Bochum-Wattenscheid. Nach dem politischen Beben in Bochum-Wattenscheid gibt es andere Mehrheitsverhältnisse in der Bezirksvertretung. Das hat direkt Auswirkungen.
Die vergangenen Wochen und Monate haben die Bezirksvertretung Bochum-Wattenscheid ordentlich durcheinander gewirbelt. Den neuen Bezirksbürgermeister (Marc Westerhoff) stellt die CDU, der abgewählte (Hans-Peter Herzog) hat sein Mandat nun doch behalten und will seinem Widersacher Wolfgang Rohmann den SPD-Fraktionsvorsitz streitig machen, und nach dem Ende der rot-grünen Koalition gibt es völlig neue, unsichere Mehrheitsverhältnisse. Was das für Auswirkungen auf die Sacharbeit der Lokalpolitiker hat, zeigt sich in der ersten Sitzung nach der Sommerpause direkt am Beispiel Emilstraße.
Nach Polit-Beben in Bochum-Wattenscheid: Zoff hat direkt Auswirkungen
Diese will die Verwaltung im Sinne der Radfahrer sicherer machen, in dem sie durch Poller auf Höhe der Bahnbrücke das Durchfahren von Pkw unterbindet. Das halten die Lokalpolitiker in der Bezirksvertretung für keine gute Lösung. In diesem Punkt sind sie sich einig. Auch darüber, dass die Emilstraße verkehrsberuhigt werden soll. Nur wie – dazu gehen die Meinungen auseinander. Eine Entscheidung konnte von der Bezirksvertretung nicht herbeigeführt werden. Es gab zwei Änderungsanträge, beide Abstimmungen darüber endeten mit 9:9 – sie wurden somit abgelehnt.
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Und damit wären wir bei den neuen Mehrheitsverhältnissen innerhalb der Bezirksvertretung Wattenscheid. Weil es außer der Koalition SPD/FDP (Einzelkämpfer Rolf Heyer) keine politischen Bündnisse mehr gibt, fällt fortan noch mehr ins Gewicht, wenn ein Mandatsträger fehlt. Wie in diesem Fall Gerd Kipp von der CDU. Mit ihm wäre ziemlich sicher der Änderungsantrag der CDU mit knapper Mehrheit beschlossen worden.
In diesem fordert die CDU, auf Poller zu verzichten und stattdessen lieber durch Aufpflasterungen (sogenannte Berliner Kissen) speziell vor und hinter den Kindergärten das Tempo der Autofahrer zu drosseln. Dazu wird eine Tempo-30-Zone ins Spiel gebracht. Das würde reichen, um für mehr Sicherheit auf der Emilstraße zu sorgen, die ohnehin nicht so stark frequentiert sei, als dass sie „abgepollert“ werden müsse.
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Die Grünen hatten diesen Antrag mitgetragen, allerdings mit Ergänzungen. So wünscht sich Sonja Lohf eine Verkehrszählung und Beleuchtung unter der Bahnbrücke. Doch, wie erwähnt: Die gemeinsamen Stimmen reichten nicht.
„UWG:Freie Wähler“ haben Emilstraße schon vor zweieinhalb Jahren thematisiert
Ebenso wenig gab es eine Mehrheit für den Änderungsantrag, den die Fraktion „UWG:Freie Wähler“ auf den Weg gebracht hatte. Seine Partei habe die Emilstraße schon vor zweieinhalb Jahren zum Thema gemacht, erinnert Hans-Josef Winkler. Der Antrag auf Verkehrsberuhigung sei jedoch abgelehnt worden. Daraufhin habe es einen Prüfauftrag gegeben. „Wir haben aber nie Poller gefordert“, stellt Winkler klar, „sondern eine Verkehrsberuhigung.“ Allein wegen der Kitas sei eine Durchfahrt sinnvoll. Auch die Anwohner würden sich sonst eingesperrt fühlen, habe er bei einem Ortstermin erfahren.
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Die „UWG:Freie Wähler“ wünscht sich daher eine „Anlieger frei“-Beschilderung. Und Fahrbahnmarkierungen. Aber auch für diese Ideen gab es im Gremium keine Mehrheit.
Und was nun? Sonja Lohf von den Grünen hat am Ende die Lösung, der sich alle anschließen: „Klar ist, dass wir was wollen. Nur nicht, wie. Von daher sollten wir den Tagesordnungspunkt auf die nächste Sitzung in zwei Wochen schieben. Dann können sich die Fraktionsvorsitzenden und Vertreter der Parteien vorher zusammensetzen und eine Einigung erzielen.“ Das sei besser als die Nachricht nach außen zu vermitteln „Wir machen gar nichts, weil wir uns nicht einig werden“.
Neue Sitzordnung und ein Comeback
„Herzlich willkommen zur Sitzung der Bezirksvertretung“ stand an der Wand im Wattenscheider Rathaus zu lesen. Wie sehr sich wohl Hans-Peter Herzog (SPD) willkommen gefühlt haben mag? Mit großer Mehrheit war er vor der Sommerpause als Bezirksbürgermeister abgewählt worden. Ihm wurde vorgeworfen, sich zu wenig für den Stadtbezirk eingesetzt zu haben. Aus Sicht seiner Kritiker hatte seine „Alles-halb-so-wild“-Einstellung zur Diskussion um die Farben der Sitze im Lohrheidestadion das Fass zum Überlaufen gebracht.
Nun reihte sich Herzog wieder in seine Fraktion ein. Die Ankündigung, sein Mandat abgegeben zu wollen, hatte er wieder einkassiert. Stattdessen wolle er jetzt seinem Widersacher Wolfgang Rohmann den Fraktionsvorsitz streitig machen. Rohmann gilt als Drahtzieher für Herzogs Abwahl. Einen Handschlag zwischen beiden gab es nicht, wohl aber einen kurzen Austausch vor Beginn der Sitzung. Das war‘s. Anschließend ging es wieder um das, was zuletzt in den Hintergrund gedrängt wurde: Politik für die Bürger machen.
Die Sitzordnung innerhalb der Bezirksvertretung hat sich leicht verändert. Die drei Grünen-Politiker, nicht mehr Koalitionspartner der SPD, sind von den Genossen auch räumlich abgerückt. Dafür sitzt jetzt Rolf Heyer (FDP) dazwischen, neben der SPD. Direkt auf die andere Seite hat sich Kristina Rüdiger gesetzt. Sie war erst vor kurzem von den Linken zur SPD gewechselt. Nun kehrt sie den Sozialdemokraten wieder den Rücken zu und will künftig als Parteilose „soziale Politik“ machen. Die Vorfälle innerhalb der Bezirksvertretung seien nicht ausschlaggebend für ihre Entscheidung gewesen, sagt Rüdiger: „Ich möchte mich nicht in parteiinternen Strukturen verlieren.“