Bochum-Altenbochum. Seit Jahren steht ein Rohbau an der Wittener Straße, Seniorenwohnungen sollten entstehen. Anwohner und Politiker fragen: Warum tut sich nichts?
Sie haben sich an den Anblick gewöhnt. „Man ignoriert die Baustelle im Vorbeigehen ja inzwischen“, sagt Holger Koke und meint den Rohbau an der Ecke Wittener Straße/Goystraße. Nein, ernsthaft: Eine Zumutung sei der, sagt der 69-Jährige. Und er ist damit nicht allein. Wer mit Menschen in Altenbochum über die Dauerbaustelle spricht, der hört von Ärger, auch Begriffe wie „Schandfleck“ und „Riesensauerei“ fallen.
An der Wittener Straße 230 soll eine Wohnanlage für Senioren entstehen. Bauträger ist die Imodom GmbH aus Berlin (2016 umbenannt in Padool GmbH), die mit dem ambulanten Pflegedienst Asisa Vitalles kooperiert. Es handelt sich dabei um einen Firmenverbund, die Verantwortlichen sind bei beiden Unternehmen dieselben Personen. Als der Investor seine Pläne ankündigte und im Frühjahr 2017 endlich die Bauarbeiten begannen, da war die Erleichterung im Stadtteil groß, dass die Brachfläche an prominenter Stelle verschwinden sollte.
„Man ignoriert die Baustelle im Vorbeigehen ja inzwischen.“
Was folgte, mutet eher wie die unendliche Geschichte an. Der Rohbau steht da, teilweise eingerüstet, inzwischen seit Jahren. Fortschritt ist von außen nicht erkennbar. Die einzige sichtbare Veränderung ist das Unkraut, das durch die Bauzäune bis auf den Gehweg wuchert. Wenige Tage ist es her, dass jemand auf der Baustelle den Wildwuchs zurückgeschnitten hat. Der Grünschnitt liegt noch auf dem Grundstück.
Dauerbaustelle in Altenbochum: drei Ortstermine seit Oktober 2023
Das Thema beschäftigt auch die Bezirksvertretung Mitte inzwischen seit Jahren. „Das ist ein Dauer-Ärgernis“, sagt David Schary von der CDU. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister hat unlängst einmal mehr in der Sache bei der Verwaltung angefragt. „Niemand sieht einen Baufortschritt“, sagt er. Sein Eindruck sei im Gegenteil, dass der Anblick von außen immer schlimmer werde. Deshalb will er wissen, wann eine Bauüberwachung durch die Stadt erfolgt ist – und welches Ergebnis diese hatte.
Es habe Termine zur Bauüberwachung am 11. Oktober 2023 und dann erneut im Frühjahr 2024 gegeben, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk auf Nachfrage dieser Redaktion. Am 30. Oktober, Mittwoch vergangener Woche, stand dann erneut eine Ortsbesichtigung an. Ergebnisse aus diesem Termin waren noch nicht zu erfahren.
Erst Brachfläche, seitdem Dauerbaustelle
Baugenehmigung erlischt erst, wenn der Bau länger als ein Jahr unterbrochen ist
Formell ist es so: Für das Projekt gibt es eine gültige Baugenehmigung. Diese „gewährt das Recht zum Bauen und beinhaltet kein Baugebot bzw. keine Bauverpflichtung“, erklärt van Dyk. Eine Baugenehmigung erlösche, „wenn innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen wurde oder die Bauausführung länger als ein Jahr unterbrochen wurde“.
Das Bauordnungsamt sieht keine Handhabe, weil regelmäßig ein Baufortschritt erkennbar gewesen sei, „wenn auch ein langsamer“. Stadtsprecher Peter van Dyk teilt mit, dass bei den bisher stattgefundenen Begehungen festgestellt worden sei, „dass Bauarbeiten im Bereich der Bodendämmung und der Fußbodenheizung durchgeführt wurden“. Es seien Bäder in Trockenbauweise abgetrennt worden und Installationen eingebracht worden. Außerdem seien die Fassaden teilweise verputzt worden.
