Bochum. Anfang Oktober starb ein psychisch kranker Bochumer bei einem Polizeieinsatz. Bei einer Mahnwache wird eine Reform der Polizei gefordert.
„Als behinderte Personen haben wir nicht nur Misstrauen, sondern auch Angst vor der Polizei“, sagt Sam Maddock von der Anti-Ableistischen Aktion Ruhr. Die Aktivistin ist eine von rund 45 Menschen, die am Freitagnachmittag zu einer Mahnwache und Kundgebung vor dem Bochumer Hauptbahnhof aufgelaufen sind. Anlass war der Fall eines 32-jährigen Bochumers, der am 11. Oktober durch Schüsse eines SEK-Beamten in seiner Wohnung getötet wurde.
Hintergrund: Wegen Ruhestörung hatten Nachbarn die Polizei zu dem mutmaßlich schizophrenen Mann in die Lindener Straße gerufen. Laut Angaben der Staatsanwaltschaft hat der 32-Jährige Konservendosen und Müllsäcke aus dem Fenster geworfen und die zunächst eintreffenden Polizeibeamten mit einem Hammer bedroht. Nachdem Versuche der Deeskalation, unter anderem durch einen Verhandlungsführer des Spezial-Einsatz-Kommandos (SEK) und die Einbindung der Mutter des Mannes, gescheitert waren, drang die Polizei den Berichten zufolge erneut in die Wohnung ein. Dort sei der Mann mit dem Hammer auf einen SEK-Beamten losgegangen, der daraufhin zwei tödliche Schüsse abgab.
„Immerhin schöner als der Tod“: Aktivisten hinterfragen Verhältnismäßigkeit an
Während die Staatsanwaltschaft von Notwehr spricht, kritisieren Aktivistinnen und Aktivisten und Betroffene den Polizeieinsatz scharf. Bei der heutigen Kundgebung betonten die Rednerinnen und Redner die systemischen Probleme, die zu solchen Vorfällen führen – unter ihnen Shrank Dernbach, Mitglied des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener. „Schon wieder haben wir einen Anlass zu trauern – und wütend zu sein“, sagt Dernbach und stellte infrage, ob der tödliche Einsatz verhältnismäßig war. Menschen in psychischen Krisen würde die Polizei eher mit Waffen als mit Unterstützung begegnen, lautet der klare Vorwurf in Dernbachs Rede.
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Selbst wenn sich speziell für schwierige Einsätze ausgebildete Kräfte der Polizei von Menschen in derartigen Situationen bedroht fühlen würden, sei doch auch der Einsatz von Beruhigungspfeilern oder Tasern möglich, heißt es in einem anderen Redebeitrag. „Das ist zwar auch nicht schön, aber immerhin besser als der Tod.“
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Polizeischüsse: Deutschlandweit so viele Todesopfer wie zuletzt vor 25 Jahren
Der Fall des 32-jährigen Bochumers sei zudem kein Einzelfall, betonen die Aktivisten mehrfach. Demnach seien in diesem Jahr deutschlandweit bereits 17 Menschen durch Polizeischüsse getötet worden – so viele wie seit 1999 nicht mehr. Die Mehrheit dieser Opfer habe sich „in einer psychischen Krise“ befunden.
Die Aktivisten wünschen sich daher unabhängige Kommissionen zur Untersuchung tödlicher Polizeieinsätze, die flächendeckende Entwaffnung der Polizei und den Aufbau von Krisendiensten, die Unterstützung statt Bedrohung bieten sollen.