Bochum-Riemke. Seit einem Jahr sollen Poller in Riemke Durchgangsverkehr verhindern – Autofahrer aber suchen sich andere Wege. Deshalb gibt es nun neue Pläne.
Sie sollten den Durchgangsverkehr aus dem Wohnviertel verdrängen und haben das auch teilweise geschafft – an anderer Stelle jedoch auch für neue Probleme gesorgt: Ein Jahr nachdem Poller an zwei Stellen an der Eduardstraße in Bochum-Riemke installiert wurden, kündigt die Stadt Nachbesserungen an.
Aufgestellt wurden die Reihen rot-weißer Pfosten im November 2023: Sie stehen an der Ecke Am Hausacker/Eduardstraße sowie Eduardstraße/Auf der Markscheide all jenen im Weg, die zwischen Herner Straße und Tippelsberger Straße abkürzen wollen. Schon kurz nach der Installation zeigte sich allerdings auch der Nebeneffekt: Autofahrer suchten sich neue Schleichwege, sind vermehrt auch in den noch engeren Nebenstraßen unterwegs. „Der Durchgangsverkehr wurde dadurch nur verlagert und fließt jetzt durch unsere Wohnstraßen“, klagten Anwohner Ende Dezember 2023 im Gespräch mit der WAZ. „Das kann es ja wohl nicht sein.“
Es sei zu früh, die Wirksamkeit und Folgen der Poller zu beurteilen, hieß es zunächst von der Stadt. Jetzt, fast genau ein Jahr später, legt die Verwaltung eine Zwischenbilanz vor. Darin nennt sie die Maßnahme einen Erfolg. Durch sie „konnte der Durchgangs- bzw. Abkürzungsverkehr im Wohngebiet Riemke zwischen Herner Straße, Cruismannstraße und Tippelsberger Straße wirksam verhindert werden“, heißt es.
Poller in Wohnviertel in Bochum-Riemke – so haben wir berichtet
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Allerdings ist auch die Rede von „letzten Mängeln“, die mit dem nun vorgestellten Vorschlag beseitigt werden sollen. Denn: Die Auswertung nach einigen Monaten hatte auch ergeben, dass „sich ein Teil des verbliebenen Verkehrs (...) in die Windthorststraße verlagert hat“. Diese ist noch mal deutlich enger als etwa die Eduardstraße, teilweise so schmal, dass es noch nicht einmal einen richtigen Gehweg gibt. Um die Situation zu entschärfen, machte die Stadt sie im April zur „unechten Einbahnstraße“: Von der Eduardstraße darf man sie nicht mehr anfahren, dort wurden „Durchfahrt verboten“-Schilder aufgestellt.
Durchgangsverkehr raus: Viertel in Bochum-Riemke soll zweigeteilt werden
Die Stadtverwaltung bringt jetzt aber auch noch eine „weitergehende Maßnahme“ ins Spiel: Das Wohnviertel soll in einen nördlichen und einen südlichen Bereich unterteilt werden, das Durchfahren von Nord nach Süd sowie umgekehrt unterbunden werden. „Superblock“ wird das städtebauliche Konzept dahinter genannt.
Dazu, so der Vorschlag der Stadt, sollen die Poller an der Straße „Am Hausacker“ ein Stück weit nach Norden versetzt werden. Wer aus Norden „Am Hausacker“ in Richtung Tippelsberger Straße fährt, landet in einer Sackgasse, kann nicht mehr in die Eduardstraße abbiegen – somit entfiele beispielsweise auch der Schleichweg über die Windthorststraße.
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„Am Hausacker“ soll eine Wendefläche eingerichtet werden
Die Verwaltung prognostiziert: „Über die Straße Am Hausacker (südlich der Eduardstraße) würden im Vergleich zu heute (September 2024) wieder etwas mehr Fahrzeuge fahren, aber deutlich weniger als vor November 2023. Auf den Straßen Windthorststraße, Am Wiedelskamp und Im Wielert würden sich die Verkehrsstärken auf einem Niveau wie vor der Abpollerung einpendeln.“
Im nördlichen Bereich müsste dann eine Wendeanlage eingerichtet werden, ansonsten aber ändere sich die Verkehrsführung dort nicht. Für den Umbau der Straßenfläche werden 110.000 Euro Kosten veranschlagt.
Laut Beschlussvorlage sollte die Bezirksvertretung Mitte der Verwaltung eigentlich bereits in ihrer jüngsten Sitzung am 31. Oktober den Auftrag erteilen, mit den Planungen zur Umgestaltung des Quartiers zu beginnen. Das Gremium war sich jedoch einig, zunächst noch Zeit zur Beratung zu benötigen. Die Entscheidung wurde vertagt, das Thema steht für die nächste Sitzung am 5. Dezember nun erneut auf der Tagesordnung.
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CDU in Riemke lehnt Zweiteilung des Wohnviertels ab
Erste Reaktionen gab es indes schon. Die CDU legte einen Änderungsantrag vor, in dem sie die Zweiteilung ablehnt. Das angestrebte Ziel der Verkehrsberuhigung im Viertel sei bereits erreicht, und eine Teilung „würde unnötige Eingriffe in das bestehende Wohnumfeld bedeuten“. Bezirksvertreter Benedikt Gräfingholt fordert stattdessen, die Windhorststraße mittels physischer Sperre an der Einmündung zur Eduardstraße zur Sackgasse zu machen und diesen Pilotversuch nach einer Zeit zu evaluieren. Außerdem soll die bestehende Sperrung „Am Hausacker“ um weitere – „idealerweise begrünte“ – Durchfahrtsperren auf den Bürgersteigen ergänzt werden.
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hingegen „begrüßt den Vorschlag der Stadtverwaltung“, fordert aber auch, dass es nicht allein bei der Teilung bleibt. Als nächster Schritt sollten „Maßnahmen für eine bessere Aufenthaltsqualität im Viertel unternommen werden“, findet VCD-Vertreter Karl-Heinz Hüsing.
Was ist ein Superblock?
Als Superblock, auch Kiez- oder Quartiersblock genannt, werden Wohnviertel bezeichnet, aus denen der Kfz-Durchgangsverkehr herausgehalten wird. Maßnahmen wie Durchfahrtsperren, Einbahnstraßenregelungen oder Tempolimits sollen verhindern, dass Autofahrer ein Viertel als Abkürzung oder Umfahrung von Hauptverkehrsstraßen nutzen. Die Anwohnenden sollen gleichzeitig aber auf möglichst kurzem Weg an die Hauptverkehrsstraßen angebunden werden.
Der städtebauliche Ansatz stammt ursprünglich aus Spanien, ist aber auch in mehreren deutschen Großstädten schon im Gespräch oder Planung, so zum Beispiel in Berlin (als „Kiezblocks“) oder in Köln („Superveedel“).