Bochum/Herne/Dortmund/Berlin. Mit frisierten Daten aus Spielhallen sollen vier Männer über Jahre Steuern hinterzogen haben. Die Beträge, um die es geht, lassen aufhorchen.

Die Anklageschrift allein ist mehr als daumendick, eine gute Stunde lang liest Staatsanwalt Fabian Thurau die Vorwürfe vor. Er zitiert immer wieder Tabellen mit Zahlen. Vielen, vielen Zahlen. Vier Männer stehen seit Mittwoch vor der 10. Großen Strafkammer des Bochumer Landgerichts. Ihnen wird unter anderem bandenmäßige Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vorgeworfen: Über einen Zeitraum von rund elf Jahren, von 2011 bis 2022, sollen sie laut Anklage in wechselnder Beteiligung Aufzeichnungen aus Geldspielautomaten manipuliert und den Finanzbehörden so deutlich zu niedrige Umsätze und Gewinne gemeldet haben.

Es geht um Hunderte Fälle, um Betrug bei der Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer für eine ganze Reihe von Spielhallen, unter anderem in Bochum, Herne, Dortmund und Berlin. Die Summen, die in der Anklage aufgeführt sind, sind beträchtlich: Um rund 13,5 Millionen Euro sollen die Männer demnach die Umsatzsteuer „verkürzt“ haben, die Gewerbesteuer um rund 4,2 Millionen und die Körperschaftssteuer um rund 3,9 Millionen.

Vorwurf: Einkommensteuer in Millionenhöhe hinterzogen

Illegales Glücksspiel
Wie viel Geld wandert in einen Spielautomaten, wie viel spuckt er wieder aus? Das wird vollautomatisch aufgezeichnet. Die Bande soll die Datensätze manipuliert und so Millionen an Steuern hinterzogen haben. © picture alliance/dpa | Bernd Thissen

Außerdem sollen sie mit den frisierten Daten auch bei ihren persönlichen Einkommensteuererklärungen betrogen haben. Beim mutmaßlichen Drahtzieher der Bande geht die Anklage von rund 9,6 Millionen Euro aus, die hinterzogen wurden. Bei den anderen Angeklagten geht es um Summen zwischen 600.000 Euro und 3,5 Millionen Euro.

Die vier Beschuldigten sind zwischen 52 und 70 Jahre alt, alle in der damaligen Sowjetunion geboren. Die Anklagebank ist gut gefüllt, zwischen den Männern und ihren Verteidigern nehmen noch drei Dolmetscher Platz, die sich phasenweise sichtlich abmühen, beim Zahlenwust mit ihrer Übersetzung hinterherzukommen.

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Angeklagte betrieben Spielhallen unter anderem in Bochum und Herne

Als mutmaßlicher Kopf der Gruppe gilt Ruslan V. (52). Er soll laut Anklage im Jahr 2009 mit seinem Freund Herman S. (55) beschlossen haben, Spielhallen zu betreiben. Die beiden Männer gründeten demnach eine Vielzahl von GmbHs, bei denen mal einer von beiden, mal beide als Gesellschafter auftraten. Während V. als „Nummer 1“ laut Anklage die „unternehmerische Struktur“ vorgab und vor allem im Hintergrund wirkte, sei S. zuständig gewesen für das operative Geschäft der Spielhallen, die sich unter anderem in Bochum und Herne, in Berlin sowie weiteren Städten befanden.

Im Laufe der Jahre seien dann noch die beiden weiteren Beschuldigten dazugekommen, heute 63 und 70 Jahre alt. Auch sie sollen als (Mit-)Inhaber von Spielhallen fungiert haben und Teil der Bande gewesen sein.

Das Justizzentrum in Bochum: Vor der 10. Großen Strafkammer hat ein Prozess um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe begonnen.
Das Justizzentrum in Bochum: Vor der 10. Großen Strafkammer hat ein Prozess um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe begonnen. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Für 10.000 bis 12.000 Euro gab‘s die Betrugs-Software

Steuerbetrug mit Geldspielautomaten soll eigentlich durch eine vollautomatische Datenerfassung verhindert werden: In jedem Gerät werden, so erklärte es der Staatsanwalt, unter anderem die ein- und ausgeworfenen Beträge aufgezeichnet und gespeichert. Die Datensätze würden regelmäßig ausgelesen und bildeten „ein lückenloses Abbild des Spielgeschehens und der Umsätze“.

Die bandenmäßigen Betrügereien nahmen der Anklage zufolge im Sommer 2011 ihren Anfang: Seinerzeit habe Ruslan V. auf einer Branchenmesse einen unbekannten Georgier kennengelernt, der ihm eine Software vorstellte, mit der die Datensätze frisiert werden konnten. Gegen Barzahlung von etwa 10.000 bis 12.000 Euro in einem Restaurant soll der Angeklagte S. wenig später einen Laptop und ein Speichermedium mit dem Schummel-Programm „Cash Data“ bekommen haben.

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Prozess in Bochum: Zehn weitere Verhandlungstage geplant

Wann und wie die Manipulationen aufflogen, dazu war beim Prozessauftakt nichts zu hören. Es wurde lediglich die Anklage verlesen; mehrere der Beschuldigten kündigten an, sich persönlich zu den Vorwürfen zu äußern. Das Gericht hat zehn weitere Verhandlungstage bis zum 18. Dezember terminiert.

Weitere Verfahren

Neben dem Hauptverfahren gegen die vier Männer laufen auch Ermittlungen gegen weitere Personen: Gesondert verfolgt werden demnach unter anderem mehrere Männer, die die eigentliche Datenmanipulation im Auftrag der Bande vorgenommen haben sollen. Außerdem wird gegen mehrere Frauen ermittelt, die für die Buchhaltung, Gehaltsabrechnungen und Steuerangelegenheiten der Spielhallenfirmen zuständig waren.

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