Bottrop.. In der ASB-Einrichtung „Am Germaniahof“ werden deutsch- und türkischsprachige Senioren betreut. Das Team regt die Gäste zum Mittun an.


Auf den ersten Blick wirkt die Senioren-Runde zurückhaltend, die an dem langen Tisch im hellen Wohnraum der Interkulturellen ASB-Tagespflege „Am Germaniahof“ Platz genommen hat. Die rund ein Dutzend Damen und Herren, – teils im Rollstuhl, mit Namenskärtchen und Wassergläsern vor sich auf dem Tisch – haben ihre Aufmerksamkeit auf Betreuerin Sonja Car­städt gerichtet. Die blättert in der WAZ – und findet dort zielsicher Themen, die bei den Senioren einen Nerv treffen.

Zeitungsrunde bringt ein munteres Gespräch in Gang

ASB-Mitarbeiterin Sonja Carstädt trägt aus der Tageszeitung vor - und regt damit Gespräche an.
ASB-Mitarbeiterin Sonja Carstädt trägt aus der Tageszeitung vor - und regt damit Gespräche an. © Unbekannt | FUNKE Foto Services


„Heute steht in der Zeitung: Es ist Schicht im Schacht. Die Regelförderung auf der Zeche endet.“ Die Reaktionen folgen prompt. „Jetzt werden sie noch zusammenfegen“, meint etwa eine Dame. „Wir haben es hinter uns, wir haben es erlebt“, sagt ein Herr zum anderen. Ein munteres Gespräch am Tisch nimmt seinen Gang.




„Tagespflege“, sagt Einrichtungsleiterin Özlem Karalar, „vermeidet Isolation.“ Die tageweise Betreuung helfe zudem, dass Menschen länger zu Hause leben können; dass pflegende Angehörige entlastet werden.

Das gilt „Am Germaniahof“ auch für Familien mit türkischem Hintergrund: Unter den insgesamt 46 Gästen sind acht türkischstämmige. „Das ist eine recht hohe Zahl“, sagt Karalar. Erst in dieser Generation setze sich durch, dass auch türkische Familien außerhäusige Pflegeangebote annehmen. Für diese Senioren ist es wichtig, dass die Raum-Beschriftungen zweisprachig sind und unter den sechs Mitarbeitern auch welche ihre Muttersprache beherrschen.

Erlernte Sprache geht durch fortschreitende Demenz verloren

Denn: Durch fortschreitende Demenz kann die erlernte deutsche Sprache bei ihnen verloren gehen. Wie bei dem älteren Herrn, der an diesem Morgen ein wenig abseits der Zeitungsrunde steht, etwas verloren ein paar Schritte macht. Er wird von Özlem Karalar einzeln betreut, hält zwischendurch gerne ihre Hand. Von Beruf war er einst deutsch-türkischer Dolmetscher.

Speiseplan wird mitbestimmt

Die Püppchen vom Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel sind auch gut zu greifen, wenn man bereits motorische Einschränkungen hat.
Die Püppchen vom Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel sind auch gut zu greifen, wenn man bereits motorische Einschränkungen hat. © Unbekannt | FUNKE Foto Services

„Wir holen die Menschen da ab, wo sie stehen“, so die Leiterin. Deshalb werde auch auf die Kost geachtet. „Wir haben Halal-Fleisch“, berichtet Özlem Karalar mit Blick auf die Muslime unter den Gästen. Alle Besucher dürfen den Speiseplan mitbestimmen. „Und wenn sich nun jemand Leberkäse wünscht, in dem ja Schweinefleisch ist, dann wird auch mal doppelt gekocht.“




Heute gibt es Schnitzel mit Pommes, gerade wird zum Mittagessen gerufen. Dazu kommen aus einem kleineren Raum auch die beiden Damen an die lange Tafel, die die Zeitungsrunde zugunsten eines Mensch-ärgere-dich nicht-Spiels mit extra großen, gut zu greifenden Holzpüppchen geschwänzt haben.

Tagespflegegäste kochen und backen mit

Das Essen ist parallel zur Zeitungsrunde von Köchin Güler Cicek vorbereitet worden. Die Küchenzeile befindet sich im Wohnraum, so dass die Tagesgäste die Zubereitung der Speisen stets mitbekommen – und oft genug auch mithelfen. Beim Kartoffelschälen zum Beispiel. Außerdem wird regelmäßig gemeinsam Kuchen gebacken. „Wir haben drei Damen, die sind stets bereit, den Mixer zu betätigen“, meint Özlem Karalar mit einem Augenzwinkern. „Die Gäste bringen uns auch Rezepte zum Nachbacken mit.“

Solch anregende Beschäftigungen werden den ganzen Tag über angeboten. Dazu gehört etwa Singen, Gedächtnistraining, Sitztanz oder Basteln von Deko für den Tagestreff. Gelegenheit sich auszuruhen, vorzugsweise nach dem Essen im bequemen Sessel, gibt es auch.

Bis es gegen 16 Uhr heißt, für diesen Tag Abschied zu nehmen. Mit dem Fahrdienst werden die Tagespflegegäste nach Hause gebracht. Bis zum nächsten Besuch.