Bochum. Das Thema Schlaganfall begleitet Sandra Rahm aus Bochum ihr Leben lang. Sie hilft Patienten und Angehörigen. Dann ist auch ihr Vater betroffen.
Das Thema Schlaganfall begleitet Sandra Rahm (43) aus Bochum durch ihr Leben. Als sie ein Kind ist, erleidet ihre Großmutter einen. Jahre später schlägt sie beruflich einen Weg ein, auf dem sie sich viel mit dem Thema auseinandersetzen wird. Der Schlaganfall ihres Vaters eröffnet ihr schließlich einen ganz neuen Blick auf die Versorgung der Erkrankten und die Hilfe für deren Familie. Das prägt auch ihr berufliches Handeln. Nun ist die 43-Jährige für einen Preis nominiert.
Rahm ist elf oder zwölf Jahre, da erfährt sie, dass ihre Oma einen Schlaganfall erleidet hat. „Meine Großmutter war immer das Oberhaupt der Familie, wir waren oft bei ihr und haben bei ihr geschlafen. Sie so hilfebedürftig und krank zu sehen, das war schlimm“, erinnert sich die Bochumerin, die in Grumme aufgewachsen ist und mittlerweile mit Mann und den beiden Töchtern in Hiltrop lebt. Ihre Oma verstirbt an den Folgen des Schlaganfalls.
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Das ist nun über 30 Jahre her. Zwar gibt es auch damals schon eine sogenannte Stroke Unit, eine Spezialstation für Schlaganfallpatienten, auf der die Oma versorgt wird. „Aber die Versorgung war natürlich eine andere als heute.“
Nach Abitur und Ausbildung arbeitet Sandra Rahm aus Bochum auf Schlaganfall-Station
Nach dem Abitur macht Rahm im Bergmannsheil eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Ich war erstmal offen, in welchen Bereich ich gehe, aber andererseits hat mich die Neurologie sehr gereizt.“ Dort könne man mit Pflege viel bewirken, „weil jede Pflege Therapie ist.“ Es folgt eine Fachweiterbildung, dann wechselt sie ins St.-Josef-Hospital, fängt auf der Stroke Unit an.
Immer wieder begegnet Rahm bei ihrer Arbeit einer Frage: Was kommt danach? Für viele Betroffene und Angehörige würden die Probleme erst so richtig anfangen, wenn es zur Entlassung kommt. „Ich sah oft, wie wir Menschen gerettet haben,“ sagt Sandra Rahm, „aber leider nicht, wie es ihnen danach erging. Das empfand ich zunehmend sehr unbefriedigend.“ Rahm studiert Gesundheitswissenschaften und lässt sich zur sogenannten „Case und Care Managerin“ ausbilden. Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung geht sie in die Pflegeberatung, arbeitet bis heute bei der privaten Pflegeberatung „Compass“.
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„Wir schauen, wie es nach dem Krankenhaus für die Patienten weitergeht“, erklärt sie ihre Aufgabe. „Wie läuft die häusliche Versorgung? Brauchen wir einen Pflegedienst? Sind Hilfsmittel notwendig? Als Pflegeberater haben wir eine Art Lotsenfunktion.“
Vater erleidet Schlaganfall – zuerst gibt es wenig Hoffnung
Im Dezember 2018 kommt sie dann schlagartig in die Situation, Lotse der eigenen Familie zu werden. Vater Udo Rahm erleidet einen schweren Schlaganfall, wird von jetzt auf gleich zum Pflegefall. Seine Prognose ist mehr als schlecht. Er liegt gelähmt im Bett, hat seine Sprache verloren und wird über eine Sonde ernährt. „Wenn ich mir seinen Zustand von damals und die CT-Bilder seines Gehirns anschaue, konnte man eigentlich wenig Hoffnung haben“, sagt sie sich heute.
So gesehen habe er sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Die Sprache ist weiter gestört, doch er kann wieder laufen und nimmt am Leben teil. Ehefrau Elisabeth wird durch Sandra Rahm und die Familie unterstützt. So kommt ihr Vater ohne einen Pflegedienst aus.
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Die familiäre Erfahrung hat Rahms berufliches Handeln nachhaltig beeinflusst. „Aus der Angehörigenperspektive konnte ich plötzlich sehen, auf wie viele Fragen man keine Antworten bekommt“, erklärt sie. „Heute kann ich Angehörigen Fragen beantworten, von denen sie noch gar nicht wissen, dass sie sich stellen werden.“ Nebenberuflich arbeitet die 43-Jährige als Couch und Mediatorin in ihrer eigenen Firma „Lösbar“, sie hilft Menschen in herausfordernden Situationen.
Bochumerin veröffentlicht Buch und wird für einen Preis nominiert
Was sie nach dem Schlaganfall ihres Vaters erlebt, fasst sie in einem Buch zusammen. Im November 2023 erschient „Da trifft uns der Schlag“ – ein Erfahrungsbericht und Ratgeber von und für Schlaganfall-Betroffene und ihre Angehörigen. „Dieses Buch kann ich nur allen, die mit diesem Schicksalsschlag zu tun haben, empfehlen“, urteilt Schwiegermutter Ursula Heymann.
„„Es gibt viele Hilfen: man muss den Mut haben, danach zu fragen und sie einzufordern.““
Diese hat Sandra Rahm auch für den Motivationspreis der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe nominiert. Der wird alle zwei Jahre vergeben, an diejenigen Menschen, die sich als Betroffene, Ehrenamtliche oder Fachleute für das Thema Schlaganfall engagieren und durch ihr Vorbild andere motivieren.
Am 15. November entscheidet sich, wer den Preis erhält. Doch allein die Nominierung ist eine Auszeichnung – und Sandra Rahm wird weiter ihren Weg gehen. Schlaganfall-Betroffenen gibt sie vor allem einen Ratschlag: „Es gibt viele Hilfen: man muss den Mut haben, danach zu fragen und sie einzufordern.“