Bochum. Zeitzeugen aus Bochum un Herne wollen Schüler hautnah über Krieg und Wiederaufbau informieren. Doch Bochumer Schulen zeigen bislang kein Interesse.
Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hat es vorgegeben: Schüler sollen Geschichte spannend erleben statt nur trocken zu pauken. In Herne funktioniert das mit der „Zeitzeugen“-Reihe seit Jahren prächtig. In Bochumer Schulen indes scheinen authentische, hautnahe Berichte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht gefragt zu sein – zum großen Bedauern der Organisatoren und Zeitzeugen.
„Wir müssen die Jugendlichen für die Demokratie wecken“, sagt Gerhard Uhle. Der 82-jährige Inhaber des Einkaufszentrums Hannibal in Hofstede zählt zu den zwölf Männern und Frauen aus Bochum und Herne, die sich zur Aufgabe gemacht haben, in Schulen über ihre Erlebnisse in Kindheit und Jugend zu erzählen. Ein gebürtiger Weißrusse (76), der als Jude das Ghetto von Minsk überlebt hat; eine Bochumerin (76), die mit ihren Eltern vor den Bomben ins Siegerland flüchtete; der Autor (86) eines Buches über die russische Kriegsgefangenschaft; oder Gerhard Uhle, der erst mit den Nazis und später mit den Kommunisten „zwei Diktaturen erleiden musste“: Sie alle wollen mit Schülern ins Gespräch kommen. Wollen berichten, mahnen, erinnern. Wollen aufzeigen, wie wertvoll Demokratie und Freiheit sind, die uns heute allzu oft selbstverständlich erscheinen.
Schulleiter würdigt „hautnahe Erfahrung“
In Herne koordiniert Horst Spieckermann (73) seit 2008 die regelmäßigen Schulbesuche der Zeitzeugen. „Die Resonanz ist überaus positiv – sowohl bei den Schülern als auch den Lehrern“, schildert der Hobbyhistoriker. Die Neunt- und Zehntklässler bereiten sich intensiv auf die Vormittage vor. In kleinen Gruppen unterhalten sie sich jeweils mit einem Zeitzeugen: so wie in diesen Tagen an der Realschule Crange, deren Leiter Reiner Jorczik die „Vermittlung hautnaher Erfahrungen“ würdigt. „Wir wollen die Distanz der Schüler zur schrecklichen Vergangenheit aufheben.“ Dieses Ziel werde erreicht.
Reihe richtet sich an die Klassen 9 und 10
Die Zeitzeugen-Reihe richtet sich an Schüler der Jahrgangs-stufen 9 und 10.
Für die Schulen fallen keine Kosten an. Es wird lediglich um Wasser und Schnittchen für die Senioren gebeten.
Bochumer Schulen, die sich für einen Besuch interessieren, schreiben an die WAZ-Redaktion, Huestraße 25 in 44787 Bochum; E-Mail: j.stahl@waz.de
Weitere Infos gibt es bei Horst Spieckermann, 02323/6 08 84.
Die Zeit drängt. Erst vor wenigen Wochen starb Wilhelm Birkemeyer (86), als einstiger Kriegsgefangener ein Zeitzeuge der ersten Stunde. „Machen wir uns nichts vor: In wenigen Jahren wird es uns nicht mehr geben“, weiß Gerhard Uhle und appelliert: „Die Bochumer Schulen sollte die Chance nutzen – solange wir noch da sind.“