Bochum. In Haft in Bochum arbeitet der 65-Jährige die Vergangenheit auf. Er sagt: „Ich bin auf einem guten Weg, habe aber noch viel Arbeit vor mir.“

Robin B. sitzt in einem kleinen Raum. Die Sonne scheint durch das Fenster, die Gitter davor werfen Schatten auf das herbe Gesicht des 65-Jährigen. Er erzählt von seinem Leben, das geprägt ist von Gewalt und Gefängnis. Die Liste seiner Vergehen ist lang: Drogen, Raubüberfälle – und Mord. 2004 sei es eskaliert, sagt B.. Als er in den Niederlanden einen Polizisten erschoss. Seither verbüßt er seine Haftstrafe, auf seinen Wunsch hin seit 2020 in der Sozialtherapeutischen Anstalt an der Krümmede in Bochum, direkt neben der Justizvollzugsanstalt (JVA).

Drogen, Raubüberfälle, Mord: Ein Straftäter aus Bochum packt aus

Im Regelvollzug sei er nicht mehr weiter gekommen, berichtet Robin B.. „Ich will meine Vergangenheit aufarbeiten, um nicht mehr straffällig zu werden. Doch das war da nicht möglich.“ Er stellte einen Antrag auf Sozialtherapie und wurde nach Bochum verlegt. Hier sei das Personal geschulter, die Ansprechpartner konstant dieselben. Und es gebe viele therapeutische Angebote, durch die er einen Weg aus der Gewaltspirale finden wolle.

„Ich war selbst geschockt, als ich das Foto zum ersten Mal sah.“

Robin B., Häftling

Wie das aktuelle Kunst-Projekt „Ich zeige mich dir“ der Sozialtherapeutischen Anstalt. Zwölf der insgesamt 79 Häftlinge ließen sich vom Profi-Fotografen Chris Bolze ablichten. Die Fotos zieren nun einen Flur des Gefängnisses. Zu jeder Aufnahme ist der Lebensweg des Protagonisten zu lesen. Denn dieser steht bei der Ausstellung im Fokus. Die Fotos sollen die Geschichten der Häftlinge erzählen, den Menschen in den Vordergrund rücken. Robin B. ist einer von ihnen.

Auch ein Porträt von Robin B. ist Teil einer Fotoausstellung in Bochum, die den Häftling als Menschen darstellen sollen.
Auch ein Porträt von Robin B. ist Teil einer Fotoausstellung in Bochum, die den Häftling als Menschen darstellen sollen. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Sein“ Bild ist als einziges eine Nahaufnahme. Sie wirkt hart, sehr ernst, furchteinflößend. „Ich war selbst geschockt, als ich das Foto zum ersten Mal sah“, sagt Robin B.. Aber es sei sehr realistisch und unverfälscht, wie ein Blick zurück in seine Vergangenheit.

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Im persönlichen Gespräch macht Robin B. einen ganz anderen Eindruck als auf dem Porträt: nachdenklich, überlegt, ein wenig schüchtern. Auf das Interview hat er sich vorbereitet und sich Notizen gemacht. Er kommt direkt zur Sache und erzählt, wie er auf die schiefe Bahn abrutschte. Das sei in den 70er Jahren passiert, als er zur Hausbesetzer-Szene stieß. „Von dort war der Schritt zur Kriminalität nicht mehr weit.“ In dieser Umgebung sei er gewalttätig geworden. Motto: „Ich will kein Opfer sein, ich will Opfer machen.“

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Ehrliche Arbeit sei ihm, der aktuell eine Tischlerausbildung absolviert, damals nicht in den Sinn gekommen. „Es war doch viel einfacher, mit Drogen und Raubüberfällen Geld zu machen.“ Mehrfach landete Robin B. im Gefängnis, das erste Mal mit 17. Den negativen Höhepunkt seiner kriminellen Laufbahn erreichte er 2004. „Da habe ich in den Niederlanden einen Polizisten erschossen.“ Plötzlich hatte er ein Menschenleben auf dem Gewissen. „Das hat mich zum Zweifeln an meinem Lebensweg gebracht.“

Robin B. inmitten der Ausstellung mit Fotos von zwölf Straftätern. Auch sein Porträt ist dabei. Die Aufnahmen hängen in einem Flur in der Sozialtherapeutischen Anstalt an der Krümmede in Bochum.
Robin B. inmitten der Ausstellung mit Fotos von zwölf Straftätern. Auch sein Porträt ist dabei. Die Aufnahmen hängen in einem Flur in der Sozialtherapeutischen Anstalt an der Krümmede in Bochum. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

In Therapie versucht Robin B. seither, sein Leben aufzuarbeiten und die kriminelle Energie zu bekämpfen. Er weiß: „Ich habe es noch immer in mir. Man kann das, was passiert ist, nicht einfach vergessen und so tun, als sei nichts geschehen.“ Und er könne verstehen, wenn die Leute sagen „Der ist gefährlich, der gehört nicht mehr auf die Straße“. Doch dort möchte Robin B. wieder hin. Irgendwann. „Das ist noch weit weg. Aber ich bin auf einem guten Weg“, glaubt er. „Doch der ist lange nicht zu Ende. Ich habe noch viel Arbeit vor mir.“

„Ich habe nach dem ersten Tag kurz überlegt, abzubrechen.“

Chris Bolze, Fotograf

Daheim im Münsterland habe er alle sozialen Kontakte abgebrochen. „Ich will nicht wieder in mein altes subkulturelles Umfeld zurück.“ Sein Porträt sieht er auch als Mahnung „an alle, die meinen, Kriminalität lohnt sich“. Für ihn selbst sei inzwischen klar: „Da will ich nicht wieder hin.“

Fotograf Chris Bolze hat zwölf Straftäter in Bochum porträtiert.
Fotograf Chris Bolze hat zwölf Straftäter in Bochum porträtiert. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Das Projekt habe ihn an seine Grenzen gebracht, sagt Fotograf Chris Bolze. Dabei ist er als Kriegsreporter (u.a. in der Ukraine) durchaus hartgesotten. Doch es waren halt auch sehr gefährliche Straftäter, die ihm bei den Interviews im Vorfeld gegenüber saßen. „Darunter auch einige, die sich an Kindern vergangen haben. Das ist in der Geballtheit dann nicht so einfach. Da habe ich nach dem ersten Tag kurz überlegt, abzubrechen.“

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Doch der 52-Jährige hat es dann doch durchgezogen. „Ich hatte kurz die menschliche Komponente vergessen“, sagt er. Denn darum gehe es ja bei dem Kunst-Projekt: Den Blick auf den Menschen zu richten.

Besondere Behandlung für Straftäter

Vor vier Jahren wurde die Sozialtherapeutische Anstalt NRW (SothA) an der Krümmede in Bochum eröffnet. Hier sitzen laut Anstaltsleiter Marek Switkiewicz „sehr gefährliche Straftäter, die schwere Gewalt- und Sexualstraftaten begangen haben“. Diese bräuchten eine „besondere Behandlung“. So kommt in der Sotha auf zehn Häftlinge ein Psychologe. „Im Regelvollzug ist es einer auf 100.“

Switkiewicz gibt sich als „Freund von Sport und Kultur in der Anstalt“. Von daher sei es selbstverständlich gewesen, sich an der landesweiten Knastkulturwoche „Sichtbar sein“ mit diesem Foto-Projekt zu beteiligen. Allerdings ist die Ausstellung aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich. Switkiewicz kann sich jedoch vorstellen, sie wandern zu lassen. Denkbar wäre aus seiner Sicht, die Fotos etwa in einem Gerichtsgebäude temporär aufzuhängen.