Dauerbaustelle in Altenbochum – so haben wir berichtet
- 2015: Auf Brachfläche in Altenbochum entsteht ein Pflegezentrum
- 2016: Statikprobleme verzögern Baustart
- August 2017: Pflegeheim für Russen: Baufirma will Zeit aufholen
- November 2017: Rätsel um die ruhende Baustelle in Altenbochum ist gelöst
- 2019: Seniorenheim in Altenbochum soll bald weitergebaut werden
- 2020: Altenheim-Bau in Bochum-Altenbochum soll bald weitergehen
- 2021: Endlich tut sich was am Altenheim in Altenbochum
- 2022: Dauerbaustelle Seniorenheim – Politik verliert die Geduld
- 2023: Dauerbaustelle Seniorenheim: CDU macht der Stadt Druck
Nachbarn des Rohbaus in Altenbochum sehen Zustand mit Sorge
Die Bäckerei Wickenburg liegt gegenüber der Baustelle, aus dem Ladenlokal heraus haben Mitarbeiterinnen und Kunden den direkten Blick auf „die Unvollendete“. Wenn der Innenausbau laufe, sei das ja schön, sagen sie hier. Aber der Rohbau sei nicht gedämmt und offenbar undicht. „Wenn es mal kräftig regnet“, haben sie beobachtet, „dann wird zwei Tage lang der Keller ausgepumpt“. Und wenn sie morgens ganz früh zur Arbeit laufe, wenn draußen alles noch ruhig sei, „dann hört man es richtig plätschern im Gebäude“, sagt eine Verkäuferin.
Auf der anderen Seite des Rohbaus, in der Fleischerei Kruse, glaubt Filialleiterin Petra Mühleib ebenfalls, „das muss doch feucht sein, da drinnen!“ Es sei „schade, dass das langsam verrottet“. Auf dem Gehweg winkt Peter Kasprack ab: „Das wird doch nie was werden“, sagt der 75-Jährige. Er gehe davon aus, „dass man die Bauruine irgendwann abreißen muss“.
„Ich find‘ das eine Riesensauerei. Das wird doch nie was werden.“
Auch Simone Gottschlich, SPD-Ratsfrau für Altenbochum und planungspolitische Sprecherin der Partei, sieht den „Frust und Ärger bei den Menschen in Altenbochum“. Sie sei in engem Austausch mit der Stadt, habe auch den Austausch mit den Bauherren gesucht. Diese zeigten sich „leider wenig aktiv“ und verwiesen „auf immer wieder neue Probleme, wie etwa steigende Kosten oder ausgelastete Gewerke“.
Was aber tun? CDU-Mann Schary findet: „Das hier ist keine schleppende Baustelle, sondern eine So-als-ob-Baustelle“ und fordert: „Die Verwaltung müsste mehr darauf drängen, den Baufortschritt zu kontrollieren.“ Auch er halte die Situation für „untragbar“, sagt Fabian Krömling von den Grünen. Den Wunsch nach dem Entzug der Baugenehmigung und damit faktisch nach einem Baustopp könne er aber nicht nachvollziehen. „Eine Bau-Ruine anstelle einer schleppenden Baustelle hilft nicht, sondern verschärft die Lage nur.“
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Bauherr verweist auf „kleine Probleme“ bei Baustelle
SPD-Politikerin Simone Gottschlich verfolgt noch eine andere Idee: „Eine Möglichkeit, um der Dauerbaustelle ein Ende zu bereiten, wäre die Unterstützung der Stadt beim Verkauf der Immobilie an einen anderen Investor“, sagt sie. „Das muss jetzt geprüft werden.“
Und was sagt der Bauherr? Jan Impris, Geschäftsführer von Imodom/Padool und Asisa Vitalles, mag sich öffentlich nicht ausführlich äußern, verweist auf „kleine Probleme“, auf Ärger mit der Baufirma. Hatte er im Juni 2023 noch angekündigt, die Bauarbeiten würden noch maximal ein Jahr dauern, will er sich jetzt nicht mehr festlegen.
Chronologie der Baustelle
Bis zum Jahr 2006 befand sich an der Wittener Straße 230 eine Tankstelle. Nach deren Abriss stand das Gelände jahrelang leer.
Der Bauantrag für den Bau einer Seniorenwohnanlage wurde am 15. Oktober 2014 bei der Stadt Bochum eingereicht und am 23. Juni 2015 genehmigt. Im September 2018 wurde noch eine Grundrissänderung für Keller- und Erdgeschoss beantragt und eine Änderung die Tiefgaragenausfahrt betreffend. Dieser Bauantrag wurde nach Anhgaben des Bauordnungsamtes am 3. Februar 2020 genehmigt.
Die Bauarbeiten starteten im Frühjahr 2017. Anvisiert war eine Bauzeit von etwa zwei Jahren. Schon nach wenigen Monaten kam es erstmals zum Stillstand, die Planung musste überarbeitet werden. Phasenweise ging es weiter, der Rohbau steht inzwischen vollständig, dann ruhten die Arbeiten wieder. Von außen ist seit mehr als zwei Jahren keine Veränderung sichtbar.