Bochum. Erst genehmigt, dann verboten: Eine Aktion der „Muslimstudents NRW“ sorgt für Kritik an der Ruhr-Uni Bochum. Es ist nicht der erste Vorfall.

Nach Hinweisen von Studierenden hat die Ruhr-Universität Bochum Infostände der sogenannten „Muslimstudents NRW“ auf dem Campus verboten. Die Gruppierung soll einer vom Verfassungsschutz beobachteten islamistischen Bewegung nahestehen; schon 2019 gab es Ärger um ihr Auftreten an der RUB. Die Juso-Hochschulgruppe und die Jusos Bochum werfen der RUB-Verwaltung deshalb Versagen „im Kampf gegen den Islamismus“ vor. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was ist passiert?

Offiziell angemeldet waren die Infostände als Begrüßung für neue Studierende an der Ruhr-Universität und zur Werbung für einen „Buchclub“: Am Montag, 7. Oktober, standen die „Muslimstudents NRW“ direkt vor der Hochschulbibliothek. Ein Pavillon mit Männern, ein Pavillon mit Frauen, „Herzlich willkommen“-Banner, Kaffee und Gebäck. „Das sah harmlos aus“, sagt Jörg Reismann, RUB-Student und stellvertretender Vorsitzender der Jusos in Bochum. Auf den ersten Blick erkenne man nicht, „was für eine Gruppierung das ist“.

Ärger um Stand von
Am Montag, 7. Oktober, waren die "Muslimstudents NRW" mit ihren zwei Ständen direkt vor der Unibibliothek präsent.  © Juso-Hochschulgruppe

Wer sind die „Muslimstudents NRW“?

„Wir sind ein Zusammenschluss junger Studenten/innen, die es sich zur Pflicht gemacht haben, über die aktuellen Missstände der Welt, in Form verschiedenster Aktionen, aufmerksam zu machen“, schreibt die Gruppe auf ihrem Instagram-Profil kryptisch. Informationen über die Hintergründe der Gruppierung, über Aufbau und Art ihrer Organisationen, gibt es keine; ebenso wenig Kontaktdaten oder Ansprechpartner. Auf eine Anfrage dieser Reaktion reagierten die „Muslimstudents NRW“ am Donnerstag nicht.

Laut Verfassungsschützern steht die Organisation der extremistischen Furkan-Gemeinschaft nahe. Diese Bewegung, mit einem „beinahe sektenartigen Charakter“, lehnt nach Einschätzung der Staatsschützer die Demokratie ab und strebt einen Gottesstaat an. Deshalb steht sie unter nachrichtendienstlicher Beobachtung. In NRW ist die Furkan-Gemeinschaft demnach als Verein mit einem Zentrum in Dortmund sowie Kleingruppen im Umland aktiv.

Die „Muslimstudents NRW“ wiederum dienen offenbar der Anwerbung neuer Mitglieder: Im NRW-Verfassungsschutzbericht 2023 ist notiert, dass „die Furkan-nahe Organisation Muslimstudents zu Beginn des Wintersemesters im Oktober 2023 Neuankömmlinge durch Informationsstände in ihre Veranstaltungen lockte“. Eine Zugehörigkeit zur Furkan-Gemeinschaft sei für Außenstehende mangels Logo oder Auskunft der Anwerber nicht direkt erkennbar. Aber: „Die zunächst unverfänglichen Unterrichte dienen jedoch nach einer Zeit des Kennenlernens und der Einführung dazu, neue Mitglieder für die Furkan-Gemeinschaft zu rekrutieren.“

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Warum war die Aktion erst genehmigt und wurde dann verboten?

„Der Stand war zunächst als Infostand eines Buchclubs angemeldet und als solcher von der RUB genehmigt worden“, teilt RUB-Sprecher Jens Wylkop auf Anfrage dieser Redaktion mit. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass es sich um einen Stand der „Muslimstudents NRW“ handelte. „Aktivitäten solcher Initiativen dulden wir auf dem Campus nicht“, betont Wylkop. Anders als beispielsweise die Unibrücke sei der Campus kein öffentlicher Raum, sondern unterliege dem Hausrecht der RUB. Damit endet die schriftliche Stellungnahme der Universität.

Pikant: Schon vor fünf Jahren gab es einen ähnlichen Vorgang. Auch damals war ein Infostand der „Muslimstudents“ auf dem Campus genehmigt worden, auch damals ruderte die Verwaltung nach Kritik zurück. Über Twitter teilte die Ruhr-Universität seinerzeit mit, sie distanziere sich „deutlich von dieser Gruppe, (...) da sie gegen die Werte verstößt, die die RUB vertritt“. Man werde Sorge tragen, „dass die Gruppe in Zukunft nicht mehr an der RUB agieren kann“, hieß es.

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Wie reagierten die „Muslimstudents NRW“ auf das jüngste Verbot?

Die „Muslimstudents NRW“ verlagerten ihre Stände auf die Brücke, die vom Unicenter zum Campus führt. Der Anmelder habe sich durch das Verbot der RUB diskriminiert gefühlt und selbst die Polizei hinzugezogen, erklärt Polizeisprecher Jens Artschwager. Er habe am Dienstagmorgen angekündigt, „jetzt eine Spontanversammlung auf der Unibrücke“ machen zu wollen. Dabei sollte es nach Polizeiangaben um Protest gegen die empfundene Diskriminierung gehen.

Acht bis zehn Personen waren laut Polizeisprecher Artschwager von etwa 10 bis 16 Uhr auf der Unibrücke präsent. Die Polizei habe ein „Kooperationsgespräch“ mit dem Versammlungsleiter geführt, der sich kooperativ verhalten habe. Die Sache sei „reibungslos und ohne größeren Publikumsverkehr über die Bühne gegangen“, so Artschwager. Der Staatsschutz habe die Aktion ebenfalls im Auge gehabt. Es sei dort nichts passiert, nichts gezeigt worden, was gegen das Gesetz verstoßen hätte.

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Was fordern Jusos und Juso-Hochschulgruppe?

„Die Jusos Bochum und die Juso-Hochschulgruppe Bochum fordern die Universitätsleitung auf, endlich entschlossen gegen solche extremistischen Gruppierungen vorzugehen und sicherzustellen, dass der Campus nicht weiterhin als Plattform für radikale Propaganda missbraucht wird“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die „Muslimstudents“ hätten angekündigt, ihre Aktivitäten fortzusetzen. „Es ist daher von größter Bedeutung, dass die Universität sofort handelt, und ggf. weitere Genehmigungen widerruft“, so die Jusos.

Aktion am Jahrestag des Hamas-Terrors

Bemerkenswert nach Ansicht von Jusos und Juso-Hochschulgruppe auch der Zeitpunkt, an dem die „Muslimstudents NRW“ auf dem RUB-Campus in Erscheinung traten: Ausgerechnet am 7. Oktober, dem Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs auf Israel, wurden die Infostände vor der Uni-Bibliothek aufgebaut.

Für die hinter der Studentengruppe stehende Furkan-Bewegung hielt der Verfassungsschutzbericht 2023 fest: „Nach den Terroranschlägen gegen den Staat Israel (...) verstärkte die Furkan-Gemeinschaft unmittelbar ihre Demonstrationsaktivitäten und die Präsenz auf den Social-Media-Kanälen“. Und weiter: „Eine Auseinandersetzung mit den terroristischen Handlungen der Hamas findet dabei nicht statt. Stattdessen wird das übliche Opfernarrativ bedient und der Angriffe als Akt der Selbstverteidigung umgedeutet.“

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