Bochum-Wattenscheid. Hospizverein Wattenscheid: 50 Ehrenamtliche helfen Todkranken. Sie besuchen sie im Krankenhaus, Altenheim oder zu Hause. Oft entstehen Bindungen.
„Die Menschen suchen sich zum Sterben einen Moment aus, in dem sie allein sind; dann können sie loslassen.“ Alexandra Polaszyk (57) ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin. Seit vier Jahren kümmert sie sich über den Hospizverein Wattenscheid um Menschen in deren letzter Lebensphase.
Drei Jahre betreute sie Todkranke zu Hause, seit einem Jahr nun besucht sie sie auf der Palliativstation im Josef-Hospital. „Wenn man Menschen zu Hause aufsucht, entwickelt sich eine ganz andere Beziehung als im Krankenhaus. Dort sind die Begegnungen meist nur einmalig, aber umso intensiver.“ Tief beeindruckt hat sie die Bitte einer Frau auf der Station, für sie einen Abschiedsbrief an die Tochter zu schreiben, den sie selbst später ins Reine bringen wollte. „Ob sie es je geschafft hat, weiß ich nicht. Aber das war ein ganz großer Moment des Vertrauens.“
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Die Begleitung Sterbender in deren eigenen vier Wänden unterscheide sich immens. Das geht über einen längeren Zeitraum, manchmal sogar über Jahre. „Die Menschen wissen, dass sie sterben werden, nur eben nicht sofort. Da geht man auch mal nur gemeinsam spazieren oder trinkt einen Kaffee.“ Über die Zeit baue man eine Beziehung auf zu dem Menschen, den man regelmäßig besucht. Alexandra Polaszyk erinnert sich an eine Frau, die sie sehr ins Herz geschlossen hatte, die dann jedoch verstarb. „Ich hätte sie gerne länger begleitet.“ ZUmindest konnte sie sie auf dem letzten Weg, der Beerdigung, begleiten.
Bochumerin macht Besuche auf der Palliativstation
Die 57-Jährige kann mit dem Sterben umgehen. „Ich habe als Krankenschwester gearbeitet, da wurde ich mit dem Thema konfrontiert.“ Heute ist sie im Jugendamt der Stadt Bochum in der Kindertagespflege tätig. Die Palliativstation namens Lucia sucht sie zweimal im Monat auf. Dann bekommt sie von der Stationsleitung eine Liste mit Patienten, die eine Sterbebegleiterin sprechen möchten. „Viele erzählen mir in der kurzen Zeit ihr ganzes Leben.“ Die meisten sieht sie dort nur einmal. Denn von der Station gehe es anschließend in die Kurzzeitpflege oder, wenn möglich, zurück nach Hause.
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Jeder reagiere anders auf die erschütternde Diagnose. Einige sind verzweifelt, wütend, ängstlich, wollen den Tod nicht akzeptieren. „Dann flackert etwas auf und der Betreffende nimmt wahr, dass der Himmel heute blau ist“, weiß Heike Tenberg. Sie ist hauptamtliche Mitarbeiterin beim Hospizverein und macht den ersten Besuch bei einem neuen Patienten stets gemeinsam mit der ehrenamtlichen Kraft und berät Angehörige. Die Sterbebegleitung ist eine große Entlastung für die Angehörigen, die oftmals kaum mit der Situation umgehen können.
Den Todkranken in Bochum Zeit schenken
„Es geht darum, Zeit zu schenken, da zu sein. Die Todkranken wissen, dass wir es aushalten können, dass wir das Thema Sterben nicht wegschieben, weil wir ja nicht so nah dran sind wie die Angehörigen“, sagt Tenberg. Die verzweifeln, wenn der Sterbende etwa keine Nahrung mehr zu sich nimmt. „Mama muss doch essen, sonst stirbt sie“, heiße es dann. Doch sei das die Entscheidung des Kranken selbst.
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Den Akt des Sterbens erleben nur die wenigsten Ehrenamtlichen mit. Regina Battling, ebenfalls hauptamtliche Kraft beim Verein, ist das einmal widerfahren. „Ich war mit einer Ehrenamtlichen zu Besuch, es waren viele Menschen, auch Nachbarn, da. Alle umringten das Bett des Mannes. Da erlebten wir alle, wie er seinen letzten Atemzug tat. Ich dachte noch: ,Bitte nicht jetzt sterben‘; es war eine ganz besondere Situation.“ Die Ehefrau ging zu Battlings Überraschung offen damit um. „Sie sagte, ,mein Mann war schon immer gern in Gesellschaft‘. Dann öffnete sie das Fenster, um die Seele ihres Mannes herauszulassen.“
Tag der offenen Tür zum Welthospiztag
Religiös geprägt ist die Sterbebegleitung des Hospizvereins Wattenscheid nicht, „wir sind neutral“, sagt Heike Tenberg. Nur, wenn jemand es ausdrücklich wünsche, werde nach einer Ehrenamtlichen gesucht, die sich ebenfalls an die Konfession gebunden fühlt. Sterbebegleitung ist weiblich, so Tenberg.
Das zeigt sich auch am Tag der offenen Tür, den der Verein jetzt anlässlich des Welthospiztages veranstaltete. Alle Besucher sind Frauen. Es gebe zwischendurch zwar mal den einen oder anderen „Quotenmann“, so Tenberg, doch der ist die Ausnahme. „Männer gehen anders mit dem Thema um, schieben es zumeist von sich.“
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Dann wird noch der „Letzte-Hilfe-Kurs“ angeboten. Dort lernen Angehörige, sich in die Situation, bald jemanden zu verlieren, einzubringen. Es geht ums Abschiednehmen, Dinge wie Vorsorge- oder Patientenverfügung. Und darum, dem Sterbenden das Warten zu erleichtern.
Mundpflege auch mal mit einem Tröpfchen Bier
„Wenn jemand nichts mehr isst oder trinkt, braucht er Mundpflege. Dann kann man mit einem Stäbchen mit Schaumstoff den trockenen Mund mit Flüssigkeit benetzen. Wenn jemand immer gerne Bier trank, kann man auch Bier drauf träufeln, wegen des besseren Geschmacks“, so Polaszyk. Einmal im Jahr veranstalten die Haupt- und Ehrenamtlichen eine Trauerfeier für alle Verstorbenen, nur unter sich, ohne Angehörige.
„Der Tod ist heute tabu. Wir wollen mit unserer Arbeit das Thema in den Alltag zurückbringen“, erklärt Hans-Jürgen Rempe vom Vorstand des Hospizvereins. „Und es ist nicht immer ein schweres Thema“, ergänzt Heike Tenberg.