Bochum. Weniger Parkfläche für mehr Grün: Die städtischen Pläne für die Innenstadt polarisieren. Was sagen Anwohner und Einzelhändler dazu?
Knapp 30 Parkplätze sollen in der Bochumer Innenstadt verschwinden, um die Kortumstraße und Große Beckstraße attraktiver zu machen. Mit mehr Grün und Sitzgruppen will die Stadt Bochum die City verschönern und den Autoverkehr ein wenig verdrängen, um es auch den Radfahrern bequemer und vor allem sicherer zu machen. In der Politik kommt die Idee gut an. Doch wie sieht es direkt vor Ort aus? Wir haben uns umgehört.
Viele Parkplätze weg: Pläne in Bochum spalten das Viertel
Und wo geht das besser als beim Friseur? Der Salon „Hairstyle“ von Julia Martin liegt an der Großen Beckstraße, mittendrin quasi. „Mehr Grün ist okay“, findet die Inhaberin. „Aber müssen gleich so viele Parkplätze verschwinden? Es würde doch reichen, wenn man zwischen den Parkplätzen begrünt.“ Findet auch die Frau, die gerade frisiert wird: „Das ist eine ganz schlechte Idee. Ich muss hier parken. Wo denn sonst?“
Knapp 30 Parkplätze weniger in der Innenstadt: So sieht der Plan der Stadt Bochum aus
Die Haare frisch gewaschen, sitzt Ilona Jordan vor einem anderen Spiegel und wartet auf ihren Haarschnitt. „Ich komme aus Weitmar-Mark extra mit Bus und Bahn, eben weil man hier so schlecht parken kann. Ich finde es schön, wenn es hier grüner und attraktiver wird. Es muss ja was fürs Klima getan werden.“
Auch nebenan im Atelier „Schmuckunikate“ ist man froh über die Umgestaltung vor dem Ladenlokal. „Ich begrüße das sehr“, sagt Inhaberin Gudrun Meyer, die zugleich Anwohnerin ist. „Das ist schon gefährlich für Radfahrer hier. Wenn ich aus der Hofeinfahrt komme, kann ich die Straße sehr schlecht einsehen.“ Auch die Parkplatzsuche im Viertel sorge für Stress und Stau. „Schön, wenn das hier künftig ruhiger wird.“
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In den Straßen zu parken sei ohnehin nicht so leicht. „Das geht ja eh nur für eine Stunde. Wenn man dann länger beim Arzt sitzt, gibt es sofort ein Knöllchen. Da ist es doch besser und entspannter, ins Parkhaus zu fahren.“
„Ja, wir brauchen Aufenthaltsorte und Radwege, aber wir können die Autos nicht aus der Innenstadt verbannen.“
Das sieht Gisela Dewender ganz anders. Sie hat gerade eingeparkt und füttert den Parkscheinautomaten. Sie meide Parkhäuser, „weil man da nur noch mit Karte zahlen kann. Da bin ich nicht firm genug. Das ist schlimm für alte Menschen“. Dewender ist über die Pläne für die Innenstadt bestens informiert, „mein Sohn ist in der CDU“. Ebenso wie dessen Partei hält auch sie nicht viel von der Umgestaltung der beiden Straßen. „Man kann es auch übertreiben. Ja, wir brauchen Aufenthaltsorte und Radwege, aber wir können die Autos nicht aus der Innenstadt verbannen.“ Vieles bekomme man in den Vororten nicht mehr, dafür müsse man halt in die Stadt.
„Bei uns in Wanne-Eickel haben wir sowas auch“, sagt ein Mann, der kurze Zeit später sein Auto an der Große Beckstraße parkt. „Wenn ich mir das heute angucke, kann ich nur sagen: Die, für die die Sitzgruppen gedacht waren, sitzen da am allerwenigsten.“
„Auf der Straße wird gehupt wie bekloppt, die Leute stellen sich mit ihrem Auto quer oder halten einfach an. Das wäre mal eine willkommene Beruhigung.“
Ähnlich geteilt sind die Meinungen entlang der Kortumstraße zwischen Brückstraße und Nordring. Seit 2001 betreibt Susanne Lebek hier ihre Second-Hand-Boutique „Stoff-Wechsel“. „Ich freue mich über die Veränderungen“, sagt sie. „Auf der Straße wird gehupt wie bekloppt, die Leute stellen sich mit ihrem Auto quer oder halten einfach an. Das wäre mal eine willkommene Beruhigung.“
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Im Parkhaus und drumherum gebe es genug Möglichkeiten, das Auto abzustellen. Mehr Grün an der Straße fände sie wunderbar. „Hier ist nur Beton und Asphalt. Im Sommer ist das ekelhaft, da flirrt alles.“ Bessere Luft würde auch besseres Leben bedeuten. „Hier wohnen ja auch viele Menschen“, gibt sie zu bedenken. Allerdings hat sie auch Verbesserungsvorschläge im Sinne der Kunden: „Es wäre schon gut, eine Zone zu haben, wo man mal kurz zum Be- und Entladen halten kann.“ Auch einen Shuttle-Service zwischen Kirmesplatz an der Castroper Straße und Innenstadt regt Susanne Lebek an.
Ihre Kundin Dorothea Kipka hält einen Wegfall von Parkplätzen für einen Wettbewerbsnachteil der Stadt gegenüber dem Ruhrpark, wo man ja kostenlos parken könne. Sie und ihr Mann führen ganz bewusst mit dem Auto. „Das ist einfach günstiger als mit dem ÖPNV. Da zahlen wir für eine Viererkarte elf Euro. Mit dem Auto im Parkhaus sind es 3,60 Euro“, rechnet sie vor.
Bochumer Innenstadt: Entwicklung wird von vielen kritisch gesehen
Im Zooladen Papesch sieht man die Entwicklung kritisch. „Ich könnte mir vorstellen, dass das negative Auswirkungen auf das Geschäft haben könnte“, sagt eine Mitarbeiterin. Zwar habe man überwiegend Stammkunden, die zu Fuß kämen. „Aber wer einen Sack Katzenstreu benötigt, kommt dann doch mit dem Auto.“
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Gleich nebenan hocken ein paar Männer vor dem Barbershop „Goldener Finger“. Kunde Mohammed Achmed kann sich gut vorstellen, künftig gemütlich mit viel Grün drumherum vor dem Friseursalon zu sitzen. „Das wäre schon cool.“ Mit dem Parken habe er keine Probleme. „Ich finde immer was.“
Gegenüber bei „E-Mo“ (Elektromobile wie Scooter) sieht man das anders. „Die Kunden haben ja jetzt schon Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu finden“, sagen Johanna Sworobowicz und Lebensgefährte Benjamin Nemli. Sie selbst parken an der Kita am Bergbaumuseum und gehen von dort in die Innenstadt. Sie lese immer wieder in den Sozialen Medien, wie viele das Parken und Einkaufen in der Stadt als Katastrophe ansehen würden, sagt Sworobowicz.
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Die Entwicklung der Innenstadt gefällt auch Loredana Ferrigno nicht. Sie führt seit 24 Jahren den Modeladen „Stadtgespräch“ an der Kortumstraße. Allerdings nur noch bis Ende des Monats. „Dann ist hier Schluss.“ Sie hält die Umgebung inzwischen für „grauenvoll“ und fragt: „Ob das durch die Bänke schöner wird? Ich glaube, da muss mehr passieren.“