Bochum-Linden. Vom Leistenbruch bis Blinddarm: Der Chirurg Detlef Pauly half in Bochum-Linden weit über 20 Jahre lang unzähligen Menschen. Jetzt ist Schluss.
Für den Bochumer Südwesten ist es das Ende einer Ära: Nach 26 Jahren hat Detlef Pauly, Facharzt für allgemeine Chirurgie, seine Praxis an der Axstraße 35 in Linden geschlossen. Die letzte Sprechstunde war bereits Mitte Juni, doch die Menschen im Stadtbezirk haben den beliebten, bodenständigen Mediziner noch lange nicht vergessen. „Wenn ich die Straße entlanglaufe, grüßt mich beinahe jeder“, freut sich Pauly, der insgeheim aber froh ist, seinen herausfordernden Job nach all den Jahren an den Nagel gehängt zu haben.
Rund 100 bis 150 Patienten pro Tag
Paulys Praxis lag etwas versteckt auf dem Gelände des inzwischen geschlossenen St. Josefs-Hospitals in Linden und war Anlaufstelle für Menschen mit komplett verschiedenen körperlichen Gebrechen. „Ich habe immer gesagt: Wir behandeln alles außer Herzinfarkt und Zucker“, scherzt Pauly. Vom Leistenbruch über den Oberschenkelhalsbruch bis zum lädierten Knie, vom Blinddarm bis zu Problemen mit der Schilddrüse und der Galle: Das Spektrum des Mediziners war riesig. Rund 100 bis 150 Patienten behandelte Pauly pro Tag, darunter auch wegen Arbeitsunfällen, chronischen Wunden und Entzündungen.
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Dafür ging es in der Facharztpraxis mit fünf Angestellten beinahe schon demokratisch gerecht zu. Paulys oberstes Credo: Bei ihm gab‘s keine Termine. „Bricht sich jemand den Arm oder schneidet sich einer in den Finger, muss er schnell drankommen, ob mit Termin oder ohne“, sagt er. So ging es bei ihm meist nach Dringlichkeit – lange Wartezeiten oftmals inklusive. „Drei bis fünf Stunden haben die Leute dann schon mal auf sich genommen.“
Nervenaufreibende Zeit als Notarzt im Krankenwagen
Der 65-Jährige ist alteingesessener Dahlhauser und möchte hier auch nie wieder weg. Er studierte in Essen und Bochum „fast schon nach dem Ausschlussverfahren“, wie er lächelnd anmerkt: „Ich habe lange überlegt, worauf ich Lust hatte. Da blieb nur die Medizin.“ Als Chirurg arbeitete er zunächst in einer Klinik in Essen-Werden, später in Schwerte: „Damals waren wir eine der ersten, die Schultern arthroskopisch operiert haben, was völliges Neuland war.“ Mit leichtem Schaudern denkt er an die nervenaufreibende Zeit als Notarzt im Krankenwagen zurück: „Bei einer Fahrt zum Unfallort verliert man mehr Kalorien als ein Beamter am ganzen Tag“, sagt er. „Man weiß ja nie, was einen vor Ort erwartet.“
Seine erste eigene Praxis übernahm er 1998 von Dr. El Hakim gegenüber dem Lindener Marktplatz und zog zwölf Jahre später ins St. Josefs-Krankenhaus um. „Das hatte für alle Seiten viele Vorteile“, sagt Pauly. „So konnten wir etwa das teure Röntgengerät gemeinsam nutzen.“
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Bauarbeiter hatte bei Sturz großes Glück
Besonders spannend in seinem Job: „Man lernt die komplette Gesellschaft kennen“, sagt er. „Von Menschen, die auf der Straße leben, bis zu vornehmen Bildungsbürgern ist alles dabei.“ Und immer wieder überraschen ihn die Geschichten seiner Patienten: etwa des Bauarbeiters, der aus zehn Metern Höhe von einem Baugerüst fiel. „Er hatte Glück, denn er landete in einem großen Berg aus Laub.“
„Ich habe immer gesagt: Wir behandeln alles außer Herzinfarkt und Zucker.“
Ende September 2020 wurde die Lindener Klinik geschlossen, das riesige Gebäude steht seitdem leer. Knapp vier Jahre lang machte Pauly trotzdem weiter, eher er sich jetzt aus Altersgründen dazu entschloss, den Kittel an die Wand zu hängen. Heute ist seine ehemalige Praxis auf dem Krankenhausgelände von einem großen Bauzaun umgeben.
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Und was macht Detlef Pauly jetzt, der übrigens nie einen Doktortitel gemacht hat? „Ich werde zunächst ein paar Wochen meine Nachfolger unterstützen“, sagt er. Dann freut er sich auf viel freie Zeit mit seiner Dogge an der Ruhr oder auf Fahrten in die Normandie, die er schon immer gern besucht hat. „Ich will einfach mal durchatmen.“
Pauly übergibt an zwei Nachfolger
Detlef Pauly übergibt seine Praxis an zwei Nachfolger: an den Gefäßchirurgen Dr. Björn Burkert, Hattinger Straße 809, in Linden sowie an Dr. Andre Sander.
Der Orthopäde und Unfallchirurg ist Chefarzt im Evangelischen Krankenhaus in Hattingen und hat soeben eine neue Praxis im Ergo-Med-Zentrum, Scharpenseelstraße 173, eröffnet. Termine gibt es bei ihm derzeit nur unter doctolib.de und demnächst unter 0234 941 2241.