Bochum-Wattenscheid. Das „Büdchen am Stadtgarten“ in Bochum ist eine kleine Institution. Die beiden Inhaberinnen haben stets ein offenes Ohr – und erleben viel.

„Hallo“, sagt ein Kunde und bestellt zwei große Cola. Karola Meier (36) und Gülsen Celayir (47) geben ihm die beiden Flaschen, sie kassieren. Der junge Mann geht weiter, vorbei am kleinen „Büdchen am Stadtgarten“. Zwei Jahre gehört es den beiden Frauen aus Wattenscheid nun – und wird immer mehr zu einer kleinen Institution.

Den Kaffee am Morgen, das Weggetränk für zwischendurch, eine Schachtel Zigaretten, all das kaufen die Kundinnen und Kunden in der kleinen Bude an der Parkstraße neben Martin-Luther-Krankenhaus und Stadtgarten. Das am meisten verkaufte Produkt aber ist, wie könnte es anders sein: „die gemischte Tüte“, verrät Karola Meier, wohl besser bekannt unter ihrem Spitznamen Lola.

„Büdchen am Stadtgarten“ in Wattenscheid verkauft bis zu 20 Kilo Gummibärchen und Lakritz pro Woche

15 bis 20 Kilo Gummibärchen und Lakritz gehen pro Woche über die Ladentheke. Fünf oder zehn Cent kostet ein Klümpchen. „Die meisten kaufen die gemischten Tüten, die schon fertig sind.“ Gerade Kinder würden aber gerne vorbeikommen und sich die Kombi – so kennt man es schließlich an der Bude – selbst zusammenstellen. „Sie fragen dann auch: Wie viel habe ich noch?“, weiß Meier.

Das „Büdchen am Stadtgarten“ ist für viele Menschen in Wattenscheid ein Treffpunkt.
Das „Büdchen am Stadtgarten“ ist für viele Menschen in Wattenscheid ein Treffpunkt. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

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Die 36-Jährige kommt eigentlich aus dem bayrischen Erding, der Liebe wegen zog sie vor 13 Jahren nach Wattenscheid. „Ich kenne die Bude, seit ich hierhergezogen bin, mein Lebensgefährte hatte seine Firma gegenüber, wir waren immer Stammkunden“, sagt die gelernte Kindergärtnerin.

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Bude gibt es schon seit 1958

Mitinhaberin Gülsen Celayir, meist einfach Gül genannt, arbeitet bereits in der Bude, als sie hört, dass sie verkauft wird. „Ein bisschen Bammel hatte ich schon“, erzählt die Wattenscheiderin. Schließlich kommen sie und Meier ins Gespräch und kaufen das Büdchen, das es schon seit 1958 gibt. „Die Bude hatte vorher einen schlechten Ruf, die Öffnungszeiten waren unzuverlässig, es gab wenig Auswahl. Doch so langsam läuft es“, freut sich Meier.

Die beiden Frauen wechseln sich immer ab mit der Früh- und Spätschicht, haben zudem eine Aushilfe. Sie verkaufen an Laufkunden, die gerade in den Stadtpark gehen wollen oder an Menschen, die zurzeit im benachbarten Krankenhaus liegen. Ganz wichtig: der Tisch vor der Fensterscheibe, durch die das Duo verkauft. Quer durch alle Schichten kommen die Menschen hierher, vom Wohnungslosen bis zur Professorin. Viele bleiben am Tisch stehen, verweilen, kommen ins Gespräch.

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Ein offenes Ohr für die Gäste

„Ich sag‘ immer, die Bude weiß alles“, so Meier. Manchmal ziehen sich die beiden Inhaberinnen zurück, wenn ihre Gäste ungestört reden wollen, für andere sind sie das offene Ohr. Immer wieder begegnen ihnen dabei Menschen mit bewegenden Schicksalen. „Anfangs hat mich das schon mitgenommen, mich traurig gemacht zu, zu hören, wie Leute obdachlos geworden sind oder alkoholkrank“, sagt Celayir. Ihre Kollegin Meier ergänzt: „Wir haben beide gelernt, da Distanz zu schaffen. Mitzufühlen, aber nicht mitzuleiden. Und Rat zu geben, wo er gewünscht ist.“

Immer wieder erleben sie die Dinge, die in Erinnerung bleiben: einen Besuch der Polizei-Reiterstaffel, die regelmäßig im Stadtpark trainiert, aber auch die kleinen Momente zwischendurch. „Mir ist eine Person besonders im Herzen geblieben, sie hat gegenüber von mir gewohnt, im ersten Stock. Der Mann war ein bisschen eigenbrötlerisch, aber je länger wir uns kannten, desto mehr ist er aufgetaut. Wir haben viele gute Gespräche geführt und uns kennen und schätzen gelernt“, sagt Meier. Im vergangenen Jahr sei der Mann leider verstorben.

Tag der Trinkhalle

Das „Büdchen am Stadtgarten“ nimmt am „Tag der Trinkhallen“ teil, der am Samstag, 17. August, im Ruhrgebiet stattfindet.

Von 14 bis 22 Uhr gibt es an der Parkstraße 24 Programm, mit Comedy von den „Clown Brothers“, naturwissenschaftlicher Unterhaltung der „Physikanten“ sowie Unterhaltung von „Geierabend.“ Außerdem gibt es eine Hüpfburg und eine Tombola. Kulinarisch verkaufen die beiden Inhaberinnen angelehnt an ihre Wurzeln gefüllte Weinblätter und Bockwurst, eine türkisch-deutsche Kombi.

Mehr zum Tag der Trinkhalle: www.tagdertrinkhallen.ruhr

„„Die beiden machen das mit ganz viel Liebe.““

Marion Turrek 
Stammkundin im „Büdchen am Stadtgarten“

Generell sagen die beiden Frauen: „Aus vielen Kunden sind in den letzten zwei Jahren Freunde geworden.“ Der Großteil sind Stammkunden. „Man bekommt hier alles mit“, erzählt Celayir. Und so würden die Frauen auch immer wieder gefragt – wenn zum Beispiel jemand eine neue Wohnung sucht oder um Pakete anzunehmen. „Man merkt, wie viel Gemeinschaft hier entstanden ist, das ist schön“, sagt Meier. Leute, die sich vorher nicht mal gegrüßt haben, würden nun miteinander reden, wenn sie sich an der Bude treffen.

Gülsen Celayir (47) und Karola Meier (36) habe das „Büdchen am Stadtgarten“ gemeinsam gekauft.
Gülsen Celayir (47) und Karola Meier (36) habe das „Büdchen am Stadtgarten“ gemeinsam gekauft. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Lola und Gül sind angekommen und wollen bleiben

Stammkundin Marion Turrek sagt, während sie sich einen Durstlöscher bestellt: „Die beiden machen das mit ganz viel Liebe.“ Die 57-Jährige wohnt in der Nähe, kommt zweimal pro Woche her. „Dann hole ich mir was zu trinken oder etwas Süßes.“ Was in ihre gemischte Tüte auf jeden Fall muss? „Lakritz“, so die Wattenscheiderin.

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Lola und Gül sind angekommen, hier in ihrem „Büdchen am Stadtgarten“. Und so schnell bekommt sie wohl auch keiner wieder weg. Sie machen klar: „Solange wir können, bleiben wir.“