Bochum. Vor einer Woche nahm sich eine Studentin der Ruhr-Universität Bochum das Leben. Offenbar machte ihr das Studium zu sehr zu schaffen. Zeitdruck, Notendruck, „Hammer-Examen“ - Prüfungsangst und Panikattacken sind kein Einzelfall. Drei bis fünf Studenten täglich suchen die Psychologische Beratung der Ruhr-Uni auf.
Erst gab die Polizei eine Vermisstenanzeige an die Presse, mit vollem Namen der Gesuchten. Doch schon am selben Tag, letzte Woche Freitag um 13 Uhr, wurde sie tot aufgefunden. Der Leichnam der jungen Studentin lag in der Nähe der Kläranlage Querenburg, neben ihr ein Abschiedsbrief. Am 29. Juli war ihr 25. Geburtstag. Das Studium, soweit erkennbar, hatte ihr zu viel zu schaffen gemacht.
Selbstmord als Verzweiflungstat, weil das Studium nicht fordert, sondern überfordert?
„Es gibt immer wieder Studierende, die in einer akuten Krise sind“, weiß Judith Knoche von der Psychologischen Beratung an der Studienberatung der Ruhr-Universität. Ihr Eindruck nach fünfjähriger Tätigkeit: „Die Zahl der Beratungen hat einen Tick zugenommen.“
Im Notfall in die Psychiatrie
Immer wieder sind es Prüfungsängste vor dem Examen, „Studienabschlussschwierigkeiten“, wie die Psychologin es nennt. Sie weist darauf hin, dass ihre Stelle einen täglichen Notdienst bietet. Wenn es brennt, wird der Klient in die Notfallklinik der Psychiatrie gefahren.
Die psychologischen Berater versuchen zunächst zu klären: „Wie selbstmordgefährdet ist der Betreffende? Ist der Gedanke aus Hilflosigkeit entstanden oder gibt es schon konkrete Überlegungen: ,Wie könnte ich es anstellen, dass ich mich umbringe?’“
Andere Studenten werden an Therapeuten überwiesen, doch oft ließen sich die Probleme im eigenen Haus angehen, durch maximal zehn Termine.
Studentin nahm keine Beratung in Anspruch
Seit Anbeginn ihres Studiums an der Ruhr-Uni habe sie nie von einem Studierenden gehört, der sich dort umgebracht hätte, sagt Judith Knoche. Sie wüsste nur „von einer Jura-Studentin, totgetrampelt bei der Love-Parade“.
Dass letzte Woche sich eine 25jährige Studentin umgebracht hatte, kennen sie und ihre Kollegen nur vom Hörensagen. Die junge Frau, die seit rund drei Jahren im Studentenwohnheim Roncalli-Haus lebte und Elektrotechnik studierte, hatte offenbar den Weg zur psychologischen Beratung der Uni nicht gefunden.
Doch wie verzweifelt Studierende sein können, weiß Judith Knoche sehr wohl. Drei bis fünf Beratungen macht sie pro Tag.
Viele Bachelor-Studiengänge sind überfrachtet
„In Bachelor-Studiengängen wird manchmal zu viel reingepackt und die sechs Semester überfrachtet“, kritisiert sie. Das sei ihr u.a. bei den Ingenieuren aufgefallen. Auch wenn der Bachelor den Vorteil habe, dass die „Prüfungen in lauter kleinen Häppchen erfolgen“, bestehe der Nachteil, „man ist die ganze Zeit in Prüfungssemestern und hat kein Semester zum Durchatmen.“ Und: „Teilweise braucht man eine bestimmte Note beim Bachelor für das Masterstudium. Das finde ich sehr unglücklich.“
Doch andere pochen auch an ihre Tür, weil sie sich vor den „Hammer-Examen“ fürchten. Sie nennt das Medizinstudium, auch Jura mit dem 1. Staatsexamen. Oft wächst der Druck, etwa wegen Liebeskummer: „Trennungsprobleme kommen relativ häufig vor.“
Zentralabitur
Schneller und guter Abschluss immer wichtiger
Woher kommt eigentlich die Prüfungsangst? - „Da hören wir: Man möchte, dass ich einen sehr guten Abschluss mache, einen Superabschluss. Aber ich kann doch nur mein Bestes geben.“ Oder man bringe sich in Zugzwang: „Ich muss schnell fertig werden.“
„Viele machen sich selbst Druck durch zu hohe Ansprüche an sich selbst und werden dadurch blockiert“, weiß Knoche. Um den Druck zu senken, empfiehlt sie, die Studienbedingungen so zu ändern, „dass sie den Menschen fordern, nicht überfordern.“ Aber auch die Studierenden müssten lernen, mit Stress umzugehen und gelassener zu erkennen: „Es ist immer ein Risiko, in eine Prüfung zu gehen.“ Und wie entspannen? - Kultur- und Sportangebote nutzen. So etwa.