Bochum. Klaus Petersen wohnt in der zehnten Etage in Bochum. Seit Mai kommt er nicht mehr aus dem Haus. Der Alltag der Familie wird zur Herausforderung.

Oben angekommen in der zehnten und damit höchsten Etage eines Wohnhauses in Bochum-Querenburg haben die Bewohner eine gute Aussicht über weite Teile von Bochum. Das Problem ist allerdings: Bevor sie diese genießen können, heißt es nach 144 Stufen erst einmal durchatmen, denn der Fahrstuhl ist seit Anfang Mai kaputt. Bewohner Klaus Petersen kann seine Wohnung seitdem nicht mehr verlassen.

Zusammen mit seiner Frau Marija lebt er in der zehnten Etage. Vor mehreren Jahrzehnten ist er hier eingezogen – wegen der guten Aussicht. Doch nun ist der Rentner schon fast zwei Monate in seiner Wohnung eingesperrt. Denn: Er ist auf den Fahrstuhl angewiesen, weil er nur so mit seinem Rollator herausgehen kann.

Klau Petersen kann nicht aus seiner Wohnung raus: „24-Stunden-Job“ für den Sohn

Klaus Petersen (75), dessen Frau aktuell im Krankenhaus ist, sitzt an seinem Wohnzimmertisch, auch sein Sohn Marc ist gekommen, ebenso wie ein Nachbar, der ähnliche Probleme hat und ebenfalls einen Rollator benötigt.

Marc Petersen (49) erklärt, warum der Aufzug wohl kaputt ist: „Das Dach ist undicht. Nach und nach ist Wasser in den Schacht getropft. Dann wurde der Fahrstuhl unten geparkt und ist abgesoffen.“ Das war Anfang Mai, seitdem hat sein Vater Klaus Petersen die Wohnung nicht mehr verlassen können. Eine E-Mail der Vermieter bestätigt die Aufzug-Probleme: „Durch eine Undichtigkeit im Dach gelang Wasser in den Technikraum sowie in die Kabine des Aufzuges“, heißt es darin.

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Der defekte Aufzug schränkt Klaus Petersen sehr ein und auch für seinen Sohn ist die Situation belastend, er habe nun einen „24-Stunden-Job“. Marc Petersen zählt auf: „Nach der Arbeit gehe ich kurz zu meiner Familie. Dann besuche ich meine Mutter im Krankenhaus. Danach kaufe ich für Papa ein, laufe mit Rucksäcken und mehreren Taschen nach oben, um nicht zweimal zu gehen. Momentan übernachte ich hier und am nächsten Morgen fahre ich wieder nach Mülheim zur Arbeit.“

Marc Petersen ist froh, dass er von seinen Kindern und seiner Frau so viel Rückhalt bekommt. „Das ist nicht selbstverständlich.“ Den Sommerurlaub mit seiner Familie habe er schon gecancelt.

Aufzug kaputt: Arzttermine und Krankenhausbesuche seien nicht wahrnehmbar

Klaus Petersen hat die Lungenerkrankung COPD. Arztbesuche kann er nicht wahrnehmen, weil er die Wohnung nicht verlassen kann. Hinzu kommt ein weiteres Problem, der Rentner braucht Flüssigsauerstoff: „Die Lieferanten könnten den Sauerstoff nicht immer hier hochtragen. Mir wurde schon mitgeteilt, dass das kein Dauerzustand ist“, sagt Petersen. Auch seine Frau im Krankenhaus kann er nicht besuchen.

Damit nicht genug, in der Wohnung gibt es außerdem Schimmel. Bedingt durch die Feuchtigkeit haben die Mieter des Hauses den in ihren Wohnungen, wie Klaus Petersen an mehreren Stellen zeigt. Nach den zuletzt starken Regenfällen stand das Wasser sogar im Hausflur, veranschaulicht Marc Petersen mit Handyvideos.

Vermieter insolvent - Mietzahlungen eingestellt

Was sagt der Vermieter dazu? Die Kommunikation sei „schlecht. Man ist einfach machtlos“, beklagt Klaus Petersen. Der Aufzug könne nicht repariert werden und muss neu gebaut werden. Das werde ein Jahr dauern, habe man ihm gesagt. Das Haus gehört der Immobilienverwaltung „d.i.i Property Management“ mit Sitz in Wiesbaden. Im April meldete die Firma Insolvenz an. Als Petersen von der Insolvenz erfuhr, buchte er die Kaution in Höhe von rund 1000 Euro zurück. „Ich weiß ja nicht, ob ich die jemals zurückbekomme.“

Herr Petersen ist seit dem 1. Mai. im 10. Stock seinen Hauses gefangen, weil Aufzug defekt ist. Vermieter mache nichts
An vielen Stellen in der Wohnung von Klaus Petersen ist Schwarzschimmel zu sehen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Im Schriftverkehr mit den Vermietern, der dieser Redaktion vorliegt, zählt Petersen die zahlreichen Mängel auf. In der Antwort bestätigt die Immobilienfirma den Wasserschaden im Fahrstuhl durch ein Leck im Dach. Sie hat ihm einen Mieterlass von 20 Prozent angeboten.

Viel zu wenig, findet Petersen, der die Miete in Absprache mit dem Mieterverein nun komplett einbehält. Er überlegt sogar, rechtliche Schritte einzuleiten. „Die Nutzung des Fahrstuhls ist essenziell – für Sauerstoff-Lieferungen, Einkäufe, Arztbesuche“, schreibt Petersen an die Vermieter. „Das ist unterlassene Hilfeleistung.“ Auf WAZ-Anfrage antwortete das Unternehmen nicht. Bereits vor zehn Jahren hatte die WAZ über die Zustände in dem Haus berichtet. Auch damals war der Fahrstuhl defekt.

„Einen alten Baum verpflanzt man nicht“ - Petersen möchte trotzdem raus

Martin Krämer vom Mieterverein Bochum bestätigt Petersens Aussagen in Bezug auf die Mietminderung: „Die Miete auf null zu setzen, ist rechtens. Man muss sich überlegen, dass die Wohnung quasi wertlos ist. Er kommt nicht raus und wäre er draußen, käme er nicht wieder hinein.“ Gerade die Sauerstofflieferungen seien ein wichtiger Faktor in dem Zusammenhang. „Es ist jetzt die einzig richtige Methode, um Druck auf die Vermieter auszuüben.“

Laut Krämer gibt es im Univiertel in Querenburg viele alte Hochhäuser, in denen lange nichts mehr passiert ist. Neben dem von Klaus Petersen seien auch andere Gebäude in der Hustadt oder das Unicenter betroffen. Zwar hätten sie unterschiedliche Vermieter, aber diese Ähnlichkeiten: Sie alle sind alt, Hochhäuser und in einem Viertel. 

Auch wenn es Klaus Petersen nicht leicht fällt, möchte er nun schnellstmöglich mit seiner Frau ausziehen und eine neue Wohnung finden. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, sagt sein Sohn, doch die Situation sei ausweglos.

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