Bochum. m Rahmen der Vorstellungs-Reihe “Das ist…“ sprach Reto Finger, derzeit Hausautor am Schauspielhaus, über sich und seine Kunst zwischen Land- und Stadtleben, Juristerei und Autorenbohème und Deutsch als Mutter- und Fremdsprache.

Der ominöse dritte Stuhl sollte den ganzen Abend unbesetzt bleiben. Ob noch ein Übersetzer für Reto Finger erwartet würde, fragte Chefdramaturg Thomas Laue scherzhaft angesichts eines dritten Stuhls für das Vorstellungsgespräch mit dem Schweizer Dramatiker.

Im Rahmen der Vorstellungs-Reihe „Das ist…“ sprach Reto Finger, geboren in Bern und derzeit Hausautor am Schauspielhaus, über sich und seine Kunst zwischen Land- und Stadtleben, Juristerei und Autorenbohème und Deutsch als Mutter- und Fremdsprache.

Dass Klang und Rhythmus der Sprache einen zentralen Schwerpunkt in seinen Arbeiten ausmachen, machte der einstige Kleist-Förderpreisträger an diesem Abend deutlich und las auch ein Gedicht im schweizerdeutschen Dialekt Berndeutsch vor - ohne Übersetzung, versteht sich.

Kein richtiges Leben im falschen

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“- diese vielzitierte Sentenz von Theodor Adorno zog sich wie ein roter Faden durch das Gespräch zwischen Reto Finger und Thomas Laue. Schon seit frühester Kindheit in Berührung mit alternativen Lebensformen, gehe es Finger in seinen Stücken um die Suche nach dem richtigen Leben.

An diesem Abend hätte er seinem auf einer Skala von 1 bis 10 eine 8 gegeben. Was vielleicht daran gelegen haben mag, dass er am Wochenende das erste Fußballspiel im Ruhrgebiet, und zwar des BVB, besucht hatte: „Ein schöner Auftakt im Ruhrgebiet“.

Auftragsstück

Der nächste Auftakt folgt dann am Freitag mit der Uraufführung des Stückes, das als Auftragsstück in Zusammenarbeit mit Anselm Weber entstand. Das Schreiben sei keinesfalls etwas, das ihm locker von der Hand gehe: „Es ist schwer, die Geschichte im Kopf genauso auf´s Papier zu bringen.“ Zunächst gehe er von Atmosphären aus, dann erst folgen Geschichten: „Man muss sich das Schreiben erarbeiten.“

Die Neugierde auf Leben und Lebensformen speist sich aus Fingers erlebnisreicher Kindheit zwischen dem Dorfleben mit der Mutter und der Künstlerkommune des Vaters: „Ich habe viel mitgekriegt für die Betrachtungen auf das Leben.“ Nach der Matura folgte jedoch erst mal die Rebellion gegen die chaotische Unkonventionalität des Elternhauses: Ein Jura-Studium, später die Tätigkeit in einer Wirtschaftskanzlei. Heute empfindet er den Juristen-Beruf als Absicherung, aber auch als Möglichkeit, die ständige Reflexion der Autorentätigkeit mal ruhen zu lassen: „Ich kann nicht nur das Leben beschreiben, ich muss es auch leben.“

Erst mit acht Jahren hochdeutsch

Dass die Musikalität eines Textes für ihn einen wesentlichen Schwerpunkt darstellt, ist auch der Dialektvielfalt des Schweizerischen geschuldet. Erst mit acht Jahren, in der Grundschule, sei er in Berührung mit dem Schweizer Hochdeutsch gekommen, witzelte Finger. Das wirke sich noch heute aus: „Ich überprüfe einen Text über Hören und Vorlesen im Ohr.“ Ob in der Schweiz als Gerichtsschreiber oder jetzt in Bochum als Hausautor, Reto Finger ist beides wichtig. Für seine Arbeit. Und vielleicht auch für die Suche nach dem „richtigen Leben“.