Bochum. Im ersten Prozess bekam der Vorarbeiter, der die tödliche Hausexplosion herbeiführte, eine Haftstraße. Im Prozess gab es allerdings Rechtsfehler.
Einer der Aufsehen erregendsten Unglücksfälle der vergangenen Jahrzehnte in Bochum wird seit Donnerstag (24. Oktober) ein zweites Mal vor dem Landgericht verhandelt. Es geht um die Strafe für den Vorarbeiter, der für die tödliche Gasexplosion eines Einfamilienhauses am 10. Januar 2023 an der Keilstraße an der Stadtgrenze Linden/Dahlhausen verantwortlich war. „Es tut mir immer noch leid, ehrlich, ehrlich leid“, sagte der Angeklagte vor der 3. Strafkammer.
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Im ersten Prozess war der 52-Jährige im Oktober 2023 zu zweieinhalb Jahren Haft u.a. wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Der Verteidiger wollte aber Freispruch. Der 4. Senat bestätigte zwar den Schuldspruch, hob aber das Strafmaß auf, weil es „rechtsfehlerhaft“ sei. Deshalb muss nun eine andere Strafkammer des Landgerichts eine neue Strafe bilden. Im Raum steht wohl eine Bewährungsstrafe.
„Ich habe nichts gerochen.“ Das beteuerte der Angeklagte jetzt wie schon in seinem ersten Prozess. Er hatte damals bei Bauarbeiten eine unterirdische Gasleitung durchbohrt, unterließ aber die lebenswichtigen Sicherungsmaßnahmen und machte Feierabend. „Wir sind davon ausgegangen, es ist nichts passiert.“ Wenige Stunden später explodierte ein Wohnhaus in unmittelbarer Nähe. Eine Bewohnerin (61) wurde von den Trümmern erschlagen und war sofort tot. Ihr Sohn (damals 35) im ersten Stock kam wie durch ein Wunder mit leichten Verletzungen davon.
Haus in Bochum explodiert: Bohrer durchtrennt Gasleitung
Der Baufirma war im Auftrag von Vodafone mit dem unterirdischen Verlegen von Leerrohren für Glasfaserkabel betraut. Dazu benutzte der Vorarbeiter das „horizontale Spülbohrverfahren“. Dabei wird mit einem ferngesteuerten Bohrgerät ein Stollen unter der Erde gebohrt, in den später die Rohre verlegt werden. Gegen 17 Uhr begann die Katastrophe.
Der Bohrer sollte unterhalb an der Erdgasleitung, deren Verlauf in einer Karte verzeichnet war, vorbei gesteuert werden. Entgegen der Berechnungen traf der Bohrkopf aber in rechtem Winkel und völlig mittig auf das Rohr, das in rund 1,30 Meter Tiefe lag. Der Bohrer fraß zwei Löcher mit je 15 Zentimeter Durchmesser in die Metallwand: eins vorn, eins hinten.
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„Gas! Gas!“, rief ein beteiligter Bauarbeiter, dem der unverwechselbare Geruch in die Nase stieg. Der Vorarbeiter überprüfte die verdächtige Stelle zwar mit Ohren und Nase, er hörte aber weder ein Zischen noch roch er selbst einen Gasaustritt. Erst am nächsten Tag wollte er eine Baugrube öffnen, um die Gasleitung besser überprüfen zu können. Entgegen seiner Pflicht unterließ er es, die Stadtwerke zu informieren und noch am selben Tag eine Grube zu graben. Außerdem hätte er die Gasleitung schon vor dem Bohren freilegen müssen, um ihre genaue Tiefe erkennen zu können.
Wohnhaus in Bochum eingestürzt: Wucht hob es vor dem Einsturz einen halben Meter an
Während alle Bauarbeiter die Baustelle verließen, strömte das Gas im Untergrund aus und sättigte das Erdreich. Durch Klüfte und Spalten drang es in den nicht wasser- und luftdichten Keller des 1900 gebauten Hauses ein. Dort stand eine Ölheizung, um die herum sich eine zündfähiges Gas-Luft-Gemisch bildete. Eine elektrische Zündung, wohl die des Brenners, reichte aus, das ganze Haus einstürzen zu lassen. Es war 21.45 Uhr. Die Wucht der Explosion war so stark, dass das Gebäude vorher ein halben Meter angehoben wurde.
Angeklagter arbeitet weiter in seinem Beruf
Der nun zweite Prozess zu dem tödlichen Unglück wird deutlich kürzer sein als der erste. Um die Kritik des BGH in Karlsruhe in ein neues Urteil einfließen zu lassen, hat die 3. Strafkammer zwei weitere Sitzungstage bis 15. November angesetzt.
Der Angeklagte arbeitet heute weiterhin in seinem bisherigen Beruf und setzt auch wieder, wie schon seit vielen Jahren, das horizontale Spülbohrverfahren ein.
Bis Juni 2023 hatte der Vorarbeiter dreieinhalb Monate in U-Haft gesessen. Möglicherweise muss er jetzt nicht erneut ins Gefängnis. Denn der BGH beanstandete, dass die Bochumer Richter bei der Strafzumessung nicht hinreichend gewürdigt hätten, dass der Familienvater nicht vorbestraft sei. Außerdem sei die Tatsache, dass er damals nicht die Stadtwerke informiert hätte, ein „Unterlassen“ gewesen, und dies wiege weniger schwer als ein aktives Tun.
Die Verteidigung hatte im ersten Prozess von einer unglücklichen Verkettung der Umstände gesprochen, die nicht dem Angeklagten zuzurechnen sei: „Da hat sich etwas verselbstständigt, das weder vorhersehbar noch erkennbar war.“