Bochum. Bochumer zeigen sich nach dem Tod eines Jungen (1) tief getroffen. Das Kita-Kind leblos gefunden worden. Eine Expertin gibt Tipps zum Umgang.
Der tragische Fall des einjährigen Jungen, der in einer Kindertagesstätte in Bochum-Hofstede nach dem Mittagsschlaf leblos gefunden wurde, hat viele Bochumerinnen und Bochumer tief getroffen. In den sozialen Netzwerken bekundeten viele ihr Beileid. Der Kirchenkreis als Träger der Einrichtung hatte informiert, dass Seelsorger und Trauerbegleitung im Einsatz seien, um die Angehörigen, die Mitarbeitenden und die Eltern der weiteren Kita-Kinder zu begleiten.
Wie sieht eine solche Begleitung aus, was ist wichtig? Tarika Reichen ist Bochumer Psychologin und hat in der Vergangenheit therapeutisch mit Kindern- und Jugendlichen gearbeitet. „Nach einem Todesfall, Unfall oder traumatischen Ereignis ist es zunächst wichtig, dem Kind Raum zu geben darüber zu sprechen.“ Es gehe darum, wie das Kind den Vorfall wahrgenommen habe.
Nach Todesfall eines Kita-Kindes in Bochum: Wie trauern Kinder?
„Häufig legen wir unsere Maßstäbe an, Kinder müssen etwas aber nicht zwangsläufig als genauso schrecklich erlebt haben“, erinnert die Psychologin. Kinder hätten im Kindergartenalter noch kein vollständiges Konzept von Tod. „Ein Konzept, wie wir es von Trauer kennen, haben Kinder erst frühestens Mitte der Grundschule“, sagt Reichen. Vorher würden sie den Tod nicht komplett begreifen, sondern nur Bezugspunkte in ihrer kindlichen Welt wahrnehmen, etwa, dass sie mit einer Person nicht mehr spielen können.
„Sie können noch nicht verstehen nicht, dass jemand endgültig weg ist“, erklärt Reichen. Dass junge Kinder gar nicht trauern, heißt das im Umkehrschluss aber nicht. „Am Anfang beobachtet man häufig die Tendenz, dass Kinder den Vorfall nicht fassen können oder akzeptieren wollen. Die Emotionen brechen dann erst im Verlauf heraus“, sagt sie. Es sei möglich, dass erst nach Wochen eine Verarbeitung nach außen sichtbar werde.
„Trauer ist individuell, sie hängt auch davon ab, wie alt das Kind ist und wie eng die Bindung war“, sagt die Expertin. Ein Kind zum Sprechen zu drängen, ist aus Reichens Sicht eindeutig der falsche Weg. „Es gibt Kinder, die nicht schockiert wirken und ein solches Ereignis gut verarbeiten können und im kindlichen Kopf vergessen“, sagt sie.
Emotionen bei Kindern können sehr schnell wechseln
Eltern müssten sich aber auch darauf gefasst machen, dass Gefühle bei Kindern sehr schnell wechseln können. „Während sie in einem Moment traurig sind, können sie im nächsten Moment freudig und mit viel Spaß spielen. Das ist eine schützende Funktion bei Kindern“, erklärt Reichen.
„Die Sorge, dass mit ihnen etwas Ähnliches passiert, äußern Kinder eher selten“, weiß die Expertin. Solche Gedanken hätten Kinder meist nicht von sich aus, sondern sie würden von außen an sie herangetragen. „Es ist als Eltern daher ratsam, eigene Sorgen und Befürchtungen nicht unbedingt vor den Kindern zu äußern“, sagt Reichen.
Trauerbegleitung in Bochum
In Bochum bietet das Palliativnetz e.V. Trauerbegleitung für Kinder an. Diese richtet sich auch an Familien mit unheilbar erkrankten Angehörigen. Zur Trauerbegleitung gehört etwa die Unterstützung eines kindgerechten Abschiednehmens und Trauerfeier.Die Trauerbegleitung wird unter Einbeziehung von Familie und Kindergarten oder Schule mit kreativen, spielerischen, entspannungspädagogischen und tiergestützten Angeboten gestaltet.
Eltern rät sie vielmehr, Kinder, die traurig sind, etwa zu fragen: „Warum fehlt dir die Person? Was vermisst du?“ und gleichzeitig auch positive Aussichten auf die Zukunft zu geben. „Dinge, wie gemeinsam ein Bild zu malen, eine Kerze anzuzünden oder einen Luftballon steigen zu lassen, kann Kindern helfen“, sagt Reichen. Eltern könnten sich auch Bücher anschaffen, die speziell Kindern Trauer nahebringen.
Expertin gibt Hinweise: Dann ist Hilfe angesagt
„Wenn ein Kind viel darüber sprechen möchte und Eltern sich überfordert fühlen, sollten sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“, rät Reichen. Es gebe aber auch darüber hinaus Anzeichen, dass ein Kind professionelle Unterstützung braucht. „Auffällig ist es grundsätzlich, wenn Kinder sich in ihrem Wesen verändern“, sagt Reichen.
Habe ein Kind beispielsweise vorher viel gesprochen und sei viel in Kontakt gewesen, bleibe dann aber plötzlich nur für sich, sei das ein Warnzeichen. „Ebenso können Veränderungen im Schlafverhalten, beim Appetit oder Einnässen Zeichen dafür sein, dass ein Kind etwas nicht ausreichend verarbeitet hat“, sagt Reichen.
Es helfe, Kindern zu erklären, dass sie mit der Seele eines Verstorbenen durch kleine Rituale in Kontakt bleiben könnten. „Trauer braucht Zeit“, betont Reichen. Mindestens ein Jahr könnten auch kleinere Kinder mit einem solchen Vorfall beschäftigt sein.