Bochum. Auf Rente hat Reiner Bode keine Lust. In seinem Café in einem Bochumer Vorort sorgt er seit kurzem für gute Stimmung. Die Gäste sind begeistert.
Viel hat nicht gefehlt, dann wäre Reiner Bode an der Tanke gelandet. Oder würde im Supermarkt Regale auffüllen. Seine Rente hätte er auf die Weise auch aufstocken können und mit relativ großer Sicherheit hätte sich auch bei diesen Arbeiten ein Lächeln auf dem Mund unter seinem Schnäuzer geformt. Aber seine Gäste würden ihn vermissen, ohne es zu überhaupt zu wissen. „Er ist schon ein Schätzchen“, sagt Ursula Ambrassat (85), die sich jeden Freitag mit ihrem Stammtisch im Café Glück, rechts neben dem Teich in der Seniorenwohnanlage an der Glücksburger Straße in Bochum-Wiemelhausen, trifft.
Statt Ruhestand: Wirt Reiner aus Bochum macht einen Stadtteil glücklich
Bode, der spätberufene Wirt, ruft seinem Bruder, der heute aushilft, gerade „zwei Mal Schokolade“ zu, ehe er sich auf den Weg macht, um noch eine Flasche Weißwein hinten aus dem Lager zu holen. „Heute ist echt viel los“, sagt der ehemalige Lagerleiter, „so voll ist es selten, aber macht ja Spaß, sonst würde ich das gar nicht machen“. Seine Arbeit im Café ist ein neues Hobby, von dem er nicht wusste, dass er es jemals wollte.
„Am beeindruckendsten ist seine Hilfsbereitschaft.“
Als Bode vor rund anderthalb Jahren seine Mutter, bald 90 Jahre alt, in der Anlage besuchte, sah er zufällig einen Aushang hinter der Scheibe des Cafés. „Die haben einen neuen Pächter gesucht“, sagt Bode. Er suchte Beschäftigung, um fit für seine kleinen Kinder zu bleiben und die Rente aufzubessern und war sowieso schon auf der Suche nach einem Nebenjob. Bode rief an und bekam den Zuschlag. Seitdem steht er hinter der Theke, am Anfang jeden Tag der Woche, mittlerweile ist am Samstag zu. Sonst wäre es zu viel und der Samstag sei ohnehin der schwächste Tag der Woche gewesen.
Gegenüber von Ursula Ambrassat sitzt Brigitte Greese. Die sechs Frauen und der eine Mann des Stammtischs stoßen heute nachträglich auf einen 65. Geburtstag an – erst mit Kaffee und Wasser, später mit Bier und Rotwein. „Hier werden alte Menschen noch beachtet“, sagt Greese, die in der Anlage wohnt. Reiner Bode mache unglaublich viel für seine Gäste: Bingo-Abende, Grillfeste, Flohmärkte. „Aber am beeindruckendsten ist eigentlich seine Hilfsbereitschaft“, schaltet sich Ambrassat ein. Wenn es regnet und draußen der Rollstuhl eines Gastes steht, mache Bode ihn ganz selbstverständlich erstmal trocken, bevor er die Leute nach Hause lässt.
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„Wenn man mal etwas ruhiger hier sitzt und wenig sagt, kommt er vorbei und fragt sofort, was los ist“, fügt Greese hinzu. Bode selbst sieht sich auch ein wenig als Psychiater. Mit schlechter Laune hat die Truppe ihn noch nie gesehen, da herrscht Einigkeit. Auch Bode selbst kann sich daran nicht erinnern, zu viel Spaß habe er an seiner neuen Arbeit. Über die Lautsprecher in dem Raum mit der großen Fensterfront und dem kleinen Biergarten davor läuft Musik. Für die Auswahl ist Bode verantwortlich, gerade hat er „100 Hits of the 80s“ aufgelegt. Manchmal erlaube er sich einen Spaß und drehe die Musik immer etwas auf, dann würden auch die Gespräche immer lauter. Seine Gäste werden es ihm verzeihen.
Bochumer Wirt will in drei Jahren Schluss machen – wenn seine Gäste ihn lassen...
Im Nebenraum des Cafés ist ein kleines Unglück passiert. „Was hast du gemacht, was ist passiert?“, fragt Bode mit einem Lächeln, als ein Mitglied der ehemaligen zweiten Kompanie der Brenscheder Damenschützen in den Schankraum tritt. Bode springt auf, „ja, dann hol ich ’nen Wischer, ist doch kein Problem“, sagt er, holt einen Lappen hervor, geht ins andere Zimmer und wischt die verschüttete Cola von Tisch und Boden.
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Bode duzt alle in seinem Café. „Kenne ich gar nicht anders“, sagt er. Und seine Gäste tun es ihm gleich, ein „Sie“ komme hier eigentlich niemandem über die Lippen. Wenn man Bode fragt, ob er sich irgendwie besonders auf sein neues Leben hinter Kaffeemaschine und Zapfhahn vorbereitet habe, sagt er „nein“. Kein Gläserjonglieren im Wohnzimmer und kein Tellerbalancieren in der heimischen Küche. Klar, sei auch schon einmal was umgefallen, aber nur leere Gläser, betont Bode, der heute ein weißes Hemd mit schwarzem Muster trägt, sonst aber auch gerne mal auf Kapuzenpulli und Jogginghose zurückgreift.
Bodes Bruder fand den Schritt zur eigenen Kneipe damals „mutig“, auch viele andere hätten ihm abgeraten, sagt Reiner Bode. „Er hat aber schon immer seinen eigenen Kopf“, sagt der Bruder. Wenn er 70 Jahre alt ist, soll Feierabend sein. Das wäre in drei Jahren. Diese Ankündigung sorgt unter seinen Gästen für ein wenig Unruhe. Es gibt aber Hoffnung: „Ich könnte mir auch vorstellen, dass er dann doch noch ein Jahr dranhängt“, sagt Margret Freitag (72), zwei links neben Ursula Ambrassat. Und dann vielleicht noch eins und noch eins und…
Immer geöffnet – außer samstags
Das Café Glück in der Glücksburger Straße 14 in Bochum-Wiemelhausen hat jeden Tag außer samstags geöffnet. Unter der Woche ist Wirt Bode ab 10 Uhr da, am Sonntag ab 13 Uhr.
Es gibt Frühstück, Snacks und Kuchen. Feierabend ist meistens gegen 19 Uhr.