Bochum. 500 Geflüchtete betreut das Therapiezentrum Bochum jährlich, darunter bis zu 100 Minderjährige. Warum ein Psychologe das für unverzichtbar hält.
Über Mangel an Arbeit können sie sich am Glockgarten 1 in Bochum-Altenbochum nicht beklagen. Vielen Geflüchteten steht das Therapiezentrum für Überlebende von Folter und Krieg der Medizinischen Flüchtlingshilfe mit Rat und Tat zur Seite. Das könnte in Zukunft schwieriger werden.
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„Als Psychotherapeut schaue ich mit großer Sorge auf das kommende Jahr“, sagt Eike Leidgens, der die Psychotherapie im Zentrum leitet, mit Blick auf die geplanten Kürzungen im Sozialbereich des Landeshaushalts 2025. „In unserem Therapiezentrum betreuen wir jährlich knapp 500 besonders schutzbedürftige Klientinnen und Klienten, die z.B. aufgrund von Folter, Krieg, Menschenhandel und anderer schwerer Menschenrechtsverbrechen stark psychisch belastet sind; darunter bis zu 100 Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF).“
In Bochum ist eine der landesweit 14 Stellen für die UMF-Beratung angesiedelt, denen jetzt die Streichung droht. Bleibt es bei den Plänen der Landesregierung, „werden wir ab 2025 deutlich mehr Menschen abweisen müssen. In den meisten Fällen haben die Betroffenen keine alternative Versorgungsmöglichkeit. Ich sehe niemanden, der das übernehmen kann“, so Leidgens.
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Aus Sicht des Psychologen wäre das fatal. „Viele Folterüberlebende, die ich in den letzten zehn Jahren behandelt habe, hätten ohne eine qualifizierte Beratung im Asylverfahren keine Chance auf eine Stabilisierung gehabt. Wir reden hier beispielsweise von minderjährigen Geflüchteten, die auf dem Weg durch Libyen sexualisierte Gewalt und Folter erlebt haben, bevor sie auf einem wackligen Boot das Mittelmeer überquert haben. Wo finden sie nächstes Jahr Unterstützung? Ist uns dieses Leid mittlerweile egal?“
Stellen für Beratung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sollen gestrichen werden
Besorgt sind sie in Altenbochum vor allem deshalb, weil die Sozialarbeit für die minderjährigen Geflüchteten gestrichen werden soll. Und das ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt. Die Nachfrage sei so hoch wie nie. Schon jetzt gebe es eine Warteliste, die bis zum Ende des Jahres nicht versorgt werden könne. „Und da geht das Land jetzt hin und sagt, da wird gespart. Das ist schwer nachzuvollziehen“, sagt Psychologe Leidgens.
Wegen der angekündigten Kürzungen auf Bundesebene und durch den Bruch der Ampel-Regierung drohen auch dem Therapiezentrum „schwere finanzielle Einschnitte“, wie es heißt. Die Kürzungen auf Landesebene spitzen die Situation zusätzlich zu. Sozialberatung sei gerade für die minderjährigen Geflüchteten wichtig. Falle die Stabilisierung weg, die gelingen könne, wenn über die Sozialberatung ein Hilfeplan und eine Perspektive aufgezeichnet wird, komme es gar nicht dazu, sich in der Therapie mit traumatischen Erfahrungen zu beschäftigen; „weil immer diese Angst da ist, die Angst vor Abschiebung, selbst wenn eigentlich eine gute Aufenthaltsperspektive besteht.“
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Die betroffenen Kinder und Jugendliche haben zum Teil schwere Gewalterfahrungen erlebt; Menschenhandel, Zwangsprostitution. „Wenn sie über Libyen gekommen sind, waren sie womöglich monatelang in Folterlagern, wurden mit Zwangsarbeit ausgebeutet oder haben Schiffbruch auf dem Mittelmeer erlebt“, so Leidgens. „Wir gehen davon aus, ein Drittel hat schwere traumatische Belastungen, d.h. irgendeine Form von psychischer Erkrankung oder schwerer Einschränkungen, und dass zwei Drittel oder mehr schwere Gewalterfahrungen gemacht haben.“
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Trotz allem sei es möglich, dass Betroffene keine Therapie benötigen, weil sie eine ausgeprägte psychische Kraft haben, um mit Belastungen fertig zu werden, und große Hoffnungen in ihre Zukunft setzen. „Das funktioniert aber nur, wenn das Drumherum gut ist“, argumentiert der Psychotherapeut. „Für eine Stabilisierung braucht es Sozialarbeit. Wenn über alle schlimmen Erfahrungen noch Sachen auf mich einstürzen und ich aufgrund fehlender Informationen oder Gerüchten Angst vor Abschiebung habe, Angst erneut Gewalt zu erleben, ist kein Fundament für eine Stabilisierung da.“
Er hofft auf einen Sinneswandel in Düsseldorf. „Ich habe da noch nicht aufgegeben, weil wir nur über 14 Stellen sprechen, die viel bringen und wenig kosten. Wir sprechen da über weniger als eine Million Euro. Das ist viel Geld, ja. Aber auf der anderen Seite sind 300 Millionen Euro eingestellt für den Bau neuer Unterkünfte. Es geht doch nicht nur um das Dach über dem Kopf, sondern auch darum, den Betroffenen Entlastung, Stabilisierung und Integration zu ermöglichen.“