Bochum. Sitzungen der politischen Gremien sollten wegen Corona auch in Bochum per Videokonferenz und online stattfinden. Was nicht so einfach ist.
„Es ist heutzutage nicht notwendig, dass viele Menschen zu Gremiensitzungen in geschlossenen Räumen zusammenkommen", erklärt Dennis Rademacher, FDP-Bezirksvertreter in Bochum-Mitte. Die Bezirksvertretung Mitte zum Beispiel könnte per Videokonferenz tagen. Bürger hätten dabei die Möglichkeit, den Debatten als stummgeschaltete Beobachter beizuwohnen. Rademacher verweist auf andere Städte wie Solingen, die dies mit einem rechtlichen Trick bereits möglich machten.
Corona als Risiko ausschalten
„Lange Diskussionen und lebhafte Debatten in geschlossenen Räumen sind ein Risikofaktor. Das Gleiche gilt für die Anfahrt zur Sitzung, die auch einige Mandatsträger und Bedienstete der Verwaltung mit dem ÖPNV antreten. Zwar unternimmt die Stadt schon viel, um Abstände bei den Sitzungen einzuhalten. Die sauberste Lösung wäre aber, von physischer Präsenz auf die digitale Konferenz umzusteigen", meint der Kommunalpolitiker.
„Bis der Gesetzgeber aber die zeitgemäße Technik für kommunale Gremiensitzungen ausdrücklich erlaubt, muss man sich eines Tricks als Krücke bedienen", so Rademacher weiter. In Solingen "wurden Sitzungen per Videokonferenz abgehalten. Diese wurden in den Sitzungssaal per Monitor übertragen, um formal das Prinzip der Öffentlichkeit auch für die Bürger zu wahren, die keine eigenen Möglichkeiten zum Verfolgen einer Videokonferenz haben. Während Corona hat sich in Solingen, wie man hört, nicht ein Zuschauer physisch dort eingefunden".
Verlängerung gefordert
„Die Bezirksvertreter in Bochum-Mitte hatten das Angebot bekommen, bis Ende Dezember Zuschüsse für mobile Endgeräte zur digitalen Gremienarbeit zu beantragen. Diese Regelung könnte man verlängern, damit sich auch diejenigen, die davon noch kein Gebrauch gemacht haben, sich ein Laptop oder Tablet zulegen können", schlägt Rademacher vor. „Die Bochumer Schulen werden von der Stadt viel schlechter ausgestattet, und von denen verlangt die Politik täglich Unterricht per Videokonferenz. Da muss die Politik selbst doch so was auch hinkriegen."
Politik und Verwaltung sehen zwei Aspekte
Andrea Busche, Bezirksbürgermeisterin in Bochum-Ost, betrachtet das Thema unter zwei Aspekten. "Wenn es bei den Sitzungen um die Einhaltung der Coronaschutz-Regeln geht, konnten wir dies bisher umsetzen. Und auch künftig haben wir alle Vorkehrungen dafür getroffen." So soll die Bezirksvertretung Ost im Jahr 2021 weiterhin im Vollgremium in der Willy-Brandt-Gesamtschule tagen, die genügend Platz zur Einhaltung der Coronaregeln biete.
Der zweite Aspekt betreffe die Teilhabe der Bürger an öffentlichen Sitzungen. "Bisher wurden alle Vorkehrungen getroffen, dass dies vor Ort möglich ist", betont Andrea Busche (SPD). Was auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz wichtig sei. Inweit die Möglichkeit besteht, Sitzungen per Videokonferenz abzuhalten oder auch für die Bürger online zu stellen, müsse dies in rechtlicher und technischer Hinsicht abgeklärt werden.
Videokonferenzen nicht möglich
Das sieht auch der Leiter der Bezirksverwaltungsstelle Wattenscheid, Karlheinz Kayhs, so. "Es gilt sicherzustellen, dass die Einhaltung der Coronaschutzregeln bei den Sitzungen gewährleistet ist. Das ist grundsätzlich im großen Ratssaal des Wattenscheider Rathauses möglich." Die Zahl der Besucherplätze habe man von 40 auf 18 reduzieren müssen. Man habe hier auch die Möglichkeit genutzt, Sitzungen nicht im Vollgremium, sondern nur stellvertretend mit den Fraktionsvorsitzenden stattfinden zu lassen. Dafür müssten alle Fraktionen zustimmen. Und er sagt außerdem zu diesem Thema: "Videokonferenzen sind in rechtlicher Hinsicht mit Blick auf die NRW-Gemeindeordnung bisher nicht möglich."
Rats-TV beschlossen
Die Bochumer Stadtsprecherin Karolin Breitschädel erklärt: "Anders als für Fraktionssitzungen, für die das zuständige Landesministerium Videokonferenzen als Option während der Corona-Pandemie ansieht, ist dies für Rats- oder Ausschusssitzungen von seiten des Landesgesetzgebers nicht vorgesehen." Das Ministerium weise jedoch auf mögliche andere Formen der Präsenzveranstaltungen hin - "etwa Sitzungen mit verringerter Personenanzahl und das Ausweichen auf größere Räumlichkeiten (wie in Bochum zum Beispiel die Nutzung des großen anstelle des kleinen Sitzungssaals). Zudem gelten dabei natürlich auch die üblichen Schutzmaßnahmen - Mund-Nasen-Bedeckungen, Mindestabstand, Desinfektion etc."
Der Bochumer Stadtrat habe jedoch im November die künftige Übertragung der Ratssitzungen als Stream im Internet, das Rats-TV, beschlossen. "Die Stadt befindet sich hier gerade in der Umsetzungsphase. Mit dem Rats-TV wird es somit eine neue Möglichkeit für die Bürger geben, die Ratssitzungen online zu verfolgen."
INFO: Netzwerk legt für Bürger Wert auf Transparenz
Unter dem Blickwinkel der Politik-Transparenz für Bürger begrüßt Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt vom Bochumer "Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung" die Einführung eines "Rats-TV, was der Stadtrat Bochum ja Ende 2020 beschlossen hat. Und es geht uns jetzt auch darum, dass man solche Möglichkeiten auch auf die Fachausschüsse und Bezirksvertretungen ausdehnt. Denn hier werden letztlich schon (Vor-)Entscheidungen getroffen oder wichtige Diskussionen geführt". Bürger könnten sich dann die nötigen Informationen holen, "ob per Livestream oder im Internet abrufbar". Was gerade in Coronazeiten mit beschränkten Besucherzahlen wichtig sei. Und das alles fördere schließlich die Demokratie. "Wir haben eine Erweiterung der Medienübertragung auch auf die Sitzungen der Ausschüsse und Bezirksvertretungen beantragt; dieser Antrag fand im Rat keine Mehrheit."