Bochum/Witten/Hattingen. Birgit Piechotka hat 37 Jahre im Freizeitbad Heveney gearbeitet, nun geht sie in Rente. Hunderttausende hat die Saunameisterin nackt gesehen.
„Es menschelt. Da hab‘ ich alles gesehen“, sagt Birgit Piechotka und schmunzelt. Heiß ging es während ihrer 37 Jahre in der Sauna des Freizeitbades Heveney zu – und das nicht nur in den Schwitzhütten. Im WAZ-Gespräch erzählt die 61-Jährige von ihrer Arbeit und ihren unfreiwilligen Begegnungen am Kemnader See.
1987 hatte die gelernte Verkäuferin in der ein Jahr zuvor eröffneten Therme begonnen. Anfangs als Reinigungsfachkraft. Dann an der Kasse. Alsbald in der Sauna. Dort wollte sie schnell wieder weg. „Ich ertrage die vielen Nackten nicht!“, klagte sie ihrem Chef. Der riet zum Durchhalten. Fortan befolgte die Saunameisterin eine Regel: „Ich schau‘ den Leuten nur ins Gesicht – und möglichst nicht weiter nach unten.“
Saunameisterin ist immer für einen flotten Spruch gut
2023 schwitzten mehr als 150.000 Gäste in der Sauna in Heveney. In Glanzjahren waren es fast 250.000. Heißt für Birgit (Saunagänger pflegen das Du): „Ich hab‘ in all den Jahren Hunderttausende Menschen nackt gesehen.“ Die vielen Stammgäste kennt sie gut: aber halt nur im Adamskostüm. Das führt mitunter zu Irritationen. „Hallo Birgit! Weißt du denn nicht, wer ich bin?“, rief ihr ein Passant in der Wittener Innenstadt zu. „Ich hatte tatsächlich keine Ahnung und meinte scherzhaft: „Nee. Aber lass mal die Hosen runter!“
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Für einen lockeren Spruch ist Birgit immer gut. Dabei ist der Job herausfordernd. Sechs bis sieben Aufgüsse pro Schicht, „früher waren‘s sogar 16“: Das schafft nicht jede(r). Als Profi bringt Birgit nach jedem Wedeln den Kreislauf in Schwung: „Beine kühlen, Magnesium und ganz viel trinken“ Manche Gäste sind weniger vorsichtig und kippen um. Die Saunameisterin hat nicht mitgezählt, wie viele kollabierende Besucher sie versorgt hat. Die jährliche Erste-Hilfe-Schulung ist für alle Beschäftigten obligatorisch. „Das ist auch gut so.“
Sonnenbank-Kabinen sind bei Paaren besonders beliebt
Als Sonnenschein gilt die Wittenerin, bei Kollegen und Gästen gleichermaßen. Auch brenzlige Situation versucht sie, ruhig zu lösen. Die gibt‘s immer wieder. Dauerthema in der Therme: verbotene Zweisamkeit. Obwohl sexuelle Handlungen aller Art strikt untersagt sind, leben einige Gäste ihre Lust aus. Mitunter schamlos.
Bei Paaren besonders beliebt seien die Kabinen mit den Sonnenbänken, schildert Birgit. „Die kann man abschließen. Da kann man sich hinlegen. Man muss nur Geld einwerfen, um ungestört zu sein.“ Auch die Umkleidekabinen, die obere Liegewiese und die Saunen würden regelmäßig für Liebesspiele zweckentfremdet.
Fünf Kollegen am Becken: Aber Liebesspiel geht munter weiter
Unvergessen ist bei Birgit eine bizarre Szene im früheren Solebecken. Ein Paar vergnügte sich kurz vor Feierabend deutlich sicht- und hörbar im Salzwasser – und hörte auch nicht auf, als die Saunameisterin einschritt. Die holte Unterstützung. „Irgendwann standen wir mit fünf Kollegen am Becken. Das Paar machte trotzdem weiter. Unglaublich!“
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Betriebsleiter Dirk Clemens findet‘s nicht spaßig. „Selbstverständlich dulden wir keinerlei Sex in unserer Anlage.“ Wer erwischt wird, muss mit einem Hausverbot rechnen. „Werden Gäste belästigt, wird die Polizei gerufen“, so Clemens.
Rentnerin bleibt dem Freizeitbad als Minijobberin erhalten
Gut möglich, dass Birgit Piechotka auch künftig einschreitet. Zwar hat sie im Juni mit einer Feier im Kollegenkreis offiziell ihren Ruhestand angetreten. Stundenweise will sie aber weiterhin das Handtuch schwingen: als Springerin, um personelle Lücken zu schließen.
„Auch nach den vielen Jahren macht mir die Arbeit großen Spaß“, sagt sie und freut sich zugleich, mit Ehemann Winfried (69) nun mehr Zeit für ihr Hobby zu haben: Sauna! Gern auch andernorts. „Ich muss doch schauen, was die Kollegen woanders so machen.“