Die Hula-Hoop-Künstlerin Alla Klyshta aus der Ukraine strahlt auf der Bühne des Varieté et cetera. Doch die Gedanken an ihre Heimat lassen sie nie los. Ihre Eltern wohnen nahe des Maidan-Platzes in Kiew. Seit November konnte die Artistin nicht nach Hause reisen. Ein enfernter Verwandter starb in Odessa.
Seit November 2013 vergeht kein Tag, an dem Alla Klyshta nicht an die Ukraine denkt. Gerade als die Unruhen in Kiew begonnen hatten, weil Präsident Viktor Janukowitsch ein Abkommen der Ukraine mit der Europäischen Union blockierte, wollte die 29-jährige Artistin nach Hause reisen. Doch ihre Mutter Svetlana Klyshta (59) riet ihr ab. Zu gefährlich sei die Lage in Kiew, wo die Familie in der Nähe des Maidan-Platzes lebt.
Klyshta tritt seit dem 2. Mai zum vierten Mal in einer Show des „Varieté et cetera“ auf. Doch dieses Mal wird ihr die Zeit fernab von ihrer Familie länger werden. „Ich bin in erster Linie traurig, weil es mein Heimatland ist, in dem ich geboren wurde“, beschreibt sie ihre Gefühlslage, obgleich sie sich in Deutschland sonst sehr wohl fühle. Besucher des Varieté böten ihr sogar Hilfe an, weil sie aus der Ukraine komme, freut sie sich.
Wenn Alla Klyshta morgens aufsteht, informiert sie sich als erstes im Internet über die Nachrichten aus der Ukraine. An manchen Tagen telefoniert sie vier- bis fünfmal am Tag mit ihren Verwandten. „Ich rufe erst meine Mutter an, dann meinen Vater, dann die Frau meines Bruders und dann meinen Bruder. Ich mache mir um alle Sorgen“, sagt die Artistin. Erst vor wenigen Tagen berichtete ihre Mutter, dass ein Cousin zweiten Grades bei den gewaltsamen Ausschreitungen am 2. Mai in Odessa ums Leben gekommen sei. Alla Klyshta kannte den 19-Jährigen nicht, schockierend ist die Nachricht dennoch. Besonders ihr Vater Albert Klyshta (69) leide unter der gewalttätigen Krise in der Ukraine. Seine Frau halte mittlerweile Nachrichten von ihm fern und er habe einige Kilo abgenommen, berichtet die Tochter. „Es ist schwer für ihn, weil er zum Beispiel jetzt ein Visum benötigt, um seinen Bruder in Jalta auf der Krim zu besuchen“, berichtet sie.
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Kontakt in die Ukraine brach ab
Als der Widerstand gegen den ukrainischen Ex-Präsidenten Janukowitsch ausbrach, brach auch einige Zeit die Verbindung von Deutschland in die Ukraine ab. „Die ukrainischen Internetseiten funktionierten nicht mehr und ich konnte nicht mit meiner Familie telefonieren. Das war schlimm. Auch Geld konnte ich nicht überweisen“, schildert Alla Klyshta, die ihre Familie finanziell unterstützt. Gemeinsam mit ihrem kubanischen Freund, Reydi Argote, der ebenfalls als Artist im Varieté et cetera zu sehen ist, fuhr sie zum Essener Hauptbahnhof. Klyshta hatte sich schlau gemacht über Busverbindungen nach Kiew. In Essen überreichte sie einem Busfahrer Geld. „Ich sagte ihm, dass meine Mutter in Kiew zum Hauptbahnhof kommen würde, um es abzuholen. Es war schon komisch, jemandem, dem man noch nie gesehen hat, das Geld mitzugeben“, schildert sie. Das Vertrauen zahlte sich aus, das Geld kam an.
Die junge Artistin möchte nicht darüber urteilen, wer Recht oder Unrecht hat in diesem Konflikt, doch eines weiß sie sicher: „Wenn Menschen sterben, kann es nur schlecht sein. Putin sollte seine Soldaten aus der Ukraine holen. Für mich ist die Vorstellung, dass Russen in der Ukraine beschützt werden müssten, völliger Unsinn“, findet sie. Alla Klyshta ist traurig. Der Zuhörer sieht es ihr zwischendurch an. Aber am 30. Juni endlich reist sie mit ihrem Freund nach Kiew, berichtet sie. Da huscht ein Lächeln über ihr schönes Gesicht.