Bochum. Wildkameras filmten sie: In Bochum gibt‘s wieder Wildschweine. Zwei Experten erklären, was das bedeutet. Und wann es gefährlich werden kann.
„Hätte mir vor zwei Jahren einer gesagt, dass Wildschweine nach Langendreer kommen, dann hätte ich das nicht geglaubt und als Jägerlatein abgestempelt.“ Das sagt der Bochumer Jäger Jan Wieczorek. Er hat in seinem Revier im Bochumer Osten schon höchstpersönlich Bekanntschaft mit einem Exemplar gemacht. Im vorigen Jahr erlegte er nachts um 2 Uhr einen Keiler in einem Waldstück.
Seit Jahrzehnten wohl das erste Wildschwein in Bochum, das erlegt wurde
Soweit er wisse, sei er wohl seit Jahrzehnten der erste Jäger in Bochum, der so ein Schwarzwild, wie Wildschweine auch genannt werden, geschossen hat.
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Auf den Aufnahmen von aufgestellten Wildkameras hatte er gesehen, dass sich diese wilden mächtigen Tiere im Bochumer Osten aufhalten. „Mutmaßlich kommen sie aus Witten und zuvor wohlmöglich aus dem Raum Gevelsberg, müssten über die Ruhr geschwommen sein“, sagt der Jäger. In einer Nacht im vorigen Jahr ging er mitten in der Woche nachts auf die Pirsch und entdeckte tatsächlich in etwa 50 bis 60 Meter Entfernung einen Keiler, der nach Nahrung suchte. Das Tier habe eine Wildackerfläche mit der Pflanze Topinambur, die die Jäger eigentlich für das Rehwild angelegt hätten, wohl besonders interessant gefunden. Als das Schwarzwild auf ihn zugelaufen sei, habe er geschossen. Ein Schuss reichte, um es zu erlegen.
„Da ich das Tier nicht alleine bergen konnte, musste ich zwei befreundete Jäger anrufen, die mir dann schließlich beim Bergen behilflich waren“, erzählt Wieczorek. 130 Kilo wog der Kadaver, „aufgebrochen“, wie es in der Jägersprache heißt, noch 100 Kilo. „Aufgebrochen“ bedeutet, dass das Wildtier zuvor ausgeweidet wurde, bevor es gewogen wird.
Bochumer Jäger: Wildschweine werden in Bochum wohl nur durchziehen
Unregelmäßig würden die Jäger im Osten der Stadt „immer mal wieder“ Wildschweine auf den Kameras sehen. Er schätzt, ungefähr dreimal pro Jahr. Womöglich fänden sie hier aber wegen der relativ engen Besiedlung des Gebietes keine passende feste Bleibe („Einstand“), so dass sie dann nach einigen Tagen wieder weiterziehen. In Langendreer gebe es für die Tiere halt nicht viele Möglichkeiten, eine geeignete Deckung zu finden. „Aber die Wildschweine sind da“, sagt Wieczorek trotzdem.
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In jener Nacht habe „fast Gefahr in Verzug“ bestanden. Wenn sich Wildschweine in die Enge getrieben fühlten, „sieht das nicht so gut aus“. Die Tiere könnten angreifen. Auch für Kinder und Hunde könnten Wildschweine gefährlich werden. „Gefahrenpotential sehe ich besonders in der Zeit, wenn Bachen im Frühjahr ihre Frischlinge führen und/oder wenn diese generell in die Enge getrieben werden.“
Naturführer: Wildschwein werden in Bochum „überall wieder vorkommen“
Wie der im Raum Bochum und Umgebung bekannte Naturführer Martin Maschka von der „Natur- und Wildnisschule Ruhrgebiet“ unserere Redaktion sagte, würden Wildschweine seit rund zehn Jahren im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs sein. Auch in Bochum, am ehemaligen Wasserwerk in Stiepel, seien Spuren der Tiere gefunden worden. Ihre Pfoten hätten alles aufgewühlt. Die Tiere sollen aus dem Sauerland gekommen sein und es geschafft haben, die A1 zu überqueren. Die Autobahn sei eigentlich „eine natürliche Grenze“, aber die Tiere könnten Baustellensituation zum Passieren genutzt haben.
Waschbären sind in Bochum „ein echtes Problem“
Sorgen macht sich Naturführer Martin Maschka über das Erscheinen von Waschbären. Sie würden immer mehr. „Das sei „echte Problem.“ Auch in Bochum.
Die Tiere würde Amphibien zerfetzen und häuten und örtlich teilweise ausrotten. Etwa Gasfrösche, Erdkröten, Feuersalamander.
Jäger Jan Wieczorek ergänzt, dass Waschbären gute Kletterer seien und Vogeleier erbeuteten. „Kein Jäger möchte Waschbären in seinem Revier, weil sie das ökologische Gleichgewicht verändern.“ Auch seine Wildkamera habe in diesem Jahr schon einen Waschbär fotografiert.
In Bochum sind im vergangenen Jagdjahr (April 2023 bis März 2024) 14 Waschbären entweder geschossen oder als Fallwild tot aufgefunden worden.
Wildschweine, sagt Maschka, würden zur heimischen Natur dazugehören und hätten auch einen ökologischen Nutzen. Durch ihre Wühltätigkeit würden Lebensräume für Amphibien und Insekten schaffen. Sie würden Teiche im Wald anlegen und Sporen für Pilze verbreiten. Ihr Erscheinen in Bochum wird kein Einzelfall bleiben. „Sie werden überall wieder vorkommen.“
Wildschweine riechen nach Maggi
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Dass sie je nach Situation erlegt werden, kritisiert Maschka überhaupt nicht. Die Jagd sei wichtig für Hege und Pflege der Natur. „Die Jäger leisten gute Arbeit zum Schutz der Wälder.“ Wildscheine seien Allesfresser (etwa Igel, Ringelnattern, Pflanzen, Wurzeln, Pilze, Würmer), aber auch die Samen von Jungbäumen.
Einen Tipp hat der Naturführer zum Thema Sicherheit: Wildschweine riechen nach Maggi. Wenn jemand beim Spazierengehen oder Joggen in der freien Natur diesen Geruch in die Nase bekäme, sollte besser das Weite suchen.