Bochum-Nord. Ein Verein zeigt in einer umfänglichen Ausstellung die Geschichte des Stadtteils. Bochumer durchstöberten ihre Fotoalben. Badetag im Waschzuber.
An der Ecke Lothringer Straße/Castroper Hellweg gab es einst einen Eisenwarenhandel. „Da haben wir als Kinder immer die Nägel für unsere Bretterbuden gekauft“, erinnert sich Thomas Kosfeld, der mit seiner Mutter Christel Kosfeld in der Christopherus-Schule in Bochum auf Zeitreise geht. „Zeitreise“, so ist die Ausstellung überschrieben, die der Gerther Treff dort zwei Tage lang präsentiert.
Erinnerungen ziehen Bochumer Besucher in die Schule
Es sind die Erinnerungen, die die Besucher am ersten Tag zuhauf in die Schule zieht, aber auch die Neugierde jüngerer Gertherinnen und Gerther auf die Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern. „Hier bin ich früher in die Grundschule gegangen“, so Thomas Kosfeld. Er ist fasziniert von den alten Bildern in der Aula, etwa von der Straßenbahn, die während seiner Jugend durch die heutige Fußgängerzone fuhr. Seine Mutter weiß noch von den vielen Geschäften dort, die nach und nach schließen mussten, „als Aldi und Lidl kamen“, sagt sie, und ergänzt: „Schade, dass es keinen richtigen Markt mehr gibt“, und deutet auf ein Foto, auf dem sich einst Stand an Stand reihte.
Der kleine Klaus auf dem Nachttopf
Maßgeblich beteiligt an der Ausstellung ist das Gerther Urgestein Klaus Gesk. Sechs Wochen Arbeit hat er reingesteckt, quasi Tag und Nacht die Dokumente zusammengetragen und Texte verfasst. Vieles stammt aus dem Album seines Vaters. Und Gesk lässt dabei tief blicken: Ein Foto zeigt den kleinen Klaus, der sein „Geschäft“ verrichtet. „Da hinten steht er, mein alter Nachttopf“, sagt er und grinst. Aber auch Gerther Bürger waren dem Aufruf gefolgt, das private Fotoarchiv zu durchforsten.
Die Idee zur Zeitreise hatte Marion Kensy, Vorsitzende des Gerther Treffs. Der Verein betreibt das „Kaffeebüdchen“ auf dem Marktplatz, und das ist mit alten Stadtteilmotiven dekoriert. „Immer wieder sprachen uns Besucher auf die Bilder an, bis mein Mann vorschlug: ,Macht doch mal eine Ausstellung’.“ Vor zwei Jahren sollten die Vorbereitungen starten, doch Corona durchkreuzte die Pläne.
Sammlerin steuert Exponate bei
Exponate ergänzen den Bilderreigen. Den größten Teil konnte Hannelore Marel beisteuern. Über Jahre stöberte sie alte Schätzchen auf Flohmärkten auf, die die privaten Fotos ergänzen, wie das vom Badetag ihres kleinen Bruders, der herzzerreißend heult. Daneben steht eine alte Zinkwanne, samt Waschbrett und Holzklammern. Aber auch Haushaltsgegenstände, Geschirr und Dekoartikel sind zu sehen. „Die lagerten lange auf unserem Dachboden, da kam die Ausstellung wie gerufen“, sagt Marel.
Wanderausstellung
Die Ausstellung ist am Samstag (28.) von 10 bis 18 Uhr in der Christopherus-Schule, Gerther Straße 31, geöffnet. Vom 8. bis zum 23. Juli ist sie zudem im Gerther Kulturrat zu sehen. Zudem hat bereits das Stadtarchiv Interesse an der „Zeitreise“ bekundet.
Ein Klassenzimmer dokumentiert die Geschichte der Marshallplan-Siedlung. Wegen der großen Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg musste für die Bergleute und deren Familien Wohnraum geschaffen werden. Mit Geldern des amerikanischen Marshallplans wurden die Häuser der Siedlung gebaut. „Und zwar in der Nähe des Hiltroper Parks, damit sich die Kumpel von der Arbeit unter Tage erholen konnten“, erklärt Michael Pufall, der eine Dia-Show zur Entstehung der Siedlung in den 1950er Jahren zusammengestellt hat.
Eigens aus der Schweiz angereist
Ludwig Schönefeld ist eigens aus der Schweiz angereist. Er lebte früher im Bochumer Norden und hat die Linie 308 aus allen Blickwinkeln fotografiert. Als Klaus Gesk die „Zeitreise“ im Internet ankündigte, bot Schönefeld seine Bilderreihe an. In der Christopherus-Schule hält er auch Vorträge.
Ulrich Kind gibt mit den Schülerinnen und Schülern des Projektes „Kohlengräberland“ Einblick in das alltägliche Leben der Bergarbeiterfamilien, dabei besonders das der Frauen, und berichtet über die Jugend unterm Hakenkreuz.