Bochum. „Herbie“ füllt viermal das Ruhrstadion. In der Bermuda-Kneipe „Mandragora“ erinnert man sich an sein erstes Konzert: samt eines bizarren Streits.
„Herbert Grönemeyer, Grünstraße 36“, steht unter dem Leserbrief in der WAZ Bochum vom 4. Dezember 1976. Der damals 20-jährige Schauspieler und Musiker fühlt sich zu einer Richtigstellung bemüßigt. Es ist der Höhepunkt eines bizarren Streits um einen Auftritt im seinerzeit aufblühenden Bermudadreieck. Leo Bauer (79), Gründer der bundesweit bekannten Ausgehmeile, erinnert aus Anlass der aktuellen Stadion-Konzerte an die Vorkommnisse vor fast einem halben Jahrhundert.
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Grönemeyer? Nur regelmäßigen Theaterbesuchern ist der Name ein Begriff, als die WAZ für den 2. Dezember 1976 einen Country-Abend ankündigt. Der Ex-Pennäler (Abitur am Gymnasium am Ostring) hat jüngst sein Studium der Musik- und Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität begonnen. Am Schauspielhaus wirkt er schon seit 1973 in mehreren Inszenierungen mit.
Grönemeyer kassierte für Kneipen-Konzert beachtliche 500 Mark
Grönemeyer tritt im „Club Liberitas“ am Berliner Platz auf – einem Vorläufer der Kneipe „Mandragora“, die Leo Bauer wenig später am Konrad-Adenauer eröffnet und als Wurzel des Bermudadreiecks gilt. Den Vertrag seiner (bis heute existierenden) Gastro-Firma Heba hat Bauer behalten. „Am 2.12.76 Gastspiel H. Grönemeyer von 21 bis ~ 24 Uhr. Gage DM 500,-/Plakate 26,-“, heißt es in dem Kontrakt.
500 Mark: „Das war damals viel Geld für ein Kneipenkonzert“, weiß der langjährige Bauer-Kompagnon Dirk „Brösel“ Steinbrecher. Die Investition scheint sich gelohnt zu haben: Rund 200 Besucher füllen an jenem Donnerstag bei „Folkmusik auf dem Piano“ den Club. Eintritt: „Irgendwas zwischen fünf und zehn Mark“, vermutet Steinbrecher.
Plakat führt Grönemeyer als „Musikalischen Leiter“ auf
Es ist das Veranstaltungsplakat, das in den Tagen danach zu Unstimmigkeiten führt. Darauf wird Grönemeyer als „Musikalischer Leiter des Schauspielhauses Bochum“ tituliert. „Fake News“ würde man das heute nennen. Fakt ist: Die WAZ übernimmt die Begrifflichkeit in ihrer Ankündigung und führt drei Produktionen auf.
Wer Urheber der plakativen Falschmeldung ist, lässt sich nicht nachvollziehen. Alle Beteiligten waschen ihre Hände in Unschuld:
Leserbrief an die WAZ: „Nur als Schauspieler blamiert“
- Herbert Grönemeyer korrigiert in seinem (mutmaßlich ersten und einzigen) Leserbrief an die WAZ, sich in den besagten drei Stücken „nur als Schauspieler blamiert“ zu haben.
- Die WAZ-Redaktion verweist auf die offenkundig fehlerhafte Pressemitteilung auf den Plakaten und gibt in einer Anmerkung zum Leserbrief zu bedenken: „Auch wir sind nicht in der Lage, beim Theater alle Funktionen zu übersehen.“
- Leo Bauer wiederum betont: Seine Ankündigung enthalte „nur Informationen, die uns Herr Grönemeyer übergeben hatte“. Das gelte auch für die Plakate, für die die 26 D-Mark erstattet wurden.
Vertrag und Quittung von 1976 sind bis heute erhalten
„Die ganze Geschichte wurde damals in Bochum als Skandal gehandelt. Aus heutiger Sicht würde ich eher von einer Posse reden“, schmunzelt Dirk Steinbrecher im WAZ-Gespräch, in dem er die Originale des Vertrages und der Quittung vorlegt. Das inkriminierte Plakat ist leider im Bermudadreieck verschollen.
Jungspund Grönemeyer bemerkt in seinem Leserbrief mit bis heute gepflegter Selbstironie: „Ich habe meine ,musikalischen‘ Finger in anderen Produktionen Unheil anrichten lassen.“ Was folgt, insbesondere mit „4630 Bochum“ acht Jahre später, ist Geschichte, der der 68-Jährige mit den vier ausverkauften Stadion-Konzerten noch bis Montag (17.) ein neues Bochum-Kapitel hinzufügt.
Mit 500 Mark Gage dürfte der Veranstalter diesmal nicht ganz hinkommen...