Als Ramatoulaye Bah vor 14 Jahren ihre Heimat Guinea in Westafrika verließ, da hatte sie noch keine rechte Vorstellung von Deutschland. Damals hatte sie nur einen Gedanken: „Ich muss weg.“ In Guinea herrschte Bürgerkrieg. Zwei Tage hatte sie gebraucht, um mit ihrer Freundin aus der umkämpften Hauptstadt Conakry zum Flughafen zu kommen. Es war gefährlich, erst recht für zwei junge Frauen. Der Flughafen war überfüllt mit Flüchtlingen. „Ich war erst mal erleichtert“, erzählt die 37-jährige zierliche, tatkräftig und zupackend wirkende Frau. Aber sie hatte auch Angst -- Angst vor dem Fliegen und Angst vor dem, was da auf sie zukommt. Gelandet ist sie in Düsseldorf. Der erste Eindruck: Es ist kalt. In Guinea war es 46 Grad warm, in Deutschland herrschte Winter.
Von Düsseldorf aus wurden die Flüchtlinge auf verschiedene Städte verteilt. „Es war wie Lotto“, lacht Ramatoulaye Bah. „Als ich nach Bottrop kam, war mein erster Gedanke: Es ist schön.“ Eine Einschätzung, an der sich bis heute rein gar nichts geändert hat. In Bottrop, sagt die herzliche, warmherzige Neu-Bottroperin, sei sie glücklich.
Liebe auf den ersten Blick
Und immer wieder spricht sie über die Menschen, denen sie hier begegnet. „Die Leute sind so nett, sie sind freundlich.“ Mit vielleicht einer winzigen Ausnahme. Bei der Wohnungssuche vor Jahren sei es nicht ganz so leicht gewesen. Ohne die Unterstützung des Sozialamtes hätte sie wohl kaum eine so hübsche Wohnung bekommen, meint sie.
Die hat sie damals gesucht, weil sie die Liebe ihres Lebens getroffen hatte, Mohamed Diallo. Er ist 2001 wegen des Bürgerkriegs aus Guinea geflohen, lebte aber in Düsseldorf. „Eine Bekannte hat uns vorgestellt“, verrät sie, und wenn Ramatoulaye Bah über die Liebesgeschichte mit ihrem Mann spricht, dann strahlen ihre freundlichen Gesichter Zuneigung pur aus.
Allerdings: Die ersten Treffen waren offenbar gar nicht so fröhlich – obwohl es Liebe auf den ersten Blick war. „Wir haben zwei Tage geweint“, erzählt Mohamed Diallo, der ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. „Wir hatten Heimweh. Wir wussten nicht, was aus unseren Eltern geworden ist, wo die Geschwister waren.“ Und dann die Erinnerungen an die Grausamkeiten des Bürgerkriegs. Inzwischen wissen sie, dass ihre Familien den Krieg überstanden haben.
Nach einem Jahr folgte Mohamed Diallo seiner Freundin nach Bottrop. Längst sind sie verheiratet und leben mit ihren fünf Kindern hier. Und er teilt ihre Begeisterung für diese Stadt und ihre Bewohner. Bei den Firmen, bei denen er gearbeitet hat, habe er nur freundliche Kollegen getroffen, erzählt er freudestrahlend. „Ich hatte immer gute Kollegen, Super-Leute, Super-Jungs.“
Probleme am Arbeitsplatz kennt auch Ramatoulaye Bah nicht. „Wenn ich meinen Kollegen erzähle, dass ich fünf Kinder habe, staunen sie und sagen: Was, Du bist doch eine so zierliche Frau.“ Es sind Begegnungen wie diese, die ihnen helfen, ohne die Nähe der Eltern, der Geschwister leben zu müssen
Vor 14 Jahren, als Ramatoulaye Bah endlich im Flugzeug nach Deutschland saß, da hatte sie Angst. Heute sagt sie mit einem tiefen, ruhigen Lächeln im Gesicht über ihre zweite Heimat: „Es ist ein großes Glück für uns.“