Bochum. „Jedem Kind ein Instrument“ soll mit verändertem Konzept NRW bereichern. Gründungsvater Manfred Grunenberg unzufrieden mit verkürzter Laufzeit .
Es ist eine Erfolgsgeschichte, die 2003 in Bochum begann, ab 2007 explosionsartig das Ruhrgebiet eroberte und die jetzt in ganz Nordrhein-Westfalen Spuren hinterlassen soll. Die Rede ist von der Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ – kurz JeKi. Zum Schuljahr 2015/2016 wird das kultur- und bildungspolitische Aushängeschild der Region mit verändertem Konzept, verkürzter Laufzeit und größerem Verbreitungsradius neu an den Start gehen. JeKi läuft bis 2017/2018 aus.
Künftig sollen Kinder nicht nur Instrumente spielen lernen, sondern wahlweise auch singen oder tanzen können. Aus JeKi wird JeKits, „Jedem Kind ein Instrument, Tanzen, Singen“. Gleich bleibt die aktuelle Fördersumme: Jährlich wendet das Land NRW 10,74 Millionen Euro auf, damit jedes Kind, musikalisch gefördert werden kann. „Es gibt kein vergleichbares kulturbildungspolitisches Projekt, das in diesem Umfang agiert“, informierte Programmleiterin der JeKits-Stiftung, Birgit Walter.
Ein wesentlicher Aspekt des neuen Konzepts JeKits sei, dass das gemeinsame Musizieren von Beginn an die Hauptrolle spiele. Während bei JeKi, das Kunterbunt-Ensemble erst im dritten oder vierten Projektjahr dazugehörte, sollen die Kinder jetzt von Anfang an gemeinsam musizieren. „Beim Tanzen und Singen ist das etwas Natürliches“, schildert Walter den Ansatz. Um die Schwerpunkte „Singen“ und „Tanzen“ an den Schulen umzusetzen, müssten sich die Kommunen gegebenenfalls passende Kooperationspartner vor Ort suchen, erläuterte Walter. Bisher kooperieren Musikschulen mit der Stiftung. Allerdings: „25 Prozent der städtischen Musikschulen verfügen auch über eine Tanzabteilung“, so Walter.
Anträge bis Februar einreichen
Die Grundschulen werden sich für einen der drei möglichen Schwerpunkte entscheiden müssen. Bis zum 20. Februar sollen die Anträge bei der JeKits-Stiftung eingeganen sein. Bisher gibt es allein im Ruhrgebiet rund 600 JeKi-Schulen, die im Projekt Bestandsschutz genießen. An JeKits sollen insgesamt 1000 Schulen teilnehmen können. „Ein Drittel der Grundschulen in ganz NRW liegen allerdings im Ruhrgebiet“, erläuterte Walter. Außer der inhaltlichen Neuheiten, ändert sich die Laufzeit des Projekts. JeKi war auf vier Jahre angelegt, JeKits läuft nur zwei Jahre. „Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass ohnehin nur 25 Prozent der JeKi-Kinder das dritte und vierte Jahr erreichen“, schildert die Programmleiterin.
Die Verkürzung der Projektlaufzeit bedeutet auch, dass die Befreiung von Kosten für Familien, die Sozialleistungen empfangen, im dritten und vierten Jahr wegfällt. JeKi-Gründungsvater und Bochumer Musikschulleiter Manfred Grunenberg sieht diesen Aspekt kritisch: „Damit sind wir nicht ganz glücklich. Wir hätten uns gewünscht, das Land hätte noch fünf Millionen drauf gelegt und das Projekt liefe weiter über vier Jahre.“ Derzeit gehe die Tendenz in den 42 Bochumer JeKi-Schulen dahin, dass die meisten wohl bei dem Instrumental-Schwerpunkt bleiben möchten. „Die Gespräche mit jeder einzelnen Schule laufen allerdings noch“, so Grunenberg. Die Musikschule überlege derzeit gemeinsam mit den Grundschulen, den Instrumentalunterricht in den Grundschulen auf eigene Faust ein drittes und viertes Jahr fortzuführen.
Kommunales Musikprojekt schlug Wellen zur Kulturhauptstadt
Die Musikschule Bochum gab 2003 in Kooperation mit den Grundschulen und der Zukunftsstiftung Bildung in der GLS-Treuhand den Startschuss für das musikpädagogische Programm „Jedem Kind ein Instrument“. „Die Idee entstand 2001 in einem Gespräch zwischen mir und der Zukunftsstiftung. Die Stiftung war neu gegründet und suchte ein markantes Förderprojekt.
Wir hatten dabei die Praxis der Waldorfschulen vor Augen, die darauf dringen, dass jedes Kind ein Instrument lernt. Ich sollte dann planen, wie so ein Projekt ,Bochum-weit’ zu organisieren wäre. Als ich dann auf einen Betrag von 500.000 Euro kam, die ich dafür von der Stiftung haben musste, hat die Stiftung das zugesagt. Die Zusage über diese Riesensumme war quasi der JeKi-Urknall!“, schildert Musikschulleiter Manfred Grunenberg.
Als die Kommunen anfingen, das Kulturhauptstadtjahr 2010 vorzubereiten, entschied die Landesregierung, JeKi auf das Ruhrgebiet auszudehnen. Die Organisation des Projekts obliegt seit 2007 der dafür eigens gegründeten, gleichnamigen Stiftung in Bochum. Bis 2010 schlossen sich 42 Revierstädte mit rund 600 Grundschulen an, in denen bis heute fast 60.000 Kinder musizieren, etwa 5000 davon in Bochum.
Im Ruhrgebiet wird JeKi in 80 Prozent aller Grundschulen umgesetzt. „Alle Erstklässler der Region sollen die Möglichkeit erhalten, ein Musikinstrument zu erlernen. Die Instrumente sind kostenlose Leihgaben. Bis zu 16 Instrumente entdecken die Schüler im ersten Schuljahr: Geige, Querflöte, Posaune ebenso wie Horn, Mandoline oder die türkische Bağlama“, informiert die JeKits-Stiftung.
NRW ist das JeKi-Land schlechthin
Seit 2011/2012 ist das Land NRW alleiniger Förderer von JeKi. Das musikpädagogische Programm ist in diesem Umfang deutschlandweit einmalig. „In anderen Bundesländern wird Jeki im Schnitt an 50 bis 60 Grundschulen durchgeführt“, informierte Birgit Walter von der JeKits -Stiftung. „Eigentlich kann man den Erfolg von JeKits noch gar nicht einschätzen, sondern erst in zwanzig Jahren. Wir erreichen Kinder, die ansonsten gar nicht wüssten, wie es ist, miteinander zu musizieren“, so Walter zur Nachhaltigkeit des Projekts.