Erste Probe mit großartigem Klang im Bochumer Musikforum
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Bochum. Ein historischer Augenblick im Musikforum: Zum ersten Mal spielen die Symphoniker bei einer Akustikprobe in ihrer künftigen Heimat.
Von historischen Momenten zu schreiben, ist immer etwas heikel. Doch dieser: Das ist definitiv einer. Es ist Dienstag, 10.17 Uhr, als Generalmusikdirektor (GMD) Steven Sloane zum ersten Mal im neuen Anneliese-Brost-Musikforum Ruhr aufs Regiepult tritt und nach dem Taktstock greift. Vor ihm: das Orchester in kompletter Stärke, das erstaunlich leger gekleidet ist, manche sitzen dort sogar in Shorts.
Über ihm im ersten Rang: die halbe Stadtspitze mit Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), der 20 Azubis der Stadtverwaltung eingeladen hat. Daneben Techniker, Akustiker und Mitarbeiter. Öffentlich ist diese Probe nicht.
Die 2. Symphonie von Johannes Brahms
Und dann passiert’s: Sloane stimmt die ersten Takte aus der 2. Symphonie von Johannes Brahms an – und das klingt dermaßen prächtig, dass so manchem im Saal die Tränen der Rührung (und wohl auch der Erleichterung) in die Augen schießen. „Darauf haben wir 16 Jahre lang gewartet“, sagt Orchesterdirektorin Marina Grochowski sichtlich ergriffen.
Das Orchester scheint sich der Magie dieses Augenblicks bewusst zu sein und spielt den ersten Satz aus Brahms’ Symphonie mit der Extranote Eleganz. „Das Orchester fühlt sich wie neu geboren“, sagt der Erste Konzertmeister Raphael Christ. „Der Klang im Saal ist jetzt schon überwältigend, dabei haben die eigentlichen Arbeiten an der Akustik gerade erst begonnen.“
Am Klang wird weiter gearbeitet
Und das lässt sich gut erkennen: Während die geladenen Gäste auf nagelneuen Stühlen dem Vortrag der Bosy lauschen, sieht man einen Mann etwas unruhig durch den Saal laufen. Es ist der Akustiker Prof. Eckhard Kahle, der sich das kurze Konzert aus allen Ecken genau anhört. „Der Klang ist wie ein ungeschliffener Rohdiamant, der ab jetzt immer weiter bearbeitet wird“, erzählt er. Mit dem ersten Ergebnis zeigt sich Kahle bereits zufrieden, einige Arbeiten wie das exakte Justieren der Klangsegel und diverse akustische Feinheiten stünden aber noch an.
Die erste Akustikprobe ist mit Bravur bestanden, zufriedene Gesichter wohin man blickt. „Dies ist ein feiner, schöner Raum, in dem man das Gefühl hat, von allen Seiten umarmt zu werden“, meint Steven Sloane. „Wir werden den Saal im Laufe der Zeit noch besser kennen lernen – und umgekehrt.“
All der Ärger, den es um den Bau dieses nicht unumstrittenen Hauses gegeben hat: Für Kulturdezernent Michael Townsend ist dies an diesem Morgen wie weg gewischt. „Es klingt grandios“, sagt er. „Und dabei hatten wir nicht mal die besten Plätze.“
100 Handwerker bauen das Musikforum
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Bochum darf sich freuen - Ein Kommentar von Sven Westernströer
Drei Jahre Bauzeit, nicht enden wollende Turbulenzen, massiv steigende Kosten: Kann das alles weg gewischt werden? Mit ein paar Takten (zugegeben wunderschöner und klug gewählter) Musik von Johannes Brahms?
Natürlich nicht. Der Bau des Konzerthauses hat Wunden hinterlassen, Gemüter erhitzt und die Meinungen gespalten. Das wird mit etwas Klassik auf die Schnelle kaum zu kitten sein. Und dennoch: In diesem Moment darf man sich ehrlich freuen mit den Symphonikern und ihrem Chef Steven Sloane, der – ganz Amerikaner – so lange, so hartnäckig am Traum vom eigenen Haus fest hielt, bis dieser tatsächlich wahr wurde.
Wenn das Haus hält, was es bei dieser ersten Probe verspricht, dann wird es für Furore sorgen. Der Klang ist fantastisch! Und wenn unsere Kinder ihre Kinder dort mit ins Konzert nehmen, dann wird eines schönen Tages vielleicht wirklich alles gut.
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