Bochum. Stoff für Diskussionen: Die neuen Sitzgelegenheiten im Bermudadreieck laden eben nicht zum Verweilen ein. Die Stadt verwirklicht damit einen Beschluss von 2008. Zwei Stühle haben sich in den Freisitz eines Imbiss verirrt .
„Ein Schildbürgerstreich, wir haben sehr gelacht“, hört man, aber auch „furchtbar, ich bin sprachlos.“ Die frisch aufgestellten Sitzgelegenheiten am Bermudadreieck sorgen für Aufsehen: Pseudo-Sitze, Kunst oder noch nicht fertig? An drei Positionenen in Höhe des Graf-Engelbert-Denkmals sind insgesamt sechs steinerene Einzelsitzgelegenheiten errichtet worden. Vor dem Supermarkt gibt es drei, voneinander abgewandt rechts und links des Mülleimers. Zwei dann vor dem Imbiss Sa-I, sogar innerhalb jener Vier-Meter-Zone, welche die Betreiber sommers für gewöhnlich als Freisitz mieten. Ein weiterer zu Füßen des sowieso schon deplatzierten Denkmals, direkt an der Straße Kerkwege. Quasi zur kontemplativen Betrachtung des Grafen!?
Sprachlosigkeit bei Imbissbesitzerin
Vom „Schildbürgerstreich“ spricht Dirk Steinbrecher, Sprecher der Interessengemeinschaft (ISG) Bermudadreieck. Die Aufstellung sei ohne Absprache durchgeführt worden, meint er. „Eigentlich war auch vereinbart, für Veranstaltungen abmontierbare Sitze anzuschaffen“. Insgesamt mache, so Steinbrecher, die derzeitige Lösung „keinen Sinn“. Er ätzt bezüglich des Solositzes lakonisch: „Da kann ja dann der Maischützenkönig drauf sitzen und den Grafen angucken“.
Auch interessant
Darauf angewiesen
Neben irritierten und hämischen Kommentaren von Passanten und Bermudagästen gibt es aber auch positive Reaktionen. So freute sich etwa zur sonnigen Mittagszeit Gerda Kalz (73) über die Chance, vor dem Supermarkt kurz auszuruhen und einen Zigarillo zu rauchen. „Ich bin darauf angewiesen“, sagte die gehbehinderte Dame und deutete auf ihren Rollator. „Es gibt sowieso viel zu wenig öffentliche Sitzgelegenheiten in Bochum“, meinte die Rentnerin.
Besonders gemütlich sind die Hocker nicht. Schmal, kalter Betonstein und ohne Armlehnen dienen sie ganz offensichtlich nicht dazu, zum Verweilen einzuladen.
Sozialräumliche Problematik
Stadtsprecher Thomas Sprenger löste das Thema auf WAZ-Anfrage zumindest teilweise auf. Im Rahmen der Beschlussvorlage zur Neugestaltung des Bereich von 2008 sei - ausdrücklich abgestimmt mit der ISG - beschlossen worden, aufgrund der „sozialräumlichen Problematik“, „einzelne Elemente“ voneinander abgewandte Sitzgelegenheiten aus Betonwerkstein zu montieren, um die „Aufenthaltsqualität auf ein Mindestmaß“ zu reduzieren.
Die Kommune habe, so Sprenger kommentierend, die Aufgabe, den öffentlichen Raum zu bespielen. Die schwierige Interessenlage zwischen öffentlichen Sitzgelegenheiten, dem Interesse der Gastronomen an vielen und attraktiven Freisitzen und ordnenden Eingriffen in die „sozialräumliche Problematik“ - gemeint sind dabei offensichtlich vor allem Drogenkonsumenten und Obdachlose, die sich gerne im Supermarkt versorgen - sei dabei stets diskutabel. Warum die Sitze im oder so nah beim Imbiss landeten, konnte die Stadt gestern nicht mehr ermitteln.