Bochum-Ehrenfeld. In Sachen Wärmewende gibt ein Bochumer Wohnungsverein den Vorreiter. Für viele Millionen werden zwei Quartiere modernisiert. Erst der Anfang.

Los ging es schon im Mai, doch erst jetzt ist es richtig laut geworden. Im ersten von zwei benachbarten Quartieren nahe der Königsallee in Bochum-Ehrenfeld, die der Gemeinnützige Wohnungsverein (GWV) Bochum modernisiert, werden gerade die Balkone entfernt. „Wenn die Betonplatten abgeschnitten werden, sorgt das schon für Lärm“, wissen Micha Heimbucher und Christian Knibbe vom GWV-Vorstand. Aber die Maßnahme sei unumgänglich, um die Wärmewende auch vor Ort zu erreichen. Die Mieter habe man dabei so gut wie möglich versucht, ins Boot zu holen.

Wohnungsverein in Bochum setzt auf Fernwärme: Was das für die Mieter heißt

Während in Bochum die Stadt, die Stadtwerke und mehrere Wohnungsbaugesellschaften an einem Konzept für eine gemeinsame kommunale Wärmeplanung basteln, legt der GWV schon mal vor und tauscht in den beiden Quartieren im sogenannten „Karree Christstraße“ das Heizungssystem aus. Wenn die Modernisierung fertig ist (Ziel: Ende 2025), werden alle Wohnungen ans Fernwärmenetz angeschlossen sein.

Mit großem Gerät wird im Wohnviertel nahe der Königsallee in Bochum-Wiemelhausen die Modernisierung vorangetrieben.
Mit großem Gerät wird im Wohnviertel nahe der Königsallee in Bochum-Wiemelhausen die Modernisierung vorangetrieben. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Modernisiert werden insgesamt 17 Häuser aus den Baujahren von 1906 bis 1955 mit 135 Wohnungen und 8685 Quadratmetern Wohnfläche. Sie liegen inmitten der Straßen Königsallee, Christstraße, Pieperstraße und Hugo-Schultz-Straße. Die Umstellung des Heizungssystems auf Fernwärme ist für den GWV ein wichtiger Schritt hin zu weniger CO2-Ausstoß. Ziel sei es, den Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent, bis 2040 um 88 und bis 2045 nahezu um 100 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. 2021 sei man bei 51 Prozent gewesen.

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Doch es geht nicht nur um Fernwärme. Energiekosten sollen auch über eine bessere Fassadendämmung eingespart werden können. Dazu werden im Zuge der Modernisierung alle Wohnungen mit einem Balkon ausgestattet. Auch soll die Sicherheit durch mehr Licht, Gegensprechanlagen und neue Eingangs- und Wohnungstüren erhöht werden. Damit nehme man Kritikpunkte aus einer Mitgliederbefragung 2022 auf, so Knibbe und Heimbucher.

Im Vorfeld der Baumaßnahme hatte es Ende Februar 2024 Knatsch gegeben. Mieter fürchteten um die Bäume im Innenhof und fühlten sich über die bevorstehenden Arbeiten schlecht informiert. Gerade auch im Hinblick auf mögliche Mieterhöhungen. „Diese Kritik war berechtigt“, gesteht Micha Heimbucher. „Wir haben damals zu spät informiert, viel zu kurzfristig.“

„Die Wärmewende kostet halt Geld. Und das muss am Ende jemand bezahlen.“

Christian Knibbe, Vorstand des Gemeinnützigen Wohnungsvereins Bochum

Die Kommunikation laufe seither aber besser. Es habe eine Info-Veranstaltung gegeben, berichtet Christian Knibbe. Und jede einzelne der 135 Wohnungen sei von GWV-Mitarbeitern und Handwerkern begangen worden. Im Austausch mit den Mietern habe man erläutert, was gemacht wird. Zugleich hätten die Handwerker schon mal eine Bestandsaufnahme gemacht. „Das nahm vielen auch die Ängste“, ist Knibbe sicher.

In Bochum wird ein Wohnviertel modernisiert. Ein Teil ist schon fertig (rechts). Links wird noch gearbeitet. Ende 2025 soll die Maßnahme abgeschlossen sein.
In Bochum wird ein Wohnviertel modernisiert. Ein Teil ist schon fertig (rechts). Links wird noch gearbeitet. Ende 2025 soll die Maßnahme abgeschlossen sein. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Angst hatten viele Anwohner auch vor einer saftigen Mieterhöhung. Schließlich verschlingt die Modernisierung 9,35 Millionen Euro. „Die Wärmewende kostet halt Geld. Und das muss am Ende jemand bezahlen“, sagt Knibbe. „Das gehört zur Wahrheit dazu.“ Die Mieter wolle man allerdings nicht zu sehr und unter dem, was möglich wäre, belasten.

„Mieter dürfen durchaus eine Energieersparnis erwarten.“

Gemeinnütziger Wohnungsverein Bochum

Acht Prozent der Modernisierungskosten dürfe man auf die Mieter umlegen, erklärt Knibbe. „Das wären in diesem Fall 3,75 Euro pro Quadratmeter.“ Der Gesetzgeber erlaube jedoch nicht mehr als zwei Euro. Und auch da will der GWV drunter liegen. „Im Schnitt werden wir die Miete um 1,10 Euro erhöhen“, verspricht Heimbucher. Damit könne man wirtschaftlich und zugleich sozialverträglich bleiben.

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Unterm Strich werde jeder Mieter letztlich sogar besser gestellt sein als jetzt, sind Knibbe und Heimbucher sicher. Über die Umstellung auf Fernwärme und die energetische Sanierung „darf man durchaus eine Energieersparnis erwarten“.

Vorreiterrolle für GWV

Im Zuge der Zusammenarbeit von Stadt Bochum, Stadtwerke Bochum und den großen Wohnungsunternehmen bei der „Bochumer Wärmewende“ werden Impulsprojekte identifiziert und entwickelt. Eines dieser Impulsprojekte und das erste, das komplett geplant ist und jetzt zur Ausführung ansteht, ist das Projekt „Christstraße“ des Gemeinnützigen Wohnungsvereins Bochum (GWV). „Man kann daher durchaus von einer Vorreiterrolle der GWV als Bauherr des ersten zur Ausführung anstehenden Projektes sprechen“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk auf WAZ-Anfrage.

Die kommunale Wärmeplanung als mittlerweile verpflichtende Planung der Gemeinde sei bereits mit Unterstützung der Stadtwerke Bochum und der Wohnungswirtschaft begonnen worden. „Nach Beauftragung eines Dienstleisters wird zurzeit an den abschließenden Konzeptdetails gearbeitet“, so van Dyk. Die Fertigstellung der Kommunalen Wärmeplanung sei für Mitte 2026 vorgesehen.

Der GWV hält die Zusammenarbeit für sehr sinnvoll. So erfahre man direkt über die Stadtwerke, zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Wohnquartiere ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Zugleich habe der Energielieferant einen Überblick über die Abgabemenge. „Das schafft auf beiden Seiten Planungssicherheit“, sagen Micha Heimbucher und Christian Knibbe vom Vorstand des GWV. Zudem handele es sich ja meist um große Wohngebiete. Allein der GWV hat 433 Häuser mit 2938 Wohnungen.