisse.

Der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty mit Oberbürgermeister Bernd Tischler und Innovation-City-Geschäftsführer Burkhard Drescher unter dem Tetraeder in Bottrop: Kutschaty will das Bottroper Klimaschutzmodellprojekt auf ganz NRW ausrollen.
Der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty mit Oberbürgermeister Bernd Tischler und Innovation-City-Geschäftsführer Burkhard Drescher unter dem Tetraeder in Bottrop: Kutschaty will das Bottroper Klimaschutzmodellprojekt auf ganz NRW ausrollen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Denn die Wissenschaftler rechnen nicht nur mit Verbesserungen beim Klimaschutz durch den Rollout nach Bottroper Vorbild, sondern auch mit positiven wirtschaftlichen Effekten. Sie gehen von einem Investitionspotenzial von knapp 24 Milliarden Euro aus. Davon seien 43 Prozent öffentliche Gelder, aber 57 Prozent private Ausgaben für Klimaschutzmaßnahmen. Der damit jährlich um etwa 5,7 Millionen Tonnen reduzierte Ausstoß von Treibhausgasen mache etwa 2,5 Prozent der Emissionen aus, die 2019 in NRW anfielen, ordnen die Wissenschaftler ein.

Klimaschutz wie in Bottrop bringt landesweit 23.000 neue Jobs

Die Aufträge für Klimaschutzmaßnahmen gehen nach den Erkenntnissen der Forscher nicht nur an Firmen in NRW, sondern auch an Betriebe in anderen Bundesländern und im Ausland. Sie beziffern den Produktionswert für die NRW-Wirtschaft auf rund 20 Milliarden Euro. Zusätzliche 10 Milliarden Euro gingen an NRW-Unternehmen, die Vorleistungen für die mit den Klimaschutzmaßnahmen beauftragten Betriebe liefern. Mit jeder investierter Milliarde werden so 1,63 Milliarden Euro Umsatz angestoßen, rechnen die Wissenschaftler vor.

Mit jeder in den Klimaschutz investierten Milliarde Euro entstehen nach ihren Berechnungen außerdem rund 1130 neue Arbeitsplätze. Von den knapp 23.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen entstehen danach gut 14.000 Stellen in den Unternehmen, die direkt beauftragt werden, rund 6000 Stellen in der vorgelagerten Wertschöpfungskette dieser Unternehmen. Rund 2000 neue Arbeitskräfte kommen durch den erhöhten privaten Konsum zustande.

Größte Dichte an Photovoltaik-Anlagen in Bottrop

„Doch mit dem Rollout schaffen wir nicht nur Klimaschutz und moderne Arbeitsplätze. Wir schaffen es damit, unabhängiger zu werden von fossilen Brennstoffen“, bewertete SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty die Studienergebnisse. So gebe es in Bottrop auch durch Innovation City die größte Dichte an Photovoltaik-Anlagen unter allen Großstädten in NRW. Der Innovation City-Rollout sei also auch ein Beitrag zur Unabhängigkeit der Energieversorgung. Kutschaty: „Putins Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt deutlich, wie wichtig diese Unabhängigkeit ist“.

241 Klimaschutzprojekte

Bottrop hat es als Innovation-City-Modellstadt geschafft, in sieben Stadtteilen seinen Treibhausgas-Ausstoß nach zehn Jahren mit energetischen Gebäudesanierungen und dem Photovoltaik-Ausbau so gut wie zu halbieren. Dabei wurden in Bottrop mehr als 730 Millionen Euro in Maßnahmen zum Klimaschutz investiert und 241 Klimaschutzprojekte umgesetzt.Etwa 70 Prozent der Gelder, die in die Klimaschutzmaßnahmen flossen, brachten Private auf. Das Ruhr-Forschungsinstitut errechnete, dass im Innovation-City-Pilotgebiet pro Kopf 4.859,35 Euro für Klimaschutz ausgegeben wurden.