Bochum. Die Tafel in Wattenscheid hat einen neuen Vorstand. „Immer mehr Menschen kommen, um frisches Obst und Gemüse zu bekommen.“ Die WAZ war vor Ort.
„Die Anfragen von Kitas und Offenen Ganztagsschulen steigen ständig. Und nicht nur an Schulen, die an Brennpunkten sind.“ Das sagt Antje Illner vom neuen Vorstand der Wattenscheider Tafel in einem WAZ-Gespräch zum Weltkindertag am vorigen Freitag.
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Die Situation vieler Kinder in Wattenscheid und Bochum bleibe angespannt. Notwenige Ausgaben für Kinder würden von einigen Eltern, die von staatlichen Hilfen leben, nicht so berücksichtigt wie es erforderlich wäre. Die staatlichen Hilfspakete für Bildung und soziale Teilhabe, mit denen zum Beispiel Klassenfahrten und Musikkurse finanziert werden könnten, würden oft nicht von Eltern genutzt: aus Nicht-Wissen, Scham oder Gleichgültigkeit. Sie seien auch nicht in der Lage, eine verantwortliche Budgetplanung hinzubekommen.
„Einige Kunden kommen in zweiter und dritter Generation zur Tafel, weil sie aus der Armutsspirale nicht herauskommen“, sagt Antje Illner. Und einige kämen heimlich, „weil die Kinder das nicht wissen sollen“, oftmals alleinerziehende Mütter.
Antje Illner nennt auch die Inflation als wachsendes Problem für die Kinder. Sie mache auch Normalverdienern zu schaffen, „aber das schlägt nach unten noch mehr durch.“ Und: „Leute, die ein geringes Einkommen haben, haben keine Rücklagen.“ Geht ein Herd kaputt, ist kein Geld für einen neuen vorhanden.
Rund 3000 Familien kommen pro Woche zur Tafel
Die Tafel schafft hier Linderung in großem Ausmaß. Rund 3000 Familien, wie Vorstandsmitglied Sascha Gorks sagt, fast 10.000 Menschen, kommen pro Woche zur Ausgabestelle an der Laubenstraße und füllen sich für nur vier Euro ein der zwei große Einkaufstüten mit Lebensmitteln. „Immer mehr Menschen kommen zur Tafel Bochum & Wattenscheid, um frisches Obst und Gemüse zu bekommen, das sie sich nicht leisten können und das für eine gesunde Ernährung unverzichtbar ist“, heißt es im Vorstand des Vereins.
Nicht nur bei Lebensmitteln, auch bei Gebrauchsgütern des täglichen Bedarfs hilft die Tafel aus: mit ihrem „sozialen Warenhaus“. Dort stehen auch gebrauchte Herde, die für ganz wenig Geld erworben werden können. Im Angebot in einer großen Halle neben der Lebensmittelausgabe stehen fast alle wichtigen Dinge, die zur Haushaltsführung vonnöten sind und in normalen Geschäften unbezahlbar sind. Zum Beispiel auch Kinderschuhe: Im Schuhgeschäft im Neuzustand sind sie 60 oder 70 Euro teuer, bei der Tafel aber, als noch gute Gebrauchtware, kosten sie nur einen kleinen einstelligen Euro-Betrag.
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Nachschub von Spenden ist immer hochwillkommen. Geld- und Sachspenden sind ohnehin die größte, fast einzige Einnahmequelle. Nur unregelmäßig sind sie so großzügig wie die der Peter-Schorr-Stiftung im vorigen Jahr: Für insgesamt 6000 Euro konnten sich bedürftige Kinder einen Schultornister in einem Wattenscheider Fachgeschäft aussuchen.
Tafel sucht Ehrenamtliche, die kräftig anpacken können
Die Tafel brauchen aber nicht nur Spenden, sondern auch mehr Personal: vor allem Ehrenamtliche, die bereit und auch in der Lage sind, kräftig mit anpacken zu können. Etwa beim Verladen von Kisten. Jüngere Ehrenamtliche, die das könnten, gebe es zu wenig. Zurzeit sind es 80 Freiwillige, die die Tafel ein bis zweimal pro Woche unterstützen.
Supermärkte spenden weniger Ware
Größte Lebensmittelspender für die Tafel sind die Supermärkte und Produzenten. Allerdings sinken die Lebensmittelmengen, die die Tafel in den Geschäften bekommt, weil diese mengenmäßig besser planen und weniger abzugeben haben, das nicht zeitig verkauft werden konnte.
Das sei einerseits erfreulich, sagt der Verein, denn es zeige, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung wachse, Lebensmittel nicht zu verschwenden und wegzuwerfen. Andererseits: „Für unsere Kundinnen und Kunden ist das keine gute Nachricht.“
Aktuell arbeiten zwölf Festangestellte in Vollzeit für die Tafel sowie acht Mini-Jobber. Hinzu kommen neben Ehrenamtlichen auch 30 AGH-Kräfte (vom Jobcenter finanzierte „Arbeitsgelegenheit“ für zwei Euro pro Stunde).
Tatkräftige Mithilfe bei der Tafelarbeit ist neben Geldspenden sowie Lebensmitteln- und Sachspenden die dritte Säule, auf denen der Verein steht. Dauerhafte öffentliche Fördermittel gibt es nicht. „Wir sind komplett eigenfinanziert“, sagt Vorstandsmitglied Sascha Gorks.
Ganz frisch ist eine Spende von sozial engagierten Radfahrenden: Auf einer Benefiztour unter dem Motto „Immersatt statt nimmersatt“ haben „die Benefietsen“ 2000 Euro eingesammelt, die sie bei einem Kinderfest auf dem Gelände der Tafel an vorigen Samstag übergaben.