Bochum. Tabea (15) ist eine viel beschäftigte Jungdarstellerin im Schauspielhaus Bochum. Ihr Leben ist ein Balanceakt aus Schule, Sport und Schauspiel.
Diesen Moment wird sie nie vergessen: In „Der Würgeengel“ stand Tabea Sander zum ersten Mal auf der großen Bühne des Schauspielhauses Bochum. Der Saal war mäuschenstill, als Tabea mutig nach vorne trat, um vor vollbesetztem Haus ein Referat über Bienenvölker zu halten, die ein neues Zuhause suchen. Direkt neben ihr: das Ensemble mit Schauspielstar Sandra Hüller. Vor ihr: das Publikum, das man auf der Bühne durch die vielen Scheinwerfer gar nicht sieht. „Ich dachte, ich dreh’ durch“, erzählt Tabea lächelnd.
- Den Zauber der Liebe zeigt Regisseurin Lies Pauwels in „Werther (love & death)“ im Schauspielhaus Bochum. Das Ensemble ist spitze. Wenn man der Aufführung etwas vorwerfen möchte, dann ist es ihr leichter Hang zur Überlänge. Hier lesen Sie unsere Kritik zur Premiere.
Schauspielhaus Bochum: 15-Jährige schon bei drei großen Produktionen dabei
Und dennoch hat sie diese Nervenprobe so nachhaltig beeindruckt, dass in ihr der große Wunsch reifte, Schauspielerin zu werden. Auf drei große Produktionen hat es die 15-Jährige am Schauspielhaus mittlerweile gebracht, damit gehört sie zu den meistbeschäftigten Jungdarstellerinnen an der Königsallee. Andere Berufsziele kennt Tabea schon länger nicht mehr: „Früher wollte ich mal Detektivin und Astronautin werden“, erzählt sie. Doch die Liebe zum Theater war einfach stärker.
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Tabea Sander stammt aus Essen, wo sie auch aufs Gymnasium geht. Neben der Literatur (tatsächlich trifft man Tabea nur selten ohne ein Buch in der Hand) hat sie noch eine weitere Leidenschaft: das Fechten. „Das mache ich, seit ich acht Jahre alt bin“, erzählt sie. „Mittlerweile trainiere ich drei bis viermal die Woche.“ Zum Theater kam sie über die Schauspielschule „Take off“, die sich direkt gegenüber dem Schauspielhaus befindet.
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Nach einer Vorstellung blieb sie noch etwas länger zum Publikumsgespräch und fasste sich danach ein Herz: „Ich dachte, ich frage einfach mal nach, ob noch junge Darsteller gesucht werden“, sagt sie. Tabea hatte Glück: In „Der Würgeengel“ war die Kinderrolle tatsächlich noch unbesetzt. „Noch am selben Abend hatte ich ein Gespräch mit dem Intendanten Johan Simons“, erzählt sie. „Besser konnte es nicht laufen.“ Fortan teilte sie sich die Rolle im Wechsel mit ihrer Kollegin Mina Skrövset. In „Dantons Tod“ hatte sie kurz danach schon ihre zweite Rolle.
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Balanceakt zwischen Schule, Sport und Schauspielerei
Ganz so leicht ist das für Tabea allerdings nicht, denn neben dem Fechttraining und den vielen Auftritten geht sie schließlich noch aufs Gymnasium. „Ich muss halt zusehen, dass ich mit meinen Schulsachen irgendwie nachkomme“, sagt sie. Ihre schulischen Leistungen hätten unter den vielen zeitraubenden Hobbys bislang aber nicht gelitten, selbst wenn sie nach einer Aufführung erst recht spät ins Bett kommt.
Dafür überwiegen viele aufregende Erlebnisse. Sandra Hüller zu treffen, gehört gewiss dazu. „Ich kannte sie vorher gar nicht, aber sie ist voll nett, und ich habe mir schon einiges bei ihr abgeschaut.“ Auch gegen das Lampenfieber kennt sie ein gutes Rezept: „Wir tanzen hinter der Bühne immer ausgelassen auf und ab, da geht die Aufregung von alleine weg.“
Werther-Premiere im November: „Aus Improvisation heraus entstanden“
Gerade steckt Tabea Sander mitten in den Proben für ihre dritte Aufführung: Ab Freitag, 1. November, ist sie in „Werther (love & death“) in den Kammerspielen zu sehen. Die neue Inszenierung der belgischen Regisseurin Lies Pauwels wird mit einiger Spannung erwartet. Das Besondere: Neben vier jungen Männern aus dem Ensemble spielen fünf heranwachsende Mädchen mit, darunter auch Tabea. „Die gesamte Aufführung ist aus Improvisation heraus entstanden“, erzählt sie. „Das hat bei den Proben richtig großen Spaß gemacht.“
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Für Tabea steht fest: Nach dem Abitur im Jahr 2027 möchte sie unbedingt auf eine Schauspielschule gehen, am liebsten nach Berlin oder Wien. „Ich wüsste auch gar nicht, was ich sonst machen sollte“, meint sie lächelnd. Gut möglich, dass man von Tabea Sander in Zukunft noch einiges hören wird.
Infos und Spieltermine
„Werther (love & death)“ in den Kammerspielen Bochum dauert etwa zwei Stunden und zehn Minuten ohne Pause. Wieder am 7. und 11. November sowie am 1., 15. und 26. Dezember.
Schauspieler Dominik Dos-Reis, der auf der Bühne einen der liebestollen jungen Kerle gibt, zeigt derzeit im Oval Office ein sehenswertes Solo: In „Eschenliebe“ spielt er einen Mann, der unglücklich verliebt ist – in einen Baum! Letztmals zu sehen am 9., 15. und 16. November. Karten und Infos: 0234 3333 5555.