Bottrop. Die ehemalige Ballerina Adele Schulte-Zurhausen erinnert an ihre Zeit in der Compagnie am Essener Grillo-Theater. In ihrer Heimatstadt Bottrop gründete sie eine Ballettschule.
Ihr Erweckungserlebnis hatte sie als Mädchen im Essener Grillo-Theater. Adele Schulte-Zurhausen besuchte ein Gastspiel von Béjarts „Symphonie eines einsamen Menschen“ und war hingerissen. „Das war der Zeit weit voraus. So etwas wollte ich machen“, sagt die gebürtige Bottroperin. Für eine klassische Tanzausbildung war es bereits zu spät. Kurt Jooss, Leiter der Folkwangschule, erkannte aber ihr Talent und nahm sie auf. Nach Stationen in Wuppertal und Köln empfahl er sie auch in Essen - als Solistin für die Compagnie von Roger George.
Ballett als Erfüllungsgehilfe für Oper und Schauspiel
Anfang der 1960er Jahre hatte das Essener Kulturleben noch ein anderes Format: Das städtische Theater beherbergte drei Sparten. Das Ballett spielte eine untergeordnete Rolle und wurde nicht selten zum Erfüllungsgehilfen für Oper, Operette und Schauspiel. Die Verhältnisse auf der Bühne waren beengt. Der erste Einsatz war für Adele Schulte-Zurhausen, die zuvor am Rhein in einem internationalen Ensemble mit 50 Tänzern tanzte, ein Schock.
„Das Grillo war ein Nudelbrett. Wenn man nicht aufpasste, landete man im Orchestergraben“, erinnert sie sich. „Alle warteten auf die große neue Bühne.“ Die Eröffnung des Aalto-Theaters sollte sie in ihrer aktiven Zeit nicht mehr erleben.
Gastauftritte im eigenen Haus
Die modernen Aufführungen des ehemaligen Jooss-Tänzers George fanden „bedingt“ Anklang bei Intendant Erich Schumacher, kaum beim Publikum. Als der die Tänzerin zur Wahl eines Nachfolgers befragte, plädierte sie für den Choreographen Boris Pilato. „Der war der Richtige für Essen. In Handlungsballetten war er großartig. Die Zuschauer kamen in Strömen. Es gab einen unglaublichen Aufschwung“, erzählt die 78-Jährige.
Erfolge feierte sie immer wieder. Bei zahlreichen Gastauftritten und im eigenen Haus. „ ,Abbandonate’ war für mich der wertvollste künstlerische Einsatz“, meint sie rückblickend. Und der „Bolero“ mit dem umschwärmten Solisten Uwe Evers an ihrer Seite. Am liebsten tanzte sie mit Janez Samec, der für sie nach Essen gekommen war, oder mit dem Hamburger Star Rainer Köchermann, den sie sich schon mit 16 innig als Partner wünschte.
Malerei tritt an die Stelle des Tanzes
Boris Pilato machte es möglich, führte aber ein strenges Regiment. „Kurt Jooss, vorher Berater am Grillo-Theater, duldete er nicht neben sich. Als Tänzer durfte man nicht krank sein, dann war man unten durch. Man durfte nicht meutern“, berichtet Adele Schulte-Zurhausen. „Die künstlerischen Meinungsverschiedenheiten wurden ausgefochten.“ Zeit für ihren Sohn blieb dabei wenig, höchstens zwischen zwei und fünf Uhr, zwischen Proben und Auftritten. Doch aus Liebe zu ihm blieb sie zwölf Jahre in Essen.
Neben ihrem Einsatz als Solistin hatte sie einige Jahre das Ballettstudio ihres langjährigen Kollegen Ulrich Roehm mitgeleitet, bevor sie selbst Pädagogik studierte und ihre eigene Schule in Bottrop eröffnete. Der Abschied von der Bühne mit 35 Jahren fiel leise aus. Probleme mit dem Rücken und den Knien waren nicht der eigentliche Grund. „Ich wollte mir ein neues Standbein aufbauen. Pilato fühlte sich von mir hintergangen. Er ließ mich links liegen“, erklärt die ehemalige Tänzerin, die selbstbewusst und emanzipiert ihren Weg ging. Als Sommer in „Cinderella“ hatte sie 1975 ihren letzten Auftritt am Grillo-Theater.
Die Zeit des Tanzens ist für sie lange vorbei, die Ballettschule hat sie an ihre Schwiegertochter übergeben. Heute blüht sie mit großer Freude in der Malerei auf und empfindet den Besuch des einstigen Ballettsaals unter dem Dach der Bühne als traurig. „Abgehakt“, sagt sie kurz und bündig. „Der Beruf ist nicht mehr existent, so wie der Raum. Da ist kein Duft der Tänzer mehr drin. Das Leben ist nicht mehr da.“
Theaterjubiläum
In der kommenden Spielzeit feiert das Essener Grillo-Theater seinen 125. Geburtstag. Aus diesem Anlass erschien in der Essener Lokalausgabe der WAZ als Teil einer Serie auch dieser Beitrag über die bekannte Bottroper Tänzerin Adele Schulte-Zurhausen.
Die von ihr gegründete Ballettschule Zurhausen existiert bis heute an der Kirchhellener Straße und wird nun von Ulla Schulte-Zurhausen geführt